Vom Homeoffice aufs Hopfenfeld: Zwei Erntehelfer*innen berichten
Was uns die Krise gelehrt hat: man kann ganz schön viel Zeit zuhause vertrödeln. Aber mal ehrlich – irgendwann hat man eckige Augen vom Binge-Watching, oft genug beim Gruppen-Videocall in die Kamera geprostet und der Balkon ist auch bepflanzt. Statt dem Hedonismus zu frönen, kann man die Zeit gerade natürlich auch anders nutzen. Auch wenn eine weltweite Pandemie kein Selbstoptimierungs-Retreat ist, gibt es gerade einige Möglichkeiten, wie man einen positiven Beitrag in Krisenzeiten leisten kann. Zum Beispiel, in dem man lokale Landwirt*innen unterstützt und eine Weile bei der Ernte oder dem Anbau hilft! Dass viele Erntehelfer*innen aus dem Ausland nicht einreisen können, trifft landwirtschaftliche Betriebe gerade schwer.
Durch euren Einsatz könnt ihr helfen, die Ernteverluste zu verringern und nebenher auch noch eure Miete bezahlen – Win Win würden wir sagen! Klingt spannend, aber was genau verdient man als Erntehelfer*in eigentlich? Wie läuft ein normaler Arbeitstag auf dem Feld ab? Und kann man als ahnungsloser Student überhaupt mithelfen? Um diese Fragen beantworten zu können, haben wir mal mit zwei Menschen gesprochen, die Schreibtisch gegen Spaten getauscht und beim Hopfenanbau in der Hallertau geholfen haben.
Magdalena Gugler, 25, arbeitet in einer Kommunikationsagentur
Ich würde auf jeden Fall wieder als Helferin auf einem Hopfenfeld arbeiten. Es hat viel Spaß gemacht und war eine spannende Erfahrung.
Liebe Magdalena, was würdest du denn gerade machen, wenn Corona nicht dazwischen gekommen wäre?
Ich habe vor Kurzem meine Masterarbeit abgegeben und am 1. März angefangen in einer Kommunikationsagentur für Sportveranstaltungen zu arbeiten. Da war ich zwei Wochen und hatte mich total auf den Berufseinstieg gefreut, aber dann kam ja leider etwas dazwischen.
Und wie bist du dann dazu gekommen als Helferin auf dem Feld zu arbeiten?
Ein Freund von mir ist Brauer und wusste natürlich Bescheid, wie dringend die Hopfenbauer*innen Helfer*innen brauchen. Er hat sich über ein Forum beworben und wurde dann gefragt, ob er eventuell noch ein paar Leute kennt, die auch Lust hätten zu helfen. Da hab ich mich dann gemeldet, weil ich mir eh schon länger überlegt hatte sowas zu machen. Wir waren dann zu viert, was super war, weil wir immer zusammen fahren konnten und uns schon kannten und wussten, dass wir uns die Zeit zusammen schön machen können.
Wie bist du auf den Betrieb aufmerksam geworden und wie ist der Bewerbungsprozess abgelaufen?
Das ging über das Forum "Hopfenhelden" des Unternehmens Hopsteiner. Unser Kontakt wurde nach der Bewerbung an die Familie Hirmer weitergeben, die sich dann bei uns gemeldet hat.
Wo genau hast du beim Hopfenanbau mitgeholfen und wie lange?
Das Dorf in dem wir geholfen haben hieß Ebrantshausen und ist der Nähe von Mainburg in der schönen Hallertau. Insgesamt haben wir 11 Tage gebraucht, um mit allen Feldern fertig zu werden.
Wie hat denn dein normaler Arbeitstag auf dem Feld ausgesehen?
