Die Clubs haben wieder auf – aber wo ist meine Feierlaune hin?

© Trinity Kubassek | Pexels

Wie oft habe ich in den letzten zwei Jahren gedacht: Verdammt, diesen Song würde ich jetzt so gerne auf einer Tanzfläche hören. Über eine richtig fette Anlage, so laut, dass der Bass einem durch Mark und Bein geht. Oft schließt man in solchen Momenten ja die Augen, ganz so, als wäre man die Protagonistin irgendeines klischeehaften Feierfilms und vergisst die vielen anderen Menschen drumherum.

Irgendwie befürchte ich, dass Letzteres mir nicht mehr so richtig gelingen wird, wenn ich das nächste Mal – endlich – wieder auf einer Tanzfläche stehe. Da müsste schon wirklich genau dieser eine Song kommen, der für ein paar Minuten die Welt anhält, damit ich ausblenden kann, dass sich im näheren Radius um mich herum gerade locker 200 Gründe befinden, warum mir meine Corona-Warn-App die nächsten 14 Tage wieder in stabilem Alarm-Rot entgegen leuchten wird.

Die Clubs machen auf – warum hält sich meine Vorfreude so zurück?

Als ich zum ersten Mal hörte, dass die Clubs Anfang März wieder öffnen dürfen, fühlte sich das ein bisschen an wie ein Geschenk zu bekommen und sich nicht richtig darüber zu freuen. Dieses latent schlechte Gewissen, das sich breitmacht, weil einem das Kleidungsstück, das die Schwiegermutter sicher mit Bedacht ausgesucht hat, wirklich überhaupt gar nicht gefällt. Bin ich es meinem Vergangenheits-Ich der letzten zwei Jahre nicht irgendwie schuldig, mich jetzt wie verrückt auf den ersten großen Abend zu freuen? Alle meine Freund*innen zusammenzutrommeln, Eintrittsgeld und Risikobewusstsein an der Clubtür gegen Spaß zu tauschen bis weit in den nächsten Vormittag zu tanzen?

Bin ich es meinem Vergangenheits-Ich der letzten zwei Jahre nicht irgendwie schuldig, mich jetzt wie verrückt auf den ersten großen Abend zu freuen? Alle meine Freund*innen zusammenzutrommeln, Eintrittsgeld und Risikobewusstsein an der Clubtür gegen Spaß zu tauschen bis weit in den nächsten Vormittag zu tanzen?

Ja, die News, dass man jetzt wieder feiern darf, sie kickt noch nicht so richtig. Aber woran genau liegt das? Es ist ja nicht so, als würde ich gerade absolut jede Situation vermeiden, die eine potenzielle Ansteckungsgefahr mit sich bringt. Anders als im letzten Winter gehe ich gerade in Restaurants, fahre mit der Bahn, gehe ab und zu ins Büro und treffe meine Freund*innen nicht nur draußen zum Wegbier, sondern auch drinnen. Ich kann echt drauf verzichten, auf den (hoffentlich) letzten Metern der aktuellen Welle noch Omikron einzusammeln, aber mit drei Impfungen und regelmäßigen Schnelltests fühle ich mich da, wo ich mich bewege, sicher genug, und für diese Normalität nehme ich das verbleibende Risiko dann eben in Kauf.

Dass das Ansteckungsrisiko größer ist, wenn ich eine Clubnacht mit mehreren hundert Menschen auf engstem Raum verbringe, als wenn ich für eine Stunde in einem Restaurant neben den gleichen Menschen sitze, ist das eine. Aber ist das wirklich der einzige Grund, warum sich meine Vorfreude gerade so zurückhält?

