Wie es sich anfühlt, mit 25 zum ersten Mal Single zu sein

© Marina Beuerle

"Kopf hoch, es gibt Schlimmeres, als mit Mitte 20 Single in Berlin zu sein." Diese Worte bekam ich letzten Sommer von einem Freund per WhatsApp, versehen mit einem aufmunternden Smiley. Soso, jetzt war ich also Single. Mein Freund und ich hatten uns gerade getrennt, und ich saß in unserer gemeinsamen Wohnung vor einem großen Rucksack und versuchte zu entscheiden, welchen Teil meiner Klamotten, Bücher und Habseligkeiten ich als erstes mitnehmen sollte.

Dafür, dass es schon recht außergewöhnlich ist, dass ich mit Mitte 20 fast mein halbes Leben mit ein und derselben Person verbracht habe, fühlte sich dieser Zustand erst mal erstaunlich gewöhnlich an: Ein klassischer Check-in im Broken Hearts Club. So ist das also, wenn man sich trennt. Sachen packen, Freund*innen anrufen, heulen, sehr viel trinken, wieder heulen. Ein paar Tage nichts essen können, abwechselnd wütend sein oder erleichtert, dann wieder verzweifelt. Mein Ex-Freund und ich waren ein Paar, seit wir 14 waren. Ungefähr zehn Jahre lang waren wir eine Konstante. Während unsere Freund*innen um uns herum die ersten Trennungen mit fiesem Herzschmerz durchmachten, über sie hinwegkamen und neue Beziehungen eingingen, die früher oder später dann auch wieder in die Brüche gehen sollten, waren wir einfach zusammen.

Zaungast beim Single-Leben

Klar, Trennungen sind meistens scheiße, das habe ich mir in den letzten Jahren mehr als einmal sagen lassen. Da ist es auch erst mal egal, wie lange man zusammen war – es tut immer weh, auch oder gerade wenn die Beziehung gut war, es keinen großen Streit gab, keinen "schlimmen" Grund oder Auslöser. Jetzt war eben ich mal diejenige, die heulend bei Freund*innen anrief. Soweit, so normal. Gleichzeitig fühlten sich die Worte in meinem Mund alle seltsam fremd an: Trennung, Ex-Freund, das waren Vokabeln, die ich auswendig gelernt hatte, die aber bisher immer anderen Menschen gehört hatten. Andere Menschen waren "frisch getrennt", andere Menschen fragten sich, ob die Trennung ein Fehler war, andere Menschen riefen nachts betrunken ihre Ex-Freund*innen an.

Es kam mir vor, als wäre ich plötzlich in ein Geheimnis eingeweiht worden, das fast alle anderen schon lange kannten. Wie sich das wirklich anfühlt, wenn man einen gemeinsamen Alltag aufgibt, die gemeinsamen Gewohnheiten und jede Menge Insider-Witze, die sonst niemand versteht. Auf einmal ist die Person weg, der man sonst immer als Erstes von allen guten Nachrichten erzählt hat. Auf einmal steht man da und fragt sich, ob man das jetzt wirklich alles in eine große Kiste packen und woanders weitermachen soll. 

Als wäre ich ganz schön late to the party

Weitermachen, also: Single sein. Aber was bedeutet das eigentlich? Mit meiner Endlos-Beziehung war ich in meinem Berliner Umfeld in den letzten Jahren meistens die große Ausnahme. Wie sich das Leben als Single zwischen 2010 und 2020 angefühlt hat, weiß ich also nur vom Zuschauen. Und mit 13, 14 ist man kein "Single", wenn man keine*n Partner*in hat, da fängt man doch gerade erst an mit dem ganzen Spaß. Mein Leben vor dieser Beziehung hat offensichtlich absolut gar nichts mit meinem heutigen Leben zu tun, und ich fühle mich, als wäre ich ganz schön late to the party. 

Schließlich ist Berlin die inoffizielle Hauptstadt der Singles, und deshalb habe ich manchmal das Gefühl, dass alle anderen um mich herum irgendwelche Codes kennen, von denen ich noch nie gehört habe. Manche scheinen sich wie Fische im Wasser durch das Berliner Single-dasein zu bewegen und navigieren treffsicher von einer Geschichte zur nächsten. Andere sind weniger souverän, haben vielleicht weniger Glück, aber wissen immerhin mittlerweile recht genau, was sie nicht wollen. Und ich? Muss ich überhaupt daten, nur, weil ich jetzt Single bin? Natürlich nicht, aber ich bin neugierig, und vielleicht habe ich auch ein bisschen Dating-FOMO. Meine Freund*innen lernen ihre neuen Partner*innen beim Feiern kennen oder über Dating-Apps, als wäre es das Normalste auf der Welt – als mein Ex-Freund und ich ein Paar wurden, gab es noch lange kein Tinder. Ich bin quasi Vollprofi in der Disziplin Langzeitbeziehung, weiß aber nicht einmal, wie sich ein richtiges erstes Date anfühlt.

Meine Freund*innen lernen ihre neuen Partner*innen beim Feiern kennen oder über Dating-Apps, als wäre es das Normalste auf der Welt – als mein Ex-Freund und ich ein Paar wurden, gab es noch lange kein Tinder.

Let's face it, eine Pandemie macht die Sache mit dem Dating auch nicht unbedingt einfacher. Zwar haben die Clubs unter 2G-Regelungen geöffnet, so ganz richtig fühlt es sich aber gerade trotzdem nicht an, auf einer schwitzigen Tanzfläche mit einem wildfremden Menschen zu knutschen. Also landet man am Ende ja irgendwie doch bei der App, wo man die Menschen, die man trifft, im Zweifel wenigstens vorher fragen kann, ob sie auch geimpft sind. Moderna oder BioNTech, der zuverlässigste Icebreaker im Jahr 2021 – oh boy, das ist doch alles ein großer Scherz.

Während ich ein bisschen hin und her swipe und mir anschaue, wer mir so in den 5-Kilometer-Radius um Kreuzberg gespült wird, stelle ich mir vor, wie meine ersten Gespräche mit diesen Menschen vielleicht wirklich ablaufen würden. Julius, 27 schreibt in seiner Bio, dass er gerne Gras raucht und es hasst, alleine zu sein – ich vermute, wir hätten uns eher nicht so viel zu sagen. Josh, 26 hat einen echt niedlichen Hund, aber das schreiben ihm garantiert alle, und wahrscheinlich ist es noch nicht mal seiner. Aber ob ich mich bei Benni, 29 mal melde und ihn frage, wo er seinen extrem lässigen Bademantel her hat?

20 Minuten und zwei, drei Matches später schließe ich die App und fühle mich irgendwie seltsam. Als müsste ich mich kurz davon erholen, gerade in so viele fremde Gesichter geblickt zu haben, Gesichter von Leuten, die vielleicht ungefähr zur selben Zeit auch mein Profil angesehen haben. Ich glaube, Leute im Real Life zu treffen wäre irgendwie mehr mein Ding. "You've got a new match!", ploppt die Notification auf meinem iPhone auf und natürlich klicke ich instinktiv gleich drauf. "Let's share a Netflix account", steht in der Bio von Jakob, 28, der wirklich sehr nett aussieht, und mir fällt ein, dass ich meinen Ex-Freund mal aus meinem Account rauskicken könnte.

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