Wir sind immer um 6 Uhr morgens mit dem Auto in München losgefahren und waren dann um kurz vor 7 auf dem Hof der Familie Hirmer. Von dort aus ging es dann im Bauwagen oder auf dem Traktoranhänger aufs Feld – meistens bei Temperaturen zwischen 2 und 7 Grad. Unsere Aufgabe war es, bei jedem Stock je drei Hopfentriebe an zwei Drähte anzudrehen und die restlichen Triebe abzuschneiden. Das nennt man "Hopfen ausputzen". Für jeden Stock braucht man circa zwei bis drei Minuten, dann geht man weiter zum nächsten Stock. Man sitzt auf einem kleinen Plastikhocker, den man vor den Stock stellt. Vormittags, gegen 10 Uhr, gab es immer eine kleine Pause mit Brotzeit auf dem Feld und mittags sind wir zurück auf den Hof gefahren und haben ein super Mittagessen bekommen. Nach einer Stunde wieder raus aufs Feld und weiter ging’s. Nachmittags wurden wir wieder mit Brotzeit und Getränken versorgt und um 19 Uhr war dann Feierabend.
Mit welchen Leuten hast du zusammengearbeitet und wie war die Stimmung unter den Helfer*innen?
Wir waren eine super Gruppe und haben uns alle bestens verstanden. Wenn man jeden Tag elf Stunden zusammen auf dem Feld sitzt, ist es auch wichtig, dass man sich gut unterhalten und zusammen Spaß haben kann. Außer uns vier gab es noch drei bis vier andere Studierende und sonst halfen hauptsächlich Bekannte und Freunde der Familie. Vier Erntehelfer*innen aus Polen, die schon seit vielen Jahren auf dem Hof arbeiten, waren auch dabei und legten uns vor allem in den ersten Tagen ein ordentliches Tempo vor. Insgesamt waren wir immer so zwischen 13 und 20 Personen.
Vom Schreibtisch aufs Feld – wie war es, auf einmal körperlich anstrengende Arbeit zu leisten?
Also ehrlicherweise muss man sagen, dass die Arbeit nicht direkt körperlich anstrengend ist. Es ist nur für den Rücken super ungewohnt, da haben wir die ersten Tage ziemlich gelitten. Es ist ja auch ein ständiges Aufstehen und wieder Hinsetzen, aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran.
Wie viel hast du bei deiner Arbeit verdient?
Wir haben 11 Euro die Stunde verdient, wobei man aber noch vier Mahlzeiten, Getränke und die erstatteten Fahrtkosten dazu rechnen muss. Wir durften sogar immer noch zum Abendessen bleiben, damit wir Zuhause nicht noch einkaufen und kochen müssen, das war wirklich super.
Kannst du dir vorstellen nochmal als Erntehelferin zu arbeiten?
Ja, ich würde das auf jeden Fall wieder machen! Es hat total Spaß gemacht und war eine super spannende Erfahrung.
Welche Tipps würdest du anderen geben, die auch Interesse haben als Erntehelfer*in auszuhelfen?
Ich würde jedem empfehlen das zu probieren! Vor allem, wenn man im Moment viel Zeit hat. Bevor man sich beschwert, dass man sich langweilt oder nicht genug rauskommt, sollte man das auf jeden Fall machen – über zu wenig frische Luft in der letzten Zeit können wir uns zumindest nicht beklagen...
Philipp Eise, 26, Masterstudent in Bamberg
Ich hätte mir einen wertschätzenderen Umgang gewünscht. Aber ich bin froh erlebt zu haben, was Gastarbeiter*innen in Deutschland Jahr für Jahr mit schlechterer Bezahlung leisten!
Lieber Philipp, was würdest du denn gerade machen, wenn Corona nicht dazwischen gekommen wäre?
Normalerweise bin ich Bartender im Freiraum Bamberg. Zudem habe ich gerade einen Master in Literatur und Medien an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg begonnen.
Und wie bist du dazu gekommen, beim Hopfenanbau auszuhelfen?
