Krumbeere und Zuschini: Muss man sich für den Dialekt schämen?
"Kannst dou mir mal bitte die Zuschini reischen? Dann kann isch die schon mal schneiden, bevor es später rent." Als ich im September 2017 in Passau diesen Satz zu einer Kommilitonin sagte, schaute die mich verwundert, an: "Bitte, was? Wie sprichst du denn?" Ich hatte in Bayern mit vielem gerechnet, aber nicht, dass ich wegen meiner Sprache aufgezogen werden.
Natürlich hatte sie verstanden, was ich sagen wollte, merkte aber, dass das kein lupenreines Hochdeutsch ist. Zuordnen, woher dieser Dialekt stammt, konnte sie aber nicht. Man kann es ihr aber wirklich nicht vorwerfen. Während sie ihre niederbayrische Herkunft wirklich schwer verstecken kann und sogar ich das als Neu-Bayerin direkt entschlüssele, ist meine dialektale Färbung (habe ich im Linguistikkurs über Dialekte gelernt) schwer zu verorten. Zum einen liegt es daran, dass ich meist alles dafür gebe, den Dialekt nicht an die Öffentlichkeit zu tragen, zum anderen aber schlichtweg daran, dass Rheinland-Pfalz nicht auf dem Radar vieler Menschen ist.
Von kleinen und großen Sprachproblemen
Ja, dieses kleine, aber feine Bundesland im Westen Deutschlands gibt es auch noch. Damit wir alle auf dem gleichen Stand sind: Nein, es ist nicht wie das Saarland und die Landeshauptstadt ist Mainz. In diesem beschaulichen Land bin ich geboren und aufgewachsen, bis ich 18 war. Bevor es mich nach Berlin zog, lebte ich in Bayern und merkte schnell: Ich sollte Hochdeutsch sprechen. Nicht weil mich sonst niemand versteht, sondern weil es eine Angriffsfläche für Jokes auf meine Kosten ist.
Ich gebe gerne zu, dass wir vermutlich ein kleines "sch"–Problem (wie ich es nenne) haben und es bei uns keine Unterscheidung zum "ch" gibt und die ein oder anderen witzigen Begrifflichkeiten dabei sind. Trotzdem muss man sagen: Dass Leute, die Bairisch sprechen, mich mit meiner dialektalen Färbung aufziehen, ist irgendwie paradox. Das Beste aber ist, dass ich auch zu Hause für meinen Dialekt "ausgelacht" werde – der ist dort nämlich gar keiner.
Kein Dialekt, aber auch kein Hochdeutsch
Obwohl meine Eltern, als auch deren Eltern aus meiner Heimatregion kommen und im Dialekt sprechen können (und es meist auch tun), ist diese Fähigkeit an mir vorbeigezogen. Tatsächlich sieht der "Trend" in Deutschland aber anders aus. Ganze 63 Prozent der Deutschen geben an, einen Dialekt zu sprechen. Wichtig hierbei: Es sprechen können und es wirklich zu tun, ist ein großer Unterschied. Weswegen auch 40 Prozent aussagen, ausschließlich Hochdeutsch zu sprechen. Zu diesen zähle ich mich auch, irgendwie.
Irgendwie aber auch nicht, weil so richtig dialektfrei sprechen ist das tatsächlich nicht. Schule, Universität und Wechsel des Wohnortes haben es mir zwar austrainiert, ich habe mir trotzdem die feinen Kirschen herausgepickt und streue diese ab und an in mein sonst solides Hochdeutsch. Das dann manchmal, trotz jahrelanger Unterdrückung und Übung, nicht lupenrein ist.
Sobald statt dem "ch" ein "sch" verwendet wird, Kartoffeln wieder Krumbeere heißen und ich die "Kleen" meiner Eltern bin, weiß ich, das ist Zuhause.
Lupenrein hin oder her, mich macht es traurig, nicht so sprechen zu können wie die meisten aus meiner Region. Und damit bin ich nicht alleine. In der heutigen Zeit sprechen junge Menschen immer weniger Dialekt. In meinem Job ist das natürlich ein großer Vorteil, in der Verbundenheit zu meiner Region und Herkunft leider nicht. Auch wenn Dialekte, es gibt übrigens um die 20 in Deutschland, immer noch ein schlechtes Image haben und im öffentlichen Sprachgebrauch vermieden werden, ist es für mich ein Heimatgefühl. Sobald statt dem "ch" ein "sch" verwendet wird, Kartoffeln wieder Krumbeere heißen und ich die "Kleen" meiner Eltern bin, weiß ich, das ist Zuhause.
Sprache macht uns alle individuell und wenn auch jede*r seine Vorlieben hat, was Dialekte angeht, ist es doch schön, dass wir unterschiedlich sprechen. Ich liebe die Verniedlichungen in Bayern und die coole Berliner Schnauze. Bei den Schwaben muss ich immer schmunzeln und das Sächsische fasziniert mich. Mein Vorschlag: Lasst uns die Dialekte zurückholen.