Good old Germany: Wer die Zukunft gestalten will, muss mit den Jungen sprechen

© John Moeses Buan | Unsplash

Mein Opa ist 84 Jahre alt und damit genau 60 Jahre älter als ich. In meinem Alter lebte er ein völlig anderes Leben, hatte nicht die selben Perspektiven und ist in einer anderen Zeit aufgewachsen. Deswegen treffen mein Opa und ich unterschiedliche politische Entscheidungen. Seine Lebensrealität ist eben anders als meine. Trotzdem entscheidet er in Wahlen über meine Zukunft. Und so es schwer es mir fällt, das zu sagen, aber mein Opa ist nicht die Zukunft. Sondern das sind die jüngeren Generationen, meine Generation und die Generationen nach mir. Ich glaube, Deutschland ist ein Land von alten Menschen für alte Menschen.

Wir sind alt

Der demographische Wandel ist schon lange kein Geheimnis mehr. Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter. Mittlerweile sind über 18,4 Millionen Menschen über 65 Jahre alt. Diese Altersgruppe macht somit 22 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Das bringt nicht nur neue Herausforderungen für die Gesellschaft mit sich, – Stichwort Pflege und Gesundheitssystem –, sondern auch in Wahlen zeigt sich immer wieder, wie stark diese Gruppe ist. Das große Problem: Sie wählt anders als jüngere Generationen.

Bei den Wiederholungswahlen in Berlin zum Abgeordnetenhaus wählten die unter 24-Jährigen die Grünen mit 22 Prozent zur stärksten Kraft, während die CDU nur auf Platz drei mit 12 Prozent lag. Bei den über 70-Jährigen gewann die christliche Partei allerdings 40 Prozent der Stimmen und die Grünen landeten nur auf Platz vier mit gerade einmal sechs Prozent. Alle genauen Wahlergebnisse und die Stimmverteilungen nach dem Alter der Wahlberechtigten findet ihr noch mal hier. 

Alles wie immer: ein Generationenkonflikt

Man kann nicht leugnen, dass die Interessen der jüngeren und älteren Generationen auseinanderdriften. Aber wir sollten das Kind auch mal beim Namen nennen: Es gibt einen Generationenkonflikt. Blöd ist nur, dass dieser die Zukunft von jüngeren Menschen bestimmt, die in Wahlen momentan noch von den Älteren überstimmt werden. Richtig problematisch wird es, wenn es ums Lieblingsthema Klima geht, das – wie wir wissen – ziemlich auf der Kippe steht.

Zum Beispiel scheiterte der kürzlich durchgeführte Volksentscheid in Berlin von "Klimaneustart Berlin", deren Ziel es war, dass Berlin bis 2030 klimaneutral wird – oder dies zumindest per Gesetz festzulegen. Das Scheitern lässt sich nicht auf einen Grund reduzieren, es zeigte sich aber: Auch in diesem Fall entschieden sich ältere Menschen anders als die jüngeren Generationen. Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf stimmten beispielsweise über 20 Prozent für "Nein." Interessanterweise wohnen genau hier auch die ältesten Menschen Berlins, im Schnitt sind sie 43,5 Jahre alt. Im deutlich jüngeren Berlin-Mitte stimmten dagegen rund 23 Prozent für den Volksentscheid.

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© Matze Hielscher

Wer macht unsere Politik?

Vermutlich werde ich mich schon in 40 Jahren mit den Folgen der Entscheidungen, die heute getroffen werden, beschäftigen müssen. Übrigens werde ich da immer noch 20 Jahre jünger sein, als mein Opa es jetzt ist. Vielleicht wäre dann der richtige Zeitpunkt, um in die Politik zu gehen, denn dort liegt der Altersdurchschnitt derzeit bei 47,3 Jahren. Ältere Menschen machen also Politik für älteren Menschen – verständlicherweise. Doch wer macht Politik für die Jungen? Menschen aus den Generationen X, Y, und Z?

Während über die Versorgung von Senior*innen und Rentensysteme gesprochen wird, werden Ausbildungsgehälter, Therapieplätze und bezahlbarer Wohnraum für Studierende irgendwie vergessen.

Probleme, Sorgen und Ängste dieser Altersgruppe verschwinden an den Oberflächen der Diskussion. Die Spitze des Eisberges kam in der Corona-Krise zum Vorschein, in der viele Studierende völlig vergessen wurden – und auch in Post-Pandemiezeiten finden ihre Themen kaum Platz in der Öffentlichkeit.

Von jungen Menschen für junge Menschen

Ich erinnere da nur einmal an die 200-Euro-Einmalzahlung der Bundesregierung für Studierende, die erst nach mehreren Monaten des Wartens beantragt werden konnte. Während über die Versorgung von Senior*innen und Rentensysteme gesprochen wird, werden Ausbildungsgehälter, Therapieplätze und bezahlbarer Wohnraum für Studierende irgendwie komplett vergessen. Tja, ein 67-jähriger Friedrich oder eine 54-jährige Bettina wissen eben nicht, was gerade im Leben dieser Generationen passiert.

Auch mein Opa erlebt nicht, welche Sorgen und Probleme mich und Menschen in meinem Alter beschäftigen. Aber ich erzähle es ihm und er hört (meistens) zu. Das sollte aber nicht nur mein Opa tun, sondern vor allem die politisch Verantwortlichen, die mehr entscheiden als er. Es sind doch gerade die jungen Menschen, die in Zukunft die stetig wachsende Gruppe der Älteren absichern und für ihre Rente sorgen müssen. In Anbetracht dessen wäre es doch nur fair, wenn man die Jungen zumindest beachtet und sie hoffentlich auch mehr Raum in der Politik finden. Vielleicht wird Deutschland dann ein Land von vielen Menschen für jeden Menschen.

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