Ich bin über eine befreundete Biersommelierin auf den Job als Hopfenanbinder gekommen. Sie ist gut vernetzt in der Bamberger Gastronomie, über eine gemeinsame Whatsapp-Gruppe hat sich das dann ergeben und ich habe mich relativ schnell dazu entschlossen mitzuhelfen. Zudem hatte ich am 1. Mai Geburtstag und dachte mir, dass ich lieber dort meinen Geburtstag mit ein paar Leuten verbringen möchte, als daheim in der Bude zu hocken. Also habe ich auch gleich noch ein paar Freund*innen von mir Bescheid gesagt. Der Andrang war auch relativ hoch, so ziemlich alle Menschen aus der Gastro-Szene sind gerade arbeitslos. Außerdem wollten viele einfach mal dem ganzen Corona-Thema entgehen, denke ich.
Wie ist dann der Bewerbungsprozess abgelaufen?
Ich habe direkt im Betrieb angerufen und ein Foto von mir geschickt. Vermutlich damit der Betrieb sieht, dass man körperlich in der Lage ist auf dem Feld zu arbeiten. Am Telefon wurde mir mündlich bestätigt, dass ich mitmachen kann und zwei Tage vor dem Einsatz kam der Anruf, dass ich am Montag zum Betrieb kommen soll.
Wo genau hast du mitgeholfen und für wie lange?
Ich habe im größten Hopfengebiet Deutschlands, der Hallertau, gearbeitet. Ich war vom 27. April bis zum 8. Mai auf dem Hof, davon habe ich circa elf Tage durchgearbeitet.
Wie hat denn dein normaler Arbeitstag auf dem Hopfenfeld ausgesehen?
Am Anfang sind wir immer um 6 Uhr aufgestanden, da es um 6.45 Uhr auf der Ladefläche des Traktors zum Feld ging. Die Fahrt war immer das absolute Highlight des Tages, besonders zu Feierabend. Um 7 Uhr war man dann auf dem Feld und man bekam eine Reihe zugewiesen. Diese galt es dann bis zur Mittagspause zu bearbeiten. Man zieht mit Messer und Kissen zum Hinknien oder Sitzen los und bearbeitet dann Pflanze für Pflanze für Pflanze und so weiter. Dazwischen gab es eine Brotzeit, welche meistens aus Wurstsemmeln (eher mäßig) oder Butterbrezen (richtig geil, es gibt kaum was Besseres als eine Butterbreze auf dem Feld!) bestand.
Um circa 12 Uhr ging es dann zurück zum Hof um Mittagessen. Was es gibt ist einem eigentlich recht egal, weil man einfach nur schnell essen und dann den Rest der Mittagspause seinen Rücken entspannen will. Nach der Mittagspause ging es meistens auf ein anderes Feld bis 18 oder 19 Uhr. Und zu Feierabend kam dann die wohlverdiente Traktor-Fahrt, der absolut schönste Moment des Tages! Danach hat man etwa zwei bis drei Stunden zum Duschen, Essen und gemeinschaftlichen Biertrinken. Dann ging es auch wieder ins Bett und man schläft sofort ein, um dann früh morgens aufzustehen und sofort wieder in den Tag zu starten. Später stand man dann auch mal eine Stunde später auf, da das Wetter schlechter wurde und sowohl die Motivation des Hopfens (er bricht sehr leicht bei Kälte) als auch von uns etwas sank.
Mit welchen Leuten hast du zusammengearbeitet und wie war die Stimmung unter den Erntehelfer*innen?
Die anderen Erntehelfer*innen bestanden zu großen Teilen aus unserer Bamberger Gang, aber auch aus Leuten aus der Region und ganz Deutschland, zum Beispiel aus dem Ruhrpott und Berlin. Abends war die Stimmung meist ausgelassen, auf dem Feld kam es ganz darauf an in welchem Team man arbeitete. Manche der Hopfenbauer*innen haben eine sehr eigene Art Kritik zu üben. Es war definitiv keine romantische Feldarbeit wie sich manche Leute (inklusive uns) das vorgestellt haben. Ja man ist den ganzen Tag im Freien, was bei gutem Wetter schön ist. Aber man ist eben auch den ganzen Tag am Ackern auf dem Acker! Der raue Ton der Arbeitgeber*innen und die körperliche Belastung ist einigen aufs Gemüt geschlagen.
