Wann sind Influencer eigentlich zum Hassobjekt unserer Gesellschaft geworden?
Influencer = Influenza? Dieses Wortspiel hat wohl inzwischen jeder schon gehört, der in den letzten zwei Jahren kurz mal aus Versehen im Internet war. Kaum eine Gruppe wird derzeit trotz (oder gerade wegen) ihres Erfolgs so gerne gedisst wie die sogenannten "Beeinflusser" auf Sozialen Medien, vor allem Instagram. Influencer-Bashing scheint "mittlerweile ein völlig akzeptiertes Phänomen zu sein und fast schon eine Art Volkssport" – so formuliert es die Bloggerin Masha Sedgwick in einem Text auf ihrem Blog.
Ist Kritik am Influencer-Wahn berechtigt? Definitiv. Werbung nervt, Oberflächlichkeit nervt, zu viele Hashtags nerven erst recht. Dennoch bekommt man inzwischen das Gefühl, dass viele in Influencern eine Art Sündenbock gefunden haben und ihnen gern die Schuld für alles geben möchten, was in unserer Gesellschaft vielleicht nicht erst seit gestern falsch läuft.
Ja, es ist ätzend, wenn jedes zweite Foto im Instagram-Feed eine bezahlte Partnerschaft mit irgendeiner Uhren-, Sneaker- oder Duschgelmarke ist. Aber sind wir ehrlich: Solange sie gekennzeichnet ist, ist das wirklich so anders als "herkömmliche" Werbung? Und: Jeder entscheidet schließlich immer noch selbst darüber, welchen Accounts er folgt.
Ist die Kritik am Influencer-Wahn berechtigt? Definitiv. Werbung nervt, Oberflächlichkeit nervt, zu viele Hashtags nerven erst recht.
Die Geschichte mit den bezahlten Partnerschaften ist ohnehin ganz einfach: Einen Blog zu betreiben, YouTube-Videos zu drehen oder qualitativ hochwertige Instagram-Posts zu produzieren ist Arbeit. Auch wenn es Spaß macht, es steckt Aufwand und Zeit dahinter, ob man das Ergebnis nun gut findet oder nicht. Und wenn wir alle auf den Content, den wir online konsumieren, kostenlos zugreifen wollen, müssen die (mehr oder weniger kreativen) Köpfe, die dahinter stecken, eben auf anderem Wege ihren Lebensunterhalt verdienen.
Bei den astronomischen Summen, die einige Influencer auch nur mit einem einzigen Foto verdienen, erscheint es zugegebenermaßen ein wenig absurd, von "Lebensunterhalt" zu sprechen. Ist es "fair", wenn 17-Jährige mit ein paar lustigen, inhaltlich relativ belanglosen Posts und Videos Millionen verdienen? Vielleicht nicht. Aber würdest du behaupten, dass das Geld in unserer Gesellschaft generell fair verteilt wird? Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung besitzen die 45 reichsten Menschen in Deutschland so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung. Klingt auch nicht unbedingt fair. Das macht es nicht besser, man kann sich aber schon die Frage stellen, warum besonders auf Influencer jetzt mit dem moralisch überlegenen Finger gezeigt wird.
Auch wenn es Spaß macht, es steckt Aufwand und Zeit dahinter, ob man das Ergebnis nun gut findet oder nicht.
Neben dem Vorwurf, alle Influencer seien geldgeile Gören, die ihre Authentizität verkaufen, steht wohl am häufigsten die Oberflächlichkeit der sozialen Medien in der Kritik. Ja, auf Instagram werden unrealistische Schönheitsideale propagiert und die App kann unserem psychischen Wohlergehen nachweislich Schaden zufügen. Aber ist das nun wirklich die Ursache, oder letztendlich mehr ein Symptom der Probleme in unserer Gesellschaft? Extrem dünne Models auf den Laufstegen dieser Welt und Castingshows, die dieses Ideal befeuern, hat es schon lange vor Instagram und anderen sozialen Medien gegeben.
Warum also empfinden wir den Job eines Influencers als so viel verwerflicher? Irgendwie erscheint das kategorische Influencer-Bashing manchmal ein bisschen scheinheilig. Wenn sich jeder seinen Content selbst aussucht, steht es schließlich jedem frei, Blogs und Kanälen zu folgen, die ihn inhaltlich interessieren und bereichern. Keiner zwingt uns, Schminktutorials, dämliche Prank-Videos und bezahlte Duschgel-Werbung anzuschauen. Und offenbar gibt es ja genug Leute, die genau das konsumieren wollen – nur warum, das bleibt die Frage.