Lesevergnügen #4: 11 wirklich lesenswerte humorvolle Bücher

© Anni Spratt | Unsplash

Herbst, wo bist du? Berlin hat dieses Jahr leider scheinbar den Herbst geskippt und sich stattdessen dafür entschieden, die Temperaturen in den einstelligen Bereich sinken zu lassen. Und auch wenn wir natürlich den lauen Sommernächten hinterher trauern, müssen wir zugeben: Im Herbst eingekuschelt auf der Couch zu liegen und ein gutes Buch zu lesen, ist auch ziemlich nice. Natürlich könnte man auf der Couch auch eine Serie nach der anderen Bingewatchen, um sich zu amüsieren, aber wir können euch verraten: Es gibt nicht nur lustige Serien, sondern auch sehr lustige Bücher. Wir sagen nur Känguru-Chroniken. Aber neben Kling haben auch viele andere Autoren wirklich ein Händchen dafür, uns mit ihren Geschichten nicht nur ein Schmunzeln, sondern ein lautes Lachen abzugewinnen. Wer bei dem Wetter also mal wieder was zu Lachen haben möchte, sollte schleunigst eines dieser Bücher lesen. Oder gleich alle, der Winter in Berlin ist ja bekanntlich lang.

Weil wir euch dieses Mal unsere Empfehlungen aber nicht nur digital, sondern auch analog ans Herz legen wollen, haben uns die tollen Menschen vom Dussmann Kulturkaufhaus einen kleinen Tisch freigeräumt, auf dem ihre unsere Auswahl ab sofort durchstöbern könnt.

Marc-Uwe Kling "Qualityland"

Marc-Uwe Kling ist das vielleicht Lustigste, das die Berliner Leselandschaft gerade zu bieten hat. Nach seinem riesigen Erfolg mit der Känguru-Trilogie schenkt er uns jetzt einen herrlich dystopischen Roman. "Quality Land" ist eine Mischung aus der Netflix-Serie "Black Mirror", George Orwells "1984" und dem trockenen Klingschen Humor, in den wir uns schon beim Känguru verliebt haben. Wir begleiten den Protagonisten Peter Arbeitsloser auf seinem Kampf gegen ein System, in dem man per TouchKiss bezahlt, über eine App mit seinem Partner Schluss macht und das gerade kurz davor ist, einen Roboter zum Präsidenten zu wählen. Klingt verrückt, ist es auch und es macht wahnsinnig Spaß es zu lesen.

© Ullstein Verlag | KiWi Verlag

Joachim Lottmann "Endlich Kokain"

Wäre die Wiener Kunstszene eine Familienfeier, würde Protagonist Stephan Braum am Kindertisch sitzen. Der ehemalige Leiter des kleinen Fernsehspiels ist in seinen Fünfzigern angekommen, wiegt stabile 135 Kilo und hat mit seinen vielen Wehwehchen ein Dauerabo beim Arzt. Statt sich seiner Frühpensionierung hinzugeben, entdeckt Braum allerdings auf seine alten, spießigen Tage etwas ganz besonderes: Kokain, der perfekte Appetitzügler. Schließlich hatte schon Freud mit Kokain geforscht, wieso auch nicht Braum? Regelmäßig in kleinen Dosen ist für ihn die Devise, die Kilos purzeln, er geht wieder unter Leute und trifft auf diverse seltsame Charaktere der Kunstszene. Sadomaso, exzentrische Künstler, Drogen, Rausch und mittendrin der spießige Stephan Braum. Mit "Endlich Kokain" hat Lottmann nicht nur eine wirklich schräge Spätzünder-Coming-of-Age-Geschichte geschrieben, sondern auch sein vermutlich bestes weil lustigstes Werk, denn so herrlich bissig hat wohl noch keiner den Kunstbetrieb beschrieben.

