40 DAYS OF EATING #39 – FluxBau
Zum vorletzten Abend unseres Experiments geht es ans Wasser mit Blick auf Sonnenuntergang und Neon-Röhren. Berlin halt. Die Mädels halten sich wacker, spüren aber dennoch das Alter sanft an ihre zarten Köpfchen klopfen.
Maria, erzähl uns von deinem Tag.
Gestern ging es lang und heute Morgen geht es wieder früh raus, dementsprechend hänge ich im Job in den Seilen und schütte literweise Kaffee in mich rein. Ich werde mit neuen spannenden Aufgaben betraut und lege mich voll ins Zeug, weswegen ich 19 Uhr sowas von fertig für die Heia bin... Nix da! Ich ohrfeige mich selbst, überschminke Augenringe und knete fünf Minuten lang mit meiner geheimen Technik aka Fingerspitzenfaust meine Tränensäcke durch, auf dass sie sich verziehen mögen. Leider tun sie mir diesen Gefallen nicht, also nehme ich sie einfach mit in die heutige Location, die direkt am Wasser gelegen einen tollen Ausblick auf die Spree erlaubt. Beim Betreten des Restaurants brülle ich laut "KAFFEEE", der mir flink intravenös in die Adern geballert wird. Ich bin viel zu früh und möchte mich gerade einmuckeln, da geht dann aber ohne Vorwarnung das volle PR-Programm los. Ich höre brav zu und nippe an meinem Heißgetränk. Immerhin lerne ich, dass man in New York so Touren machen kann, bei denen man 5 oder 10 Tage am Stück essen geht. Pff... 10 Tage... Ich schaffe gerade noch ein müdes Lächeln.
Wo habt ihr heute gegessen?
Im FluxBau, dem Restaurant und der Eventlocation vom angrenzenden Radiosender FluxFM.
Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Nachdem ich eine intensive Einweisung in Fräulein Brösels Schnapssortiment bekommen habe - meine Tränensäcke verbieten mir jedoch, das Feuerwasser zu trinken - schlendert irgendwann Sophia mit Wautzi herein. Sie hat die grobe Restauranteinführung verpasst und darf sich demnach direkt aufs Essen freuen. Sascha, unser alter Freund aus Funk und Dinner, ist der heutige Haus- und Hoffotograf und wir studieren gemeinsam die Karte. Ich habe dank des Kaffees null Hunger. Das Menü präsentiert sich den Namensgebern entsprechend in alten Plattencovern und sieht dennoch vorzüglich aus. Wer braucht schon Hunger zum Essen? Eben. Es erinnert mich hier leicht an das La Raclette. Ich bestelle den hausgebeizten und -geräucherten Lachs mit einer Rote-Bete-Reduktion (Ich sag euch: Das ist der Trend!) und Friseesalat als Vorspeise. Der Fisch ist wirklich gut. Als Hauptgang gibt es eine ordentliche Portion Tafelspitz, Sophias Käsefondue und die Schokoravioli von Sascha. Der Zwei-Meter-Koch hat seine Skills im früheren Restaurant der Bar25 bereits unter Beweis gestellt und hier nun perfektioniert. Ich kann nicht klagen. Getränketechnisch halte ich mich heute an Wasser, bis kurz vor Schluss, da gibt es dann doch noch einen Haselnussschnaps, schön mit drei S.
Wie ist der Service dort?
Ich bin sowas von nicht in Smalltalklaune, eieieieiei, und das bekommt die Besitzerin des Restaurant leider auch zu spüren: Ich hänge wie ein gerupfter Fuchs äh Flux auf meinen Platz und antworte einsilbig. Der Service ist dennoch wirklich lieb. Wir erwischen Stephan und Janina, die uns charmant und geistreich den Abend versüßen. Nicht zu viel, nicht zu wenig Aufmerksamkeit. Irgendwann verziehe ich mich gedanklich in meine eigene Welt und streichele den Hund.
Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Ach, der Blick! Man sitzt hier in einer Art Pavillon leicht erhöht über der Spree. Rundumblick inklusive. An sich ein richtig romantischer Spot, würde nicht ab ca. 22 Uhr das Gewummer ein Stockwerk tiefer losgehen und der Clubbetrieb die Menschen aus dem Restaurant verscheuchen. Mit zunehmendem Lärm- und Rauchpegel wird es irgendwie ungemütlich. Tagsüber und am frühen Abend ist das hier jedoch DER Spot am Wasser. Vorzugsweise sollte man am frühen Abend kommen, um den Sonnenuntergang zu genießen, bevor die O2 Arena gegenüber ihre Werbe-Diskobeleuchtung anschmeißt und alles im sich herum in ein zartes Neon tüncht.
Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?
Neben uns gibt's eine lustige Gesellschaft. Der Zwei-Meter-Papa des Zwei-Meter-Kochs feiert Geburtstag und hebt die Stimmung enorm. Ich mag lustige Geburtstagsrunden.
Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?
Wir kennen das ja schon: Das Konzept Club-Restaurant erfreut sich in Berlin offensichtlicher Beliebtheit (weiteres Beispiel: katerholzig! Cookies Cream!) Hier sind Club- und Restaurantbereich nicht ganz so eindeutig voneinander getrennt wie in anderen Läden dieser Art, was natürlich Vor- aber auch Nachteile hat. Mit der angrenzenden Terrasse und dem wirklich vorzüglichem Essen würde ich dieses Restaurant zu meinem Lieblingsort für romantische Sonnenuntergänge im Sommer küren. Ich würde hingegen nicht mit meinen Großeltern kurz nach 22 Uhr hier hingehen.
Worüber habt ihr gesprochen?
Ich ja nicht so viel. Es wurde viel gesprochen und ich habe viel zugehört. Oder zumindest so getan.
Was hast du Neues über Sophia gelernt?
Nanananananana... Sophia kennt sich neuerdings voll aus, was jugendliche Jugenkultur angeht und verpasst mir den Ohrwurm meines jugendlichen Lebens. Irgendwas mit Brutalo Karl.
Das Beste an diesem Essen...
Sophias Rotkohlsuppe.
Möchtest du noch etwas sagen?
Ich bin sowas von urlaubsreif. Und wehmütig. Ist morgen tatsächlich schon unser letztes Dinner? Selbstverständlich bin ich nach 40 Tagen mit zwei Jobs ohne Wochenenden, freien Abenden oder sonstigen Erholungspausen so langsam aber sicher am Limit. Dennoch freue ich mich jeden Abend wahnsinnig, neue Menschen zu treffen und die Stories hinter den Restaurants zu hören. Ach 40 DAYS OF EATING, du fehlst mir jetzt schon. #melancholie.
Sophia, erzähl uns von deinem Tag.
OK, ich werde alt. Zumindest, wenn man von meinem Schlafverhalten ausgeht. Ich war zwar erst gegen 4 Uhr im Bett, bin aber bereits um 8 Uhr morgens putzmunter. Senile Bettflucht lässt grüßen. Da ich nicht weiß, was ich sonst mit diesem Tag anfangen soll, gehe ich erst mit dem Hund spazieren und setze mich dann an den Rechner. Am Nachmittag geht es dann noch einmal auf den Hundeplatz und der nasenlose Hund darf ein paar Welpen verkloppen. Als wir wieder zu Hause ankommen, überrascht mich die Müdigkeit eiskalt und ich verschlafe beinahe das heutige Dinner. Um wieder wach zu werden, beschließe ich, von Neukölln nach Kreuzberg zu laufen, ich Sporty Spice. Eigentlich ist das ja kein Ding, allerdings beginnt es nach der Hälfte der Strecke zu schütten. Der Hund bekommt sofort schlechte Laune und flüchtet sich von Hauseingang zu Hauseingang. Mach nicht so ein Drama, Baby!
Wo habt ihr heute gegessen?
Im FluxBau in Kreuzberg.
Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Auf der Karte, welche sich im Inneren eines Plattencovers verbirgt, wird uns das Drei-Gänge-Menü nahegelegt. Okay, das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Zur Vorspeise bekomme ich eine wirklich ausgezeichnete Rotkohlsuppe, die schön heiß ist und auf der NATÜRLICH ein Schäumchen tront. Hallo, mein kleiner Freund, dutzidutzidu. Da ich innen drin wirklich nicht so fit bin, wie ich außenrum aussehe, tue ich mich mit fester Nahrung schwer, versuche aber, das zu überspielen. Ich bestelle ganz Profi auf Anraten der superfreundlichen Servicekraft ein Käsefondue mit Brot und eigelegten Sachen (Pickles). Käse räumt den Magen auf! Was die Weinbegleitung gestern zerstört hat, peppelt ein Liter Matschefett wieder auf. Das Zwiebelbrot überzeugt und auch die eingelegten Zwiebeln sind gut, obwohl ich die eigentlich nicht mag. Der blubbernde Käse ist so, wie ich ihn in Begleitung eines Fondues erwarte: heiß, kräftig und sättigend. Ich möchte mich jetzt zufrieden in einer Ecke zusammenrollen, geht aber nicht, ich muss ja noch Nachtisch essen. Es gibt allerlei süßen Kram und auch unsere Freundin, die Tonkabohne, ist mit am Start. Ich verzichte normalerweise ja auf Nachtisch, bin im Zuge von 40 DAY OF EATING zur Dessertfreundin geworden. Oder mittlerweile einfach nur abhängig von Zucker. Kann man sehen, wie man will. Aber: Kein Drama, Baby!
Wie ist der Service dort?
Die Restaurantleitung war sehr, sagen wir, engagiert. Also sehr sehr. Beinahe drüber. Nachdem wir deutlich gemacht haben, dass wir hier wirklich nur essen wollen, wird die Betreuung unserer Runde an die netten Servicekräfte Stefan und Janina übergeben. Die beiden sind um einiges entspannter und beraten uns unaufdringlich, aber mit viel Witz und Charme. Janina möchte den nasenlosen Hund klauen. Die weiß halt noch nicht, wie viel der Köter pupst.
Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Das Konzept ist ähnlich wie im Cookies: Oben Restaurant, unten Konzertraum. Je später der Abend desto lauter die Musik. Da wir heute nicht so auf Party aus sind, verabschieden wir uns, als Gespräche nur noch durch Anbrüllen zu bewerkstelligen sind. Für einen Freitagabend mit ernsthafter Partyabsicht ist das hier aber genau der richtige Ort. Grundlage legen, Baby.
Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?
Der Paps vom Koch feiert Geburtstag, also sitzt die 50+ Geburtstagsgesellschaft an einer riesigen Tafel und freut sich. Wir merken uns: Hier kann man wirklich gut feiern! Das reißt den Altersdurchschnitt extrem nach oben, denn unten im Partyraum tummeln sich eher Leute im abitur- und studierfähigen Alter.
Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?
Ich würde diesen Ort meiden, wenn ich ernsthafte oder private Dinge mit jemandem besprechen muss. Hier ist es dafür ZU LAUT.
Worüber habt ihr gesprochen?
Darüber, dass Maria wirklich total fertig ist und nicht mehr kann. Und darüber, wie toll es sein wird, wenn wir wirklich irgendwann einfach nur noch essen gehen, ohne darüber schreiben zu müssen. Oder darüber, dass wir erstmal gar nicht mehr essen gehen werden. 40 DAYS OF LIEFERDIENSTE!
Was hast du Neues über Maria gelernt?
Maria bekommt es jetzt seit Tagen hin, sich immer mit dem Auto vom Restaurant abholen zu lassen. Wie macht die das?
Das Beste an diesem Essen...
Wer hätte das gedacht (und das sage ich jetzt aus voller Überzeugung und ohne Ironie): Die Rotkohlsuppe.
Möchtest du noch etwas sagen?
So sehr Marias desolater Zustand und mein Katerchen an meinen Nerven reißen, so schön ist doch die Überraschung, als sich spontan das Männchen und ein Freund zu uns gesellen. An einem anderen Abend hätten wir jetzt sicher bis spät in die Nacht hier gegessen, getrunken und gefeiert. Aber habt Erbarmen mit uns. Wir sind seit knapp 40 Tagen jeden Abend unterwegs, wir sind voll (und) müde. Also fahren wir alle nach Hause und gehen ganz unglamourös schlafen. Denn morgen müssen wir wieder lange wach bleiben und essen gehen. Zum letzten Mal.
Gestern waren Maria und Sophia in der Cordobar. Alle Folgen 40 DAYS OF EATING gibt es hier.
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Location: FluxBau, Pfuelstr. 5, zweiter Hofeingang, 10997 Berlin
Fotos: Sascha Schlegel
Text: Maria und Sophia Giesecke
Titelfoto: Franziska Taffelt
Artwork: Frau Grau
Produktion: Mit Vergnügen
(Ja, "40 Days of Eating" ist eine Adaption von "40 Days of Dating".)