Kein Neun-Euro-Ticket, dafür steigende Gas- und Stromkosten – Wovon soll ich leben?

© Felix Kayser

Das Piepsen der Supermarktkasse klingelt in meinen Ohren, während der Kassierer meine Waren über das Band zieht. 26,70 Euro. Mit müden Augen starre ich die Anzeige an und krame meine Karte aus dem Portemonnaie. Mist, schon wieder über mein angedachtes Budget. Vor ein paar Wochen habe ich schweren Herzens sogar die Supermarktkette meines Vertrauens gewechselt, in der Hoffnung günstiger davonzukommen.

Zu Hause erwartet mich direkt die nächste Freude des Alltags: Eine Erhöhung der Nebenkosten. Gut, das ist wirklich keine Überraschung, die Frage war auch nicht, wann sie eintrudelt, sondern nur, wie teuer es wird. Der Brief wird erst mal zur Seite gelegt, denn bei einem Blick in den Kalender wird mir erschreckend klar: Es ist September! Das bedeutet nicht nur, dass der Sommer bald vorbei ist und entsprechend die Tage kürzer und die Temperaturen kälter werden. Es bedeutet auch das Ende des Neun-Euro-Tickets. 

Die beste Entscheidung: Wieso ist jetzt Schluss damit?

Drei Monate lang hat mich das Ticket für neun Euro durch ganz Berlin kutschiert. Es hat mich an den Strand gefahren, zum Sightseeing in die nächste Stadt transportiert und mich kostengünstig in München bei meinem Freund mobil gemacht. Ehrlich gesagt, für mich war das Ticket das Beste, was in Deutschland seit Langem beschlossen wurde. Ein Schritt in Richtung Zukunft, ein Schritt in Richtung soziale Gerechtigkeit und ein Schritt in Richtung klimafreundliche Mobilität. Nicht nur ich habe so empfunden.

Insgesamt wurde das bundesweit geltende Ticket 52 Millionen Mal verkauft, so der Verband der Verkehrsunternehmen. Etwa zehn Prozent der Fahrten mit dem Neun-Euro-Ticket seien für eine Strecke genutzt worden, die sonst mit dem Auto gefahren worden wäre. Die Bilanz ist also positiv. So auch die Stimmen der Nutzer*innen. Denn das Ticket war für viele mehr als nur günstige Mobilität. Für Personen in den niedrigeren Einkommensklassen bedeutete das Ticket mehr Freiheit und eine große finanzielle Entlastung. Auch für mich, denn noch im Mai kostete ein Tagesticket in Berlin 8,80 Euro und eine Monatskarte ganze 86 Euro. Und die werde ich auf keinen Fall mehr für Mobilität ausgeben!

© Charlott Tornow

Natürlich hat das günstige Ticket nicht nur positive Entwicklungen mit sich gebracht. Völlig überlastete Züge, zu wenig Personal und viele Verspätungen waren die Folge der konsequenten Nutzung. Dafür wurden schätzungsweise aber immerhin 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Das Ticket wegen dieser Probleme abzuschaffen, ist meiner Meinung nach allerdings nicht sinnvoll. Wie weit nach hinten wollen wir die zukünftige Mobilität noch schieben? Der Klimawandel sitzt uns nämlich ziemlich im Nacken. Waldbrände, Überschwemmungen, steigende Meeresspiegel – das dürften die meisten mittlerweile verstanden haben. Die Deutsche Bahn braucht möglicherweise noch ein bisschen Nachhilfe, denn mit höheren Bahnpreisen als Flugkosten lockt man niemanden in den ICE. 

Ich habe keine Lust wieder zu meinen Eltern aufs Land zu ziehen, jeden Morgen kalt zu duschen oder mir eine Wärmflasche um den Bauch zu schnallen, um mir mein Leben finanzieren zu können.

Wer soll das bezahlen? Diese Frage lesen wir immer häufiger und das frage ich mich mittlerweile auch. Wie soll ich in den nächsten Monaten mein Leben bestreiten? Mit meinem eigentlich fairen Ausbildungsgehalt wird das ganz schön eng. Muss ich jetzt sagen, mein Geld reicht zum Leben und zum Bezahlen einer Wohnung, Freizeitbeschäftigungen wie Restaurantbesuche, Museumsgänge, Kinoabende oder Clubnächte gibt es aber nicht mehr?

Nachdem ich zwei Jahre lang in meinen Zwanzigern auf die schönsten Dinge im Leben verzichtet habe, weil eine Pandemie um die Ecke kam, sehe ich es nicht ein, meine Freizeit auf ein Minimum herunterzuschrauben. Und nein, ich habe auch keine Lust aus der (teuren) Großstadt wieder zu meinen Eltern aufs Land zu ziehen, jeden Morgen kalt zu duschen oder mir eine Wärmflasche um den Bauch zu schnallen, damit ich meine Wohnung nicht heizen muss. Ich habe vorher schon energiebewusst gelebt, doch reicht das jetzt nicht mehr? 

Wann bewegen wir uns endlich in Richtung Zukunft?

Mir geht es verhältnismäßig natürlich noch gut und ja, die gesamte Welt steckt gerade mehr als in einer Krise. Deswegen sollte man aber junge Leute und andere Bevölkerungsgruppen ohne große Lobby vergessen. Studierende, Auszubildende, (unbezahlte) Praktikant*innen, aber vor allem diejenigen, die nicht lohnsteuerpflichtig angestellt sind, werden die geplante Energiepauschale, und eventuell weitere Zahlungen, von 300 Euro nämlich nicht oder eben nur mit sehr viel bürokratischem Aufwand erhalten. Während die Sozialhilfen und das Arbeitslosengeld angepasst werden, bekommt der BAföG-Satz für 2022 nur eine Erhöhung um 8 Prozent. Das ist angesichts der hohen Mieten und steigender Kosten ein Witz. Viele in meinem Alter erhalten keine Sozialleistungen, können mit BAföG kaum ihre Miete zahlen, verdienen trotzdem nicht viel und brauchen mehr Unterstützung vom Staat, besonders hinsichtlich der Wohnsituation und Mobilität. Aber ob jetzt das 365-Euro-Ticket oder ein Monatsticket für 49 Euro kommt, steht leider noch in den Sternen.

Fest steht aber: Das Leben wird teurer und ich möchte nicht jedes Mal Angst haben, wenn ich in den Briefkasten schaue. Diese Petition kann vielleicht helfen, das Neun-Euro-Ticket zurückzuholen. Ansonsten wird es wohl Zeit, über mehr Sparmaßnahmen nachzudenken. Aber wer weiß, vielleicht spielt uns der Klimawandel ja einmal in die Karten und der Winter wird ähnlich heiß wie der Sommer – das würde uns zumindest die explodierenden Gaspreise vom Hals halten.

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