Rocko Schamoni "Tag der geschlossenen Gesellschaft"

Ich liebe den Charakter Michael Sonntag. Nicht in einer amourösen Weise, sondern viel mehr, weil er so herrlich absurd ist. Er führt eine Fast-Beziehung mit der Dame aus dem Handyshop, in dem er sich sein Handy gekauft hat, er lässt sich jedes Mal wieder auf super dumme Geschäftsideen seines Freundes Novak ein, schickt unfassbar schlechte Romanideen mit der Absicht eine Absage zu bekommen an Verlage und hat eine – ich liebe es – Nützlichkeitsallergie. Die Geschichte Sonntags, der niemals etwas Nützliches tun kann und von einem "nutzlosen" Job in den anderen taumelt, ist schon ziemlich super. Mein eigentlicher Star des Buches sind aber die kleinen Geschichten, die der Protagonist selbst geschrieben hat. Ich sehe Schamoni hämisch grinsend an seinem Schreibtisch, wenn er Zeilen wie diese schrieb: "'Immer Ärger mit Herr Berger' ist der lustige Familienroman für die ganze Familie."

© Piper Verlag | Rowohlt Verlag

Stefanie Sargnagel "Statusmeldungen"

Die Österreicherin Stefanie Sargnagel ist Autorin, Künstlerin und Mitglied der feministischen Gruppe "Burschenschaft Hysteria". Ihr erstes Buch handelte von Erlebnissen, die sie in ihrem Job als Callcenter-Mitarbeiterin hatte. Ihr Buch "Statusmeldungen" liest und hört sich genauso an, wie der Titel klingt: Sargnagel liest mit Datum und Uhrzeit notierte Kurzmeldungen vor. Manchmal sind es ebenfalls kurze Storys aus ihrem Dasein als Callcenter-Mitarbeiterin, manchmal einzelne Sätze wie "Wenn ich genug Geld verdient habe, ziehe ich in den Wald und eröffne eine kleine Lebensberatungspraxis." Wer etwas für zwischendurch sucht, um gelegentlich zu schmunzeln, der sollte der jungen Österreicherin auf jeden Fall lauschen.

Sebastian Lehmann "Ich war jung und hatte das Geld"

Berliner kennen Sebastian Lehmann bereits, denn er gehört zur Lesedüne und ist eine der besseren Hälften von Marc-Uwe Kling. Statt über Kängurus schreibt Lehmann allerdings über Jugendkulturen und unangenehme Telefonate mit den Eltern. In diesen Kurzgeschichten nimmt er uns mit auf eine Reise durch seine Jugendsünden: Vom Punk, zum Grufti, bis zum Gangster-Rapper lässt er keine Jugendkultur aus und an kaum einer ein gutes Haar. Und alle, die ähnlich viele Musikgeschmäcker und Frisuren hatten, werden konsequent folgende Gedanken haben: "I feel you."

© Goldmann Verlag | © Little Brown Verlag

David Sedaris "Calypso"

Ein weiteres autobiografisches Werk Sedaris', dass diesmal etwas erwachsener daher kommt. Der Roman verliert dabei nichts vom typischen Stil des Autors, auch die Themenwelt rund um die Familie und das eigene Leben bleiben einem erhalten. Nur halt diesmal im eigenen Ferienhaus an der Küste Carolinas. Ob dieser Ort wohl für einen Urlaub von sich selbst geeignet ist? Tiefgründig, humorvoll und nachdenklich stimmend, ein neuer Roman eines brillanten Autors, der einen immer wieder begeistern kann. Perfekt für den nächsten (Familien-)Urlaub.

John Niven "The Second Coming"

Den Autor John Niven, ehemals Manager einer großen Plattenfirma, kennt man spätestens seit er 2008 mit "Kill Your Friends" – einer rabenschwarzen Satire auf die Musikindustrie - einen internationalen Bestseller landete. Und auch bei "Gott bewahre" kommt die Musikindustrie nicht gut weg: Nachdem Gott nach Millionen von Jahren ohne Urlaub endlich mal ein paar Tage frei genommen hat, kehrt er gut gelaunt zurück ins Himmels-Office und muss feststellen, dass in der Zwischenzeit (die auf der Erde mehrere hundert Jahre lang war) Kreuzzüge, Klimawandel, Weltkriege, Völkermord und atomare Aufrüstung stattgefunden haben. Dagegen gibt es nur eine Lösung: Jesus wird ein zweites Mal auf die Erde geschickt und nimmt an einer Casting Show teil, um mit seiner Botschaft die Massen zu erreichen. Das Buch ist durchzogen mit bitterbösem Humor, der einem genauso die Tränen in die Augen treibt wie das furiose Finale. Obwohl der Plot (gewollt) ähnlich vorhersehbar ist, wie in der ersten Version vor 2.000 Jahren, kommt man nicht drumherum die letzten 200 Seiten am Stück zu verschlingen und begibt sich damit auf eine Achterbahnfahrt aus Hoffnung, Wut, Trauer, Weinen und ganz viel Lachen die ich so von keinem anderen Buch kenne.

