Lesevergnügen #8: 11 gute Bücher zum Thema Depression

© Marit Blossey

Wer ein gebrochenes Bein hat, bekommt einen Gips. Schon klar, dass man dann erstmal eine Weile nicht laufen kann, das Bein tut ja weh und muss geschont werden, und wenn man mal eine Treppe hoch humpeln muss oder ähnliches, dann kommt einem sicherlich jemand zur Hilfe. Easy, jede*r versteht das. Depressionen sind da komplizierter: Sie erstmal zu erkennen, kann schwierig sein, mit ihnen zu leben umso mehr, und über sie zu sprechen, das ist manchmal wirklich eine harte Nummer. Wie erklärt man jemandem, der sich selbst noch nie so gefühlt hat, wie das ist, wenn sich die Depression wie ein Filter über alles legt und die Sättigung rauszieht? Viele Menschen trauen sich nicht offen über ihre psychische Erkrankung zu sprechen – und manchmal wissen sie auch einfach nicht, wie.

Dabei ist es durchaus möglich, zumindest ein bisschen besser zu verstehen, wie sich Menschen mit Depressionen fühlen. Zum Beispiel dank der vielen Autor*innen, die es geschafft haben, die Krankheit so gut in Worte zu fassen, dass man als depressive Person am liebsten jeden einzelnen ihrer Sätze unterstreichen und "Same! I feel you!!!" rufen würde. Wir haben deshalb 11 Bücher gesammelt, die das Thema Depression behandeln – mal informativ, mal tragisch, oft auch mit Humor.

Ein kleiner Disclaimer an dieser Stelle: Bücher können helfen, aber keine Therapie ersetzen. Depressionen sind so individuell wie die Menschen, die mit ihnen leben. Weil jede Depression sich anders äußert und sich eben auch anders anfühlt, können Beschreibungen der Krankheit natürlich nie für alle Betroffenen gelten. Die Bücher in dieser Liste haben mir und vielen anderen geholfen, eine Sprache für die eigenen Gefühle zu entwickeln und sich verstanden zu wissen. Wenn ihr Menschen mit Depressionen in eurem Umfeld kennt und besser verstehen wollt, was in ihnen vorgeht, können diese Bücher eine gute Hilfestellung sein – dennoch solltet ihr auch unbedingt mit ihnen selbst darüber sprechen, wie sich die Depression für sie persönlich anfühlt, wie sie sich bemerkbar macht und was ihnen dabei hilft, mit ihr umzugehen.

1. Till Raether: "Bin ich schon depressiv, oder ist das noch das Leben?"

Eine Depression ist ein Event, nur eben ein doofes, hat Sarah Kuttner einmal gesagt. Dass eine Depression aber gar nicht immer als Event daherkommt, sondern sich häufig in immer wiederkehrenden Gefühlen, Denkmustern und sonstigen Symptomen äußert, die mal mehr, mal weniger präsent sind und vielleicht irgendwie sogar schon immer da waren, das beschreibt Till Raether so persönlich wie aufschlussreich auf knapp 130 Seiten. In seiner Geschichte mit der Erkrankung wird deutlich, dass man eine Depression eben auch dann ernst nehmen muss, wenn sie nicht mit dem "ganz großen Knall" in unser Leben kracht. Menschen, die sich schon öfter gefragt haben, ob das, was sie fühlen, eigentlich schon einer Depression gleichkommt, und sich dann meistens denken, dass es anderen ja sicherlich viel schlechter geht als ihnen selbst, sollten dieses Buch lesen.

Erschienen im Rowohlt Verlag | 128 Seiten | 14 Euro | Mehr Info

© Rowohlt | Suhrkamp

2. Sylvia Plath: "Die Glasglocke"

Der einzige Roman, den die amerikanische Schriftstellerin und Lyrikerin Sylvia Plath je geschrieben hat, erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die ihren Platz im Leben sucht, an ihren eigenen Erwartungen scheitert und langsam in eine tiefe Depression fällt. "Die Glasglocke" gilt als teilweise autobiografisch; Sylvia Plath litt selbst unter Depressionen. 1963 erschien der Roman zunächst unter einem Pseudonym; nur wenige Wochen später nahm sich Plath das Leben. Keine leichte Lektüre und definitiv nicht das Buch, das ihr lesen solltet, wenn es euch selbst gerade schlecht geht – doch es ist faszinierend, mit welcher Schonungslosigkeit, Präzision und Aktualität Sylvia Plath die Verlorenheit ihrer Protagonistin beschreibt.

