Ampeldrängler und Ego-Raser – Berliner Radfahrer sind schlimmer als Autofahrer
Wir müssen über Fahrradfahrer in Berlin reden. Regelmäßig wird über die Gefahren geschrieben, denen Radfahrer im Berliner Straßenverkehr ausgesetzt sind: versperrte Radwege, nicht vorhandene Radwege, unvorsichtige Auto- und LKW-Fahrer etc. 2016 wurden in Berlin über 7.495 Radfahrer im Straßenverkehr verletzt, 19 sind dabei gestorben. Zuletzt ein 55-jähriger Mann durch das unvorsichtige Öffnen der Fahrertür eines saudiarabischen Diplomaten, der noch dazu aufgrund seines Immunitätsschutzes nicht angeklagt werden kann, obwohl der Wagen im absoluten Halteverbot stand.
Ich fahre selbst jeden Tag Fahrrad und ich habe regelmäßig Angst. Allerdings nicht nur vor den Gefahren, die von größeren motorisierten Vehikeln ausgehen, sondern vor allem auch von anderen Radfahrern. Allein in der letzten Woche wäre ich dreimal fast vom Fahrrad gefallen und wurde mindestens einmal bepöbelt, weil ich es wagte, den ersten Platz an der Ampel zu besetzen und entspannt die Straßen lang zu fahren. Eine Fahrradfahrerin blieb mitten vor mir stehen, um mir zu beweisen, dass… ja, was eigentlich? Eine andere fuchtelte mir mit ihrer Hand im Gesicht rum. Und ein dritter schnitt mir dermaßen scharf den Weg ab, dass ich mich fühlte, wie bei einem Radrennen für Fahranfänger. Nur, dass Berliner Straßen nicht für Radrennen ausgelegt sind, es sei denn, die halbe Stadt ist für den Velothon gesperrt.
Ich habe regelmäßig Angst. Allerdings nicht nur vor den Gefahren, die von größeren motorisierten Vehikeln ausgehen, sondern vor allem auch von anderen Radfahrern.
Es stimmt ja, die Radwegsituation in Berlin ist verheerend und wir sind weit davon entfernt, eine fahrradfreundliche Stadt zu sein, in der es genügend Abstellmöglichkeiten gibt oder Radwege, die breiter sind als eineinhalb Meter und nicht plötzlich auf der einspurigen Hauptstraße enden. Und genau deshalb ist Berlin bis dahin keine Stadt, in der man tagtäglich Radrennen veranstalten kann. Vor allem frage ich mich, warum es die Menschen so eilig haben. Klar, Fahrradfahren ist morgens oder abends zur Rush-Hour keine entspannte Sache und erfordert wie das Autofahren Aufmerksamkeit und Kenntnis der Verkehrsregeln (die manche bitter nötig hätten). Aber das Stadtleben ist schon unentspannt genug, warum muss man sich das Leben und die Fahrt zur Arbeit mit einem Wettrennen kompliziert machen?
Das große Ego-Problem von vielen Radfahrern ist, dass sie permanent GLAUBEN, dass sie die schwächsten Verkehrsteilnehmer sind. (Im Gegensatz zur Fußgängern, die WISSEN, dass sie es sind.) Sie müssen sich ständig beweisen und die schnellsten sein. Sie müssen drängeln, kreuz und quer über die Straßen fahren und Verkehrszeichen missachten – alles in dem Glauben, dass es ihnen zusteht, sich so zu verhalten, weil ihnen ja sonst so viel Unrecht angetan wird. Und es stimmt ja, die Gefahr, die von motorisierten und unaufmerksamen Kamikazefahrern ausgeht, ist um ein vielfaches größer. Aber warum muss man sich als Radfahrer dann genauso verhalten? Man sollte sich doch in jeder Lebenslange so verhalten, wie man selbst behandelt werden will.
Das große Ego-Problem von vielen Radfahrern ist, dass sie permanent GLAUBEN, dass sie die schwächsten Verkehrsteilnehmer sind.
Ich will mich gar nicht ausnehmen von dem Fehlverhalten, für das ich hier andere anprangere. Je länger man mit dem Fahrrad unterwegs ist, desto unvorsichtiger ist man und desto mehr überschätzt man seine eigenen Fähigkeiten. Aber genau deswegen sollten wir alle mehr aufeinander achten – und das gilt nicht nur für Fahrradfahrer, sondern auch für Fußgänger (die auf dem Radweg laufen) genauso wie für Autofahrer (die nur mal kurz da halten müssen).