© Heyne Verlag | © KiWi Verlag

Christian Kracht "Faserland"

"Faserland" zählt mittlerweile zu den wichtigsten Werken der Popliteratur, wurde in acht Sprachen übersetzt, zählt teilweise zur Schullektüre und wenn ich mich an meine Lektürelisten mit Fontane, Schiller und Goethe erinnere, wird mein 16-jähriges Ich ziemlich neidisch. Krachts Protagonist ist der Vorzeige-Endzwanziger-Snob, der mit seiner Woolrich-Jacke auf Sylt geboren und der Rolex am Arm im P1 in München aufgewachsen ist. Er reist quer durch Deutschland, ist auf angesagten, versnobten Partys, die selten ohne Alkohol-, Drogen- oder Sexexzesse auskommen und obwohl das alles oberflächlich irgendwie cool, irgendwie absurd und irgendwie komisch ist, empfindet man beim tieferen Lesen Mitleid mit dem Protagonisten, über dessen Leben ein Schleier der Tristesse liegt.

Timur Vermes "Er ist wieder da"

Darf man eigentlich Scherze über Hitler machen? Timur Vermes auf jeden Fall, denn in seinem Roman kommt er zurück und zwar ins Jahr 2011 in Berlin-Mitte. Und ihn erwartet kein Krieg und keine Eva, dafür aber Angela Merkel und jede Menge Ausländer. Auf der Suche nach einer neuen Karriere schlägt er sich durchs Fernsehen und trifft auf eine Gesellschaft, die zynisch, sensationsgeil und immer auf der Suche nach Likes und Klicks ist. Inzwischen kann man Vermes Hitler-Satire auch als Film sehen, aber das Buch liest sich so schnell, dass ihr vielleicht sogar schneller seid.

© Bastei Lübbe Verlag | © Ullstein Verlag

Helene Hegemann "Axolotl Roadkill"

Helene Hegemann sorgt mit ihren gerade mal 17 Jahren mit ihrem Debütroman für Aufruhr im Literaturbetrieb und das nicht nur wegen der Plagiatsvorwürfe. In ihrem Roman erzählt sie die Geschichte der 16-jährigen Mifti, die als Tochter eines Kulturschaffenden groß wird, gemeinsam mit ihren beiden älteren Geschwistern in einer WG in Berlin lebt und lieber auf Drogen zu Techno ravet als in die Schule zu gehen. Sie hat eine Affäre mit einer Fotografin, treibt sich in Clubs rum, analysiert dabei ständig die Gesellschaft und das in einer süffisant komischen und gleichzeitig trockenen Tonalität, wie sie für die damals 17-jährige Autorin wirklich bemerkenswert ist. Und wer dem Stil Hegemanns nach ihrem Erstlingswerk bereits verfallen ist, der hat Glück, denn dieses Jahr ist ihr neuer Roman "Bungalow" erschienen, der zwar weniger komisch, dafür aber mindestens genauso lesenswert ist.

Heinz Strunk "Jürgen"

Es ist geradezu ein Geniestreich gewesen und ich frage mich, weshalb niemand vor Heinz Strunk auf die Idee kam, sich all die absurden und bescheuerten Ratgeber, wie sie auf den Krabbeltischen mittelmäßiger Buchhandlungen zur Genüge zu finden sind, zu eigen zu machen und darauf eine ziemlich großartige Persiflage zu schreiben. In seinem neuesten Buch "Jürgen" begleiten wir Jürgen Dose, der immer noch bei seiner Mutter lebt, und seinen Freund Bernd Würmer auf der Suche nach der richtigen, oder überhaupt einer Frau. Vom Speed-Dating über Liebestourismus in Polen bis hin zu höchst eigenwilligen Flirt-Tipps klingt alles großartig falsch und absurd, sodass Strunk selbst beim Vorlesen hin und wieder schmunzeln muss, sich verliest, kichert und weiterliest.

© Rowohlt Verlag

Mit Vergnügen-Tisch | Kulturkaufhaus Dussmann | Friedrichstraße 90, 10117 Berlin | Montag – Freitag: 09–00 Uhr, Samstag: 09–23 Uhr

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