Warum nur an Weihnachten? Eine Liebeserklärung ans Raclette

© Wiebke Jann

Für mich gibt es ein paar unumstößliche Weisheiten im Leben. Softdrinks retten bei Kater. Alles wiederholt sich. Und: Alles schmeckt besser mit Käse überbacken. Dieser Logik folgend ist die Krone der Kulinarik für mich natürlich Raclette. Passenderweise eng verbunden mit Weihnachten, dem Fest des Überschwangs und des Genusses. Doch warum gibt es Raclette eigentlich nur da? Für mich noch nie verständlich. Einem Kindheitstraum(a) folgend habe ich mich dieses Jahr also aufgemacht, Raclette zu befreien. Zwischen Weihnachten und Silvester loszueisen, um es auch an egalen Wochenenden im September genießen zu können.

Los ging es vor einigen Wochen bei einem befreundeten Pärchen. Wir waren zum Essen eingeladen und statt der klassischen Vorschläge kam plötzlich Raclette auf den Plan. Ich war ganz aufgeregt: "Das geht? Können wir das machen?" Mein kindlicher Übereifer erntete relativ verständnislose Blicke, man habe sich schon vor Jahren ein Vierer-Raclette-Set gekauft, natürlich ginge das. Das hätte mal jemand meinen Eltern erklären müssen.

Plätzchenteig als Hauptspeise ging auch nicht

© Wiebke Jann

In meiner Jugend flehte ich meine Mutter an, sie mögen das Käsefest auch aufs neue Jahr ausweiten, aber nein. Ging einfach nicht, wie vieles einfach nicht ging, für mich damals alles sehr grundlos. Ich wollte auch immer einen Pott Reis mit Bratensoße, ging nicht. Plätzchenteig als Hauptspeise, ging nicht. Manchmal gab es beim Skiurlaub in der Schweiz ein Käsefondue, aber das ist nicht dasselbe. Und irgendwie geht Fondue wirklich nur zu ausgewählten Gelegenheiten, Raclette könnte ich dagegen jede Woche essen.

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

Geschmolzener Käse ist eben nicht gleich geschmolzener Käse. Das Besondere an Raclette ist doch die Vielfalt der Zutaten (und ihr Überfluss). Oder sollte ich sagen das Besondere an unserem Raclette? Als ich das erste Mal außerhalb meiner Familie zum Racletteessen eingeladen wurde, war ich schockiert. Diese Wilden legten ihr Fleisch ja auf die Platte oben drauf. Fairerweise ergibt das sogar ein bisschen Sinn, besieht man sich die Riffeln näher. Aber wir sind ja hier nicht beim Grillen, sondern beim Büfett mit geschmolzenem Käse. Bei uns hat jede*r sein eigenes Schüsselchen mit Leckereien, Pfännchen-bereit serviert.

In meinen Schüsseln sind dann zum Beispiel Hühnchenstreifen, Pilze und Garnelen. Bei meiner Freundin eher Kartoffeln. Ziemlich nah an der klassischen Vorlage aus der Schweiz. Ein Feuer, ein Käseblock, ein Schaber (französisch "racler" = schaben) und viele Kartoffeln. Das klingt nach romantischer Bergidylle, irgendwo tollt bestimmt auch ein Berner Sennenhund rum, aber trotzdem ist mir unsere domestizierte Variante schon lieber. Manchmal mag ich nämlich lieber mehr Gemüse oder Nuggets oder sonstigen Nonsens. Richtig gesellig wird es doch erst, wenn alle was einbringen und durcheinandergabeln.

Raclette als perfektes Resteessen?

Und wenn wir schon bei der Geselligkeit sind: Bei welchem anderen Gericht verbringt man so wenig Zeit in der Küche für so viel Zeit am Tisch? Ein ordentliches Raclette zieht sich (hoho) schon mal zwei, drei Stunden. Perfekt für gemütliche Abendessen in größeren Runden, mit Familie und Freund*innen. Ohne, dass jemand vorher ewig in der Küche schuften muss.

Wichtig ist eigentlich nur, dass es nicht zu wenig Käse und Zutaten gibt. Und damit meine ich natürlich genau genug – so wie bei unseren Freund*innen letztens. Da war die letzte Käsescheibe unter wachsamen Augen geschmolzen, die Schüsselchen leer – und ich zufrieden. Komischer Zustand. Nach einem Raclette rechne ich eigentlich Magenprobleme mit ein. Ich wäre immerhin auch verstimmt, würde man mich auf einen Schlag mit 500 Gramm Käse auskleiden. Wobei?

Vielleicht holen wir uns auch einfach einen kleinen Racletteofen, dann muss ich nicht einmal im Jahr zu Prinz Maßlos werden, vor lauter Angst, dass es diese käsige Glückseligkeit jetzt wieder 364 Tage nicht gibt. Vielleicht könnte man Raclette dann als perfektes Resteessen etablieren, um mal wieder den Kühlschrank zu räumen. Und vielleicht, ja nur ganz vielleicht, könnte ich mir dann gleich noch einen anderen Kindheitswunsch erfüllen. Zwei Pfännchen statt einem – für nie endenden Käsegenuss.

Noch mehr Comfort Food

11 Läden für fantastische Trüffelpasta
Wer einmal richtig gute Trüffelpasta probiert hat, kann nie wieder zurück. Kein Problem, hier schmeckt sie besonders gut.
Weiterlesen
11 Läden für tolles English Breakfast
Ihr habt richtig Lust auf ein Full English Breakfast mit allem, was dazu gehört? Hier bekommt ihr Eier, Bohnen, Würstchen und Co.
Weiterlesen
Zurück zur Startseite