Vom Schreibtisch aufs Feld – wie war es, auf einmal körperlich anstrengende Arbeit zu leisten?
Die ersten Tage waren noch ganz okay, ich habe jedoch relativ schnell Schulterschmerzen bekommen, an die ich mich erst kurz vor Schluss gewöhnt habe. Es ist wichtig immer mal die Position zu wechseln, in der man die Pflanzen bearbeitet – mal auf den Knien, mal im Sitzen, manchmal sogar im Stehen. Einige mussten auch vorher abbrechen, da sie enorme Knieschmerzen entwickelt haben. Ich glaube dabei ist es fast egal, wie sportlich man grundsätzlich ist. Die Wenigsten werden die Belastungen in Knien und Rücken wohl aus ihrem Alltag kennen. Man könnte vorher vielleicht seinen Rücken trainieren und ein paar Squats machen, aber ich denke Schmerzen bekommen alle. Man gewöhnt sich aber auch an die kleineren Übel!
Wie viel hast du bei deiner Arbeit verdient?
Ich bin mit circa 1000 Euro zurückgekommen.
Kannst du dir vorstellen nochmal als Helfer auf einem Feld zu arbeiten?
Ja, aber vermutlich nicht nochmal in der Region und nicht zum Hopfenanbinden. Ich hätte mir gewünscht, dass die Kommunikation mit den Hopfenbauer*innen wertschätzender gelaufen wäre und wir besser eingearbeitet worden wären. Wir wurden relativ planlos aufs Feld entlassen und danach angemotzt, dass unsere Arbeit nicht in Ordnung wäre. Da hätte eine gründlichere Einweisung zu Beginn viel gebracht. Am Anfang habe ich mich davon nicht demotivieren lassen. Schließlich haben die Bauer*innen ihr Leben lang mit ihren eigenen Methoden auf dem Feld gearbeitet und jetzt kommen ungeschulte neue Mitarbeiter*innen an, denen sie etwas beibringen müssen.
Am Ende hat mich aber gestört, dass man nicht soldarischer und professioneller miteinander umgegangen ist. Ich habe den Job mit der Vorstellung angenommen, dass sich Bauer*innen und Student*innen in der Krise gerade gegenseitig aushelfen können – schließlich brauchen sie Arbeitskräfte und wir Geld. Ich und alle anderen, die sich mit mir als Erntehelfer*innen gemeldet haben, wussten, dass es kein Zuckerschlecken wird und waren bereit hart zu arbeiten. Ich hatte aber leider trotzdem das Gefühl, dass man relativ schnell in die Schublade "fauler Student" gesteckt wurde. Dabei ist es doch klar, dass wir als Anfänger*innen nicht von heute auf morgen das gleiche Tempo haben können wie geübte Saisonarbeiter*innen.
Deshalb war es mir auch sehr wichtig das Ganze durchzuziehen und bis zum Schluss zu bleiben. Das ist aber sicher nicht überall so, auch bei meinem Betrieb gab es Teams, in denen die Arbeit Spaß gemacht hat. Ich bin auf jeden Fall froh mich darauf eingelassen und die Erfahrung gemacht zu haben! Auch um zu sehen, was Gastarbeiter*innen hier in Deutschland mit wesentlich schlechterer Bezahlung Jahr für Jahr leisten. Zudem war es schön, der Krise mal für eine Weile zu entfliehen und eine Gemeinschaft zu spüren.
Welche Tipps würdest du anderen geben, die auch Interesse haben als Erntehelfer*in auszuhelfen?
Feste Schuhe und gute Laune!
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