Vielleicht ist es auch okay, im Anbetracht der aktuellen Weltgeschehens nicht in Feierlaune zu sein

An manchen schönen Dingen habe ich in den letzten zwei Jahren ein wenig den Spaß verloren, weil ich sie ein paar Mal zu oft gemacht habe. Banana Bread backen zum Beispiel. Aperol aus Schraubgläsern trinken. Spazieren gehen am Kanal. Ist alles immer noch gut, hat sich aber von Lockdown zu Lockdown schon ein bisschen abgenutzt. Fürs Feiern gilt das definitiv nicht. Aber anstatt deshalb vor Vorfreude zu platzen, habe ich den Eindruck, dass mir gerade mehr als früher bewusst ist, was am Ausgehen auch einfach nerven kann. Ewiges Schlangestehen zum Beispiel. Ja, wer in Berlin lebt, ist das gewohnt, aber drei Stunden Anstehen ist einfach ätzend. Haben wir das wirklich immer so bereitwillig gemacht?

Außerdem haben die letzten zwei Jahre etwas Beeindruckendes mit meinem Biorhythmus gemacht: Zu Beginn der Pandemie war ich frische 23, jetzt bin ich auf einmal 53 und gehe einfach richtig gerne um 22 Uhr ins Bett! Cool, danke für nichts, Corona, ich hatte mit meinen 20ern eh nichts mehr vor.

Zu Beginn der Pandemie war ich frische 23, jetzt bin ich auf einmal 53 und gehe einfach richtig gerne um 22 Uhr ins Bett! Cool, danke für nichts, Corona, ich hatte mit meinen 20ern eh nichts mehr vor.

Es ist ein Trauerspiel. Die Clubs machen auf, und ich freue mich wirklich darüber, wenn ich an alle Menschen denke, in deren Leben das aktuell eine größere Rolle spielt als in meinem. Clubbetreiber*innen, die die letzten zwei Jahre unter beschissenen Bedingungen bzw. gar nicht arbeiten konnten. Menschen, für die Clubs zentrale Dreh- und Angelpunkte ihres Soziallebens sind. Aber mein Sozialleben, das sich in den letzten zwei Jahren hauptsächlich auf der Route zwischen dem Pavillon am Kanal, Brammibal's und meiner eigenen Küche abgespielt hat, muss das Feiern vielleicht erst mal wieder lernen. Und let's be honest: Vielleicht ist es auch okay, im Anbetracht der aktuellen Weltgeschehens nicht in Feierlaune zu sein.

Müssen wir das Feiern wieder lernen?

Während ich diese Zeilen tippe, spült mir meine Playlist Songs in die Kopfhörer, die ich in den letzten Monaten ziemlich oft gehört habe, einfach weil sie mir richtig gute Laune machen. Um die muss man sich in diesen Zeiten eben manchmal sehr aktiv bemühen, und da muss man schon mal tief in die Trickkiste der 00er-Jahre-Popmusik greifen.

Und während ich so darüber nachdenke, in welchen Berliner Club ich wohl gehen muss, um sicherzugehen, dass bei an meinem ersten Abend auf der Tanzfläche "Pocketful of Sunshine" von Natasha Bedingfield läuft, fällt mir ein Abend im letzten September ein. Es fühlt sich im Nachhinein zwar fast an, als hätte ich das geträumt, aber es stimmt ja gar nicht, dass ich vor zwei Jahren das letzte Mal in einem Club war. Letzten Sommer gab es ja diesen Sweet Spot zwischen "Warten, bis die zweite Impfe drin ist" und "Oh, ups, vierte Welle", da hat sich feiern kurz irgendwie okay angefühlt. Eben noch saß ich mit zwei guten Freund*innen im Außenbereich einer Pizzeria, dann kam eins zum anderen, und keine zwei Stunden später fand ich mich mit Sekt-Mate in der Hand am Sisyphos-Strand wieder.

Ich kann mich weder an langes Schlangestehen erinnern, noch daran, dass meine Corona-Warn-App in den darauffolgenden Tagen irgendeinen Mucks gemacht hätte. Und welche Musik lief, das weiß ich auch nicht mehr. Aber ich weiß noch ganz genau, was es für ein wunderbarer Abend war und dass ich auf dem Weg nach Hause (ziemlich früh, ich war müde) dachte: Geil, dieses Gefühl gibt's noch. Und das sind doch die Momente, an die man sich erinnern sollte, wenn es gerade nicht so viele gute Momente gibt.

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