Unsere 11 Kunsttipps für den Juni 2017

Endlich kann man die Stadt wieder auf dem Rad erobern und sich ohne Daunenjacke in die Nacht stürzen. Neben Grillwürste und Berliner Weiße für den Magen sollte man aber auch ab und zu den Geist füttern. In unserem Artvergnügen für den Juni erwarten euch Fernweh, Nacktheit und Neukölln. Besser geht es doch eigentlich gar nicht!

Thomas Hoepker, Werbung für ein Mittel gegen Sodbrennen an einem Bus, New York, 1963, © Thomas Hoepker / Magnum Photos / Agentur Focus

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"Die fotografierte Ferne" in der Berlinischen Galerie

"Wenn’s kein Foto davon gibt, ist es nicht passiert", lautet das ungeschriebene Credo unserer Zeit.

Und so wird der Druck, das ultimative Neid-Foto zu schießen, unser ständiger, unliebsamer Begleiter, auch im Urlaub. Aber das war ja nicht immer so, weder die Reisewut, noch der ständige Finger am Auslöser. Mit dem Boom des Massentourismus im späten 19. Jahrhundert allerdings entwickelte sich die Reisefotografie nach und nach zu einem eigenen Genre. Mit über 180 Bildern von 17 Fotografen, darunter Sven Johne, Wolfgang Tillmans und Tobias Zielony, zeichnet “Die fotografierte Ferne” den Weg nach, den diese seitdem nahm. Eine Ausstellung mit hohem Fernweh- und Nostalgiefaktor.

© William Klein

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William Klein bei C/O Berlin

Mit einer umfangreichen Retrospektive widmet sich C/O Berlin dem Werk des 1928 in New York als Sohn immigrierter ungarischer Juden geborenen William Klein. Radikal und experimentierfreudig hat er Städte wie New York, Paris, Moskau, Rom und Tokio in ihrem Wesen eingefangen, aber auch als Modefotograf von sich Reden gemacht. Dabei bewegte er sich immer zwischen Fotografie und Video und meisterte beides so eindrucksvoll, dass er auch heute noch das große Vorbild der Fotografen ist.

© Korinsky

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Künstlerkollektiv Korinsky im GASAG Kunstraum*

Die Brüder Abel, Carlo und Max Korinsky verbinden in ihren Arbeiten Tradition und Moderne. So entstehen die Werke zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, wie beim Werk „Digi.flat 90- 12“, für das 30 Scanner vernetzt und zu einer audiovisuellen Installation zusammen geschlossen wurden. So schaffen sie auch eine Brücke zu ihrem Ausstellungsort: der GASAG, die in diesem Jahr 170 Jahre alt wird und sich seit Jahren als Förderer von u.a. Kulturprojekten engagiert, wie zuletzt der Ausstellung von GASAG-Kunstpreis-Gewinner Andreas Greiner in der Berlinischen Galerie. Zur Vernissage von "Schnittstellen" wird das Künstlerkollektiv Korinsky anwesend sein und beantwortet auch gern neugierige Fragen.

© Burhan Ozbilici

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World Press Photo im Willy-Brandt-Haus

Den linken Arm reißt er kraftvoll in die Höhe, in der rechten Hand hält er eine Pistole. Mit jener hat der junge Polizist vor wenigen Sekunden den russischen Botschafter Andrej Karlow erschossen – während dessen Rede anlässlich einer Ausstellungseröffnung in Ankara. Als das Foto im Dezember um die Welt ging, konnte man kaum begreifen, dass es sich nicht um eine gestellte Szene handelt. Aber es ist tatsächlich eine zufällige Dokumentation und inzwischen ein Zeitdokument mit dem der Fotograf Burhan Ozbilici nun den World Press Photo Award 2017 gewonnen hat. Die Jury erklärt: "in “explosives Bild, das den Hass in unserer Zeit ausdrückt".

© Santiago Sierra. VG Bild-Kunst, Bonn 2017

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"Transaktionen. Über den Wert künstlerischer Arbeit" im Haus am Lützowplatz

Die Kunst steckt in einer Krise. Mal kreist die besorgte Diskussion um die Frage nach ihrem monetären Wert, dann geht es wieder um ihre Rolle in der gesellschaftlichen Aufklärung. “We’re at a point where success in market terms justifies and validates everything, replacing all the theories“, sagt Michel Houellebecq in seinem 2010 erschienenen Buch “Karte und Gebiet” . Diese kritische Beobachtung greift “Transaktionen” auf. Irgendwo zwischen den Arbeiten von Michael Sailstorfer, Santiago Sierra und Christian Jankowski erhebt sich (vielleicht) eine Antwort auf die Frage, unter welchen Konditionen Kunst eigentlich produziert wird, wie sich der Wert künstlerischer Arbeit rechtfertigt, wer, entsprechend marktwirtschaftlicher Standards, eigentlich ihre Zielgruppe ist und was der Künstler eigentlich leisten muss.

