Warum sind eigentlich Fahrradfahrer immer die Sündenböcke des Straßenverkehrs?

© Marit Blossey

Ich war letztens kurz fassungslos. Das passiert öfter, vor allem, wenn ich mit dem Fahrrad durch Berlin fahre. Aber in diesem Fall saß ich nicht auf dem Fahrrad, sondern vor meinem Computer und las mir die Kommentare zu unserem Meme über die Situation für Fahrradfahrer im Berliner Straßenverkehr durch.

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Wann wird Berlin endlich sicherer für Fahrradfahrer?

Posted by Mit Vergnügen Berlin on Saturday, June 16, 2018

Screenshot der Facebook-Kommentare unter unserem Meme

Berlin hat eine katastrophale Fahrradinfrastruktur. Das ist nichts Neues, wir haben darüber auch bei Mit Vergnügen schon oft geschrieben. Fahrradwege sind blockiert, zu schmal, nicht vorhanden oder enden plötzl.. so als würde das Nichts aus der Unendlichen Geschichte sie verschlungen haben. Man muss sich mit Autos, LKWs, Bussen und Trams die Straße teilen. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern vor allem ziemlich gefährlich. Allein der Juni 2018 zeigt eine katastrophale Bilanz: Am 07.06. ist eine Radfahrerin bei einer Vefolgungsjagd in Charlottenburg gestorben. Am 14.06. folgte ihr ein Achtjähriger, weil ein Lastwagenfahrer ihn beim Rechtsabbiegen übersah. Am 15.06. wurde in Moabit eine weitere Fahrradfahrerin übersehen. Und am 18.06. hat ein weiterer LKW-Fahrer zwei Radfahrer fast, man muss es wohl so sagen, zerquetscht, weil die Autospur für den breiten LKW zu eng war und die Fahrradspur zu nah an einer Baustelle.

Wenn ich jeden Morgen von Moabit nach Prenzlauer Berg auf die Arbeit fahre, bin ich froh, überlebt zu haben. Die komplette Invalidenstraße vom Nordbahnhof bis zum Weinbergsweg ist eine einzige infrastrukturelle Katastrophe. Ich frage mich täglich, warum sich Trams, Autos, LKWs und Fahrradfahrer zwei Spuren teilen müssen. Warum Autos auf diesem engen Raum parken dürfen. Was dieser kleine abgesteckte Fahrradweg an der Ampel bei der Rosenthaler Straße soll. Und warum eigentlich die Autofahrer nie nie nie beim Rechtsabbiegen auf die Fahrradfahrer achten. Diese Misere wiederholt sich so oft in Berlin, dass man es ja mittlerweile schon leid ist, sich darüber zu beschweren.

© Felix Kayser
Es verlangt doch auch niemand, dass sich Fußgänger die Fahrbahn mit Autos teilen müssen. Warum sollten es dann also Fahrradfahrer?

Ich finde es aber schlicht zynisch, was sich unter unserem Meme an Kommentaren findet. Da wird sich vor allem über Fahrradfahrer beschwert, die scheinbar die StVO-Regeln nicht kennen, die keine Radwege benutzen, die keinen Respekt vor anderen Verkehrsteilnehmern hätten, die Fußgänger über den Haufen fahren, die nachts kein Licht gebrauchen. Ja, sicher von dieser Art Fahrradfahrer gibt es viele. Ich habe sogar mal einen Artikel darüber geschrieben, dass Fahrradfahrer die schlimmsten Verkehrsteilnehmer sind. Aber darum geht es hier überhaupt nicht. Es verlangt doch auch niemand, dass sich Fußgänger die Fahrbahn mit Autos teilen müssen. Warum sollten es dann also Fahrradfahrer?

Fahrrad fahren in Berlin ist lebensgefährlich! Es hilft vielleicht ein bisschen, wenn alle mehr Rücksicht aufeinander nehmen, wie eine Leserin bei Facebook schreibt. Das ändert aber nichts daran, dass man selbst bei vorhandenem Fahrradweg ausweichen muss, wenn genau jener zugeparkt ist. Es ändert auch nichts daran, dass man als Fahrradfahrer tatsächliche Todesangst hat, wenn man auf der Leipziger oder der Brunnenstraße zwischen Autos (oder eben Fußgängern) fahren muss, weil es einfach keine Fahrradspur gibt. Von Fahrradfahrern zu verlangen, sich mal endlich zusammenzureißen und ihnen ja damit implizit die Schuld an ihrem eigenen Tod zu geben, ist einfach geschmacklos und wenig reflektiert. Wer in Städten wie Kopenhagen oder Amsterdam Fahrrad gefahren ist, weiß, wie ein Miteinander auf der Straße funktionieren kann – und das vor allem, weil für jeden Platz ist, nicht nur für den Stärksten im Verkehr. Und dass die Berliner SPD nun auch noch das Radgesetz verzögert, zeigt, dass sie lieber weiterhin Menschenleben opfert, als wirklich etwas an der Situation in Berlin zu ändern.

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