Erschienen im Suhrkamp Verlag | 262 Seiten | 22,95 Euro | Mehr Info

3. Zoë Beck: "Depression. 100 Seiten"

Auf exakt 100 Seiten fasst die Autorin und Übersetzerin Zoë Beck zusammen, was Depressionen ausmacht: die häufigsten und auch die weniger bekannten Symptome, verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die Geschichte der Krankheit, Zusammenhänge zwischen Depressionen, Angststörungen und Drogenkonsum, das Thema Suizidalität und die Frage, wie man als Bezugsperson helfen kann. Das Buch enthält nicht nur viele wissenswerte Informationen, die teilweise mit hübschen Grafiken veranschaulicht werden, sondern zeichnet auch ein sehr genaues Bild davon, wie es ist, mit der Erkrankung dauerhaft zu leben, ohne dabei je pathetisch oder abgedroschen zu klingen. Zoë Becks Buch sollte jede Person lesen, die sich schon mal gefragt hat, wie sich Depressionen eigentlich anfühlen.

Erschienen im Reclam Verlag | 100 Seiten | 10 Euro | Mehr Info

© Reclam | Suhrkamp

4. Benjamin Maack: "Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein"

Irgendwann geht es eben nicht mehr: Das muss Benjamin Maack einsehen, als er sich zum zweiten Mal in seinem Leben in einer Klinik wiederfindet. Diagnose: Depression. Tagsüber puzzelt er mit seinen Mitpatient*innen oder schaut im Fernsehen "Alarm für Cobra 11", nachts liegt er wach und grübelt. "Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein" ist kein Ratgeber, weder für Betroffene noch für Angehörige: "Wenn Sie Tipps und Tricks für den Umgang mit Depressionen suchen, legen Sie dieses Buch weg. Und melden Sie sich, wenn Sie etwas gefunden haben, das wirkt", schreibt Maack. Stattdessen fühlt es sich beim Lesen so an, als würde man einem Menschen mit Depressionen tatsächlich ein wenig in den Kopf schauen können.

Erschienen im Suhrkamp Verlag | 333 Seiten | 18 Euro | Mehr Info

5. Helene Bockhorst: "Die beste Depression der Welt"

Vera hat es geschafft: Sie hat einen Buchvertrag bekommen. Ein Buch über Depressionen soll sie schreiben. Na, nichts leichter als das, wenn die Depression ja ohnehin schon bei einem eingezogen ist und nicht wieder gehen möchte. Oder etwa nicht? Die Depression, oh Wunder, macht es für Vera unmöglich, auch nur einen einzigen Satz zu Papier zu bringen. Oder die Wohnung aufzuräumen. Oder überhaupt morgens aufzustehen. Und dann sind da auch noch diese permanenten Zweifel: Ist die eigene Depression überhaupt gut genug, um ein Buch über sie zu schreiben? Helene Bockhorst formuliert die täglichen Gedankenspiralen ihrer Protagonistin mit einem Humor, der zeigt, wie absurd – und dabei verdammt real – diese Krankheit ist.

Erschienen im Ullstein Verlag | 320 Seiten | 20 Euro | Mehr Info

© Ullstein | Kiepenheuer & Witsch

6. Sophie Passmann: "Frank Ocean"

In diesem hübschen kleinen Büchlein, das Teil der KiWi-Musikbibliothek ist, erzählt Sophie Passmann von einem Jahr ihres Lebens, in dem sich depressive Episoden mit intensiven manischen Phasen abwechselten, bis sie lernte, mithilfe von Therapie und Medikamenten mit ihnen umzugehen. Warum das Buch nach dem amerikanischen Rapper Frank Ocean benannt ist? Weil dessen großartiges Album Blonde im Sommer ebendiesen Jahres erschien und Sophie Passmann durch diese Zeit, in der die bipolare Störung ihr Leben bestimmte, begleitete. Entlang der Tracklist von Blonde erzählt Passmann von diesem Jahr und macht dabei greifbar, was sich – neben den Lyrics von Blonde – in ihrem Kopf abspielte.

Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch | 96 Seiten | 10 Euro | Mehr Info

7. Tobi Katze: "Morgen ist leider auch noch ein Tag"

Tobi Katze berichtet sehr ehrlich davon, wie seine Depression begann, ihn einzunehmen und gibt dem Ganzen dabei so viel Selbstironie und Humor, dass man beim Lesen immer wieder grinsen muss. In "Morgen ist leider auch noch ein Tag" schafft er es, das Thema Depression amüsant zu verpacken, ohne dabei je in Zynismus zu kippen. Sein Buch transportiert die Leichtigkeit, die es wohl manchmal braucht, um über etwas zu reden, das sich so schwer anfühlt – dadurch ist es sehr leicht zu lesen und auch für jüngere Menschen zu empfehlen, die mit Depressionen in Kontakt kommen.

Erschienen im Rowohlt Verlag | 256 Seiten | 10 Euro | Mehr Info

© Rowohlt | Kunstmann

8. Matthew Johnstone: "Mein Schwarzer Hund"

Der schwarze Hund, das ist die Depression, die Matthew Johnstone seit Jahren begleitet. In diesem berührenden kleinen Büchlein visualisiert der australische Autor und Illustrator das Leben mit Depressionen und zeigt, was er daraus gelernt hat. Wer verstehen möchte, wie es ist, täglich mit düsteren Gedanken spazieren zu gehen, dem sei dieses Buch empfohlen. Das niedlich illustrierte Buch eignet sich für jüngere Menschen – aber definitiv nicht nur.

Erschienen im Kunstmann Verlag | 48 Seiten | 14,90 Euro | Mehr Info

9. Melissa Broder: "So Sad Today. Personal Essays"

Die Lyrikerin und Autorin Melissa Broder ist auf Twitter als So Sad Today für ihre melancholischen, provokanten und zynischen Tweets bekannt. Ihr gleichnamiges Buch erschien 2018 und enthält eine Sammlung von Essays, in denen Broder von ihrem Leben mit Depressionen und einer Angststörung, unglücklichen Beziehungen, ihrer Essstörung und Drogenabhängigkeit erzählt. Kein leichter Lesestoff, aber wahnsinnig lehrreich – vor allem, weil Broder so schonungslos ehrlich und bittersüß beschreibt, wie es sich anfühlt, an sich selbst und der Welt zu verzweifeln.

Erschienen im Scribe Verlag | 224 Seiten | 8,39 Euro | Mehr Info

© Scribe UK | Piper

10. Jana Selig: "Minusgefühle"

Unter dem Hashtag #NotJustSad twitterte Jana Selig vor ein paar Jahren über ihre Depression und bekam wahnsinnig viel positive Resonanz. In "Minusgefühle" berichtet sie im Detail von ihrer Krankheit – davon, wie sie versuchte, die innere Leere mit Alkohol, Sex und Drogen zu füllen und davon, wie sie scheiterte und weiter kämpfte. Ihr Ziel: Die Tabus zu brechen, die noch immer rund um das Thema Depressionen existieren.

Erschienen im Piper Verlag | 224 Seiten | 16 Euro | Mehr Info

11. Matt Haig: "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben"

Mit 24 Jahren litt Matt Haig unter schweren Depressionen und dachte an Suizid. Offensichtlich ist es dazu nicht gekommen, denn immerhin gibt es dann doch einige ziemlich gute Gründe, die dafür sprechen, weiterzuleben. In seinem Bestseller "Reasons To Stay Alive" versammelt er eine Mischung aus Erkenntnissen und Tipps und Tricks, die ihm helfen, seine Depression in Schach zu halten. So schafft er ein tieferes Verständnis für psychische Erkrankungen und hält dabei, was er verspricht: aufzuzeigen, warum es sich lohnt, am Leben zu bleiben.

Erschienen bei dtv | 304 Seiten | 19 Euro | Mehr Info

© dtv

MEHR LESEVERGNÜGEN

Lesevergnügen #21: 11 Neuerscheinungen für den Winter, die wirklich lesenswert sind
Wer im Sommer nicht nur der Sonne hinterhergerannt ist, sondern auch zum Lesen kam, der*die braucht vermutlich spätestens jetzt wieder ein bisschen Nachschub – und den liefern wir euch natürlich gern, denn der (non-)fiktionalen Erzählung sind auch in den vergangenen Monaten keine Grenzen gesetzt worden.
Weiterlesen
Lesevergnügen #18: 11 Bücher von queeren Autor*innen, die ihr kennen solltet
Bücher von weißen, cis-männlichen Autoren haben wir in der Schule alle zu Genüge gelesen. Diese 11 Bücher von queeren Autor*innen aus der Vergangenheit und Gegenwart möchten wir euch besonders empfehlen.
Weiterlesen
Zurück zur Startseite