Feld- & Foodgeschichten: Vom Fermentationslabor auf den Teller
In unserer Kurzstrecke "Feld- & Foodgeschichten" besuchen wir Menschen, die in Brandenburg Verantwortung für das übernehmen, was am Ende auf unseren Tellern landet: unser Essen. Zusammen mit Die Gemeinschaft e.V., einem Netzwerk, das kulinarische Akteur*innen zusammenbringt, lernen wir diese bei der Veranstaltungsreihe Das Symposium auf ihren Höfen kennen. Vor allem geht es aber um die Menschen hinter der Landwirtschaft, ihre Lebensmittel und eine neue Esskultur.
Datschen, Wochenendgrundstücke und Schrebergärten sind gefragter denn je. Wenige werden darauf allerdings einen Bunker mit übergroßen Weckgläsern haben, in denen Kiefernzapfen, Zwetschgen und Gurken vor sich hin gären. Ganz wenige einen Fermentationscontainer, in dem Klimafühler für eine exakte Reifetemperatur sorgen.
Vadim hat all das. Vor vier Jahren hat der Koch des Otto auf dem Grundstück seiner Eltern in der Schorfheide, nahe dem Dorf Chorin, einen alten DDR-Bungalow, bekannt als B34, zu einer offenen Küche umgebaut und drumherum Gemüse angepflanzt. Mittlerweile ist daraus ein Fermentationslabor entstanden.
"Vieles läuft hier nach dem Prinzip Trial and Error"
Nach seiner Ausbildung in Berlin lernte Vadim Ursus Otto, wie er mit vollem Namen heißt, im Noma in Kopenhagen, das gerade erneut zum besten Restaurant der Welt gekürt wurde, Reife- und Fermentationstechniken kennen, die er jetzt auf heimische Produkte anwendet. Der Fokus liegt auf dem, was die Natur hier zu bieten hat – abhängig von der Saison. Sein Team und er ziehen in der Schorfheide los, sammeln und pflücken – anschließend wird ausprobiert. Weil Vadim gerne Kapern isst, versucht er den Geschmack mit unreifen, fermentierten Stachelbeeren nachzuahmen. Geht nicht, gibt es hier nicht. "Vieles läuft nach dem Prinzip Trial and Error. Manches würden wir so nicht noch einmal machen. Anderes hat schon einen festen Platz auf unserer Speisekarte."
Die Verfahren sind nicht neu. Fermentation beschreibt den Prozess der Umwandlung von Stoffen durch Bakterien, Pilze oder Enzyme und ist die älteste Konservierungstechnik. So wurde schon Essen in der Antike haltbar gemacht. In Form von Sauerteigbrot, Kimchi und Pickles ist diese Methode heute angesagter denn je. In der Schorfheide wird noch eine Schippe draufgelegt und auch anderen Lebensmitteln sogenannte Starterkulturen zugefügt, um sie in Geschmack und Textur zu verändern.
Die Koji-Alchemie
Das Einzige, was hier nicht aus der Gegend stammt, sind die Koji-Kulturen. Koji ist ein Schimmelpilz, der in der gehobenen Küche nicht mehr wegzudenken ist. Der japanische Reisschädling wird benutzt, um Miso, Sake und Sojasauce herzustellen. Als Basis werden dabei oft Sojabohnen verwendet. Für das Otto werden die Koji-Kulturen auf Brotresten und auf Buchweizen angesetzt.
Koji produziert Enzyme, die Proteine und Kohlenhydrate aufspalten können. Dabei entsteht der tiefe Umami-Geschmack. Aus Proteinen, die im Restaurant als Abfall anfallen, kann somit ein würziges Garum hergestellt werden. Die Mischung aus Saiblingresten, Wasser, Salz und Koji wird dann bei konstanten 40 Grad etwa zwei Monate gelagert. Heraus kommt eine deutsche Fischsauce, die im Restaurant zum Kochen verwendet wird – ein in sich geschlossener Kreislauf also.
Probieren geht über Fermentieren
Wie alle fermentierten Produkte hat auch das Garum probiotische Eigenschaften und ist deshalb gut für die Darmflora. Das Argument nutzen wir, um eine extra dicke Schicht der Koji-Butter, ein Signature Dish im Otto, als Kostprobe auf unser Brot zu schmieren.
Wer die Otto-Fermente auch mal probieren möchte, kann die Produkte aus dem Pantry-Shop probieren. Die findet ihr in den Kühlschränken der Sofi Bäckerei in den Gipshöfen und Von Beet und Baum in der Markthalle Neun. Empfehlenswert ist in jedem Fall auch ein Besuch im Otto in der Oderberger Straße, wo ihr Vadim in seinem Element erleben könnt.