Installation shot, Helmut Newton Foundation Berlin, 2017 © Gerhard Kassner

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Mario Testino bei Helmut Newton Foundation

Mario Testino hatte sie alle vor der Kamera. Allen gemeinsam ist wohl, dass sie zu denjenigen gehören, die in der genetischen Lotterie den Jackpot gezogen haben. In der Ausstellung zu bewundern gibt es davon zum Beispiel Kate Moss, Amber Valletta und viele andere Schönheiten. Titel der Ausstellung ist “Undressed”, denn der Meister selbst sagt “Ich liebe Nacktheit, weil sie pure Form ist.” Macht euch also auf viel nackte Haut gefasst.

  • Helmut Newton Stiftung Jebensstrasse 2, 10623 Berlin
  • Bis 19. November 2017 | Dienstag & Mittwoch, Freitag – Sonntag: 11–19 Uhr, Donnerstag: 11–20 Uhr
  • 10 Euro, ermäßigt 5 Euro
© Marguerite Humeau, RIDDLES, 2017

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Marguerite Humeau "Riddles" im Schinkel Pavillon

Objekte meint Humeau wirklich als Objekte, aber auch als Träger symbolischer Bedeutung. Laut eigener Aussage möchte die Künstlerin mit ihren Arbeiten keine Antworten liefern und Denkrichtungen vorgeben, sondern Mysterien und Enigmas kreieren. Letztes Jahr errichtete sie eine Art Boutique-Labor im Palais de Tokyo, mit Exponaten a la Naturkundemuseum, nur in hübsch. Aber der Schein trügt: Hinter der scheinheiligen, lupenreinen Apple-Ästhetik verbergen sich in ihren Installationen Horrorszenarien. Im Schinkel Pavillon blitzen uns blank polierte Barrieren aus Chrom, wie sie zur Regelung von Besucherströmen eingesetzt werden, entgegen. Auch hier stehen Panik und Luxus Seite an Seite.

© Goetz Arntzen, Serlenga, Canevacci

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48 Stunden Neukölln

“Schatten” lautet das Thema des inzwischen größten freien Kunstfestivals der Stadt: 48 Stunden Neukölln. Der Schatten ist eine recht düstere, aber leider passende Metapher für zu viele Ereignisse der aktuellen Zeit: Die Politik gerät immer wieder auf richtig schiefe Bahnen, wir leben in mehr Furcht als noch vor zwei Jahren. Aber wo Schatten ist, ist auch Licht und auch dafür wollen die Macher von 48 Stunden Platz schaffen. Zwei Tage lang ist Neukölln gepflastert mit Kunst, stehen Türen zu Galerien und Studios offen, laden Schiffe und Dachterrassen ein, kriegt ihr eine Art Straßenfest mit kulturellem Programm – und das kostenfrei.

© Buğra Erol, Stone Heart, 2017

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Buğra Erol bei Berlin Art Projects

Der 2006 gegründete Kunstraum Berlin Art Projects konzentriert sich mit seinem Ausstellungsprogramm auf die Förderung junger Hochschulabsolventen und auf den Dialog mit jungen Künstlern aus Istanbul. Die laufende Ausstellung gehört Bugra Erol – einstiger Greenpeace-Aktivist, heute vielversprechender Künstler mit Wohnsitz in der Türkei. Mit Zeichnung lässt er den Betrachter tief in seine Gedankenwelt blicken. In Anbetracht der politischen Zustände in seiner Heimat sind diese nicht gerade ein buntes Blumenmeer. Ein Gefühl von Unruhe und Instabilität treiben ihn um und führen seinen Zeichenstift.

© Patricia Piccinini

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"Mad Love" bei Arndt Art Agency

Wir müssen gestehen: Wenn es einen Flecken Erde gibt, bei dem unser Künstlerwissen ein paar Aussetzer hat, dann ist es Australien. Die Ausstellung "Mad Love" stellt uns dankenswerterweise gleich mehrere zeitgenössische Künstler aus Down Under vor. Kuratorin Del Kathryn Barton zu der Idee der Ausstellung: “Body as pleasure. Body as machine. Body longing, always longing. Hungry body, filthy body. Body to run. Body to deny. Thinking body. Muscle Body. Body as instrument and song, as instinct towards life. Body light. Body dark. Evolutionary body, dinosaur body. Plastic body. Colour body. BODY as unmitigated surges of light and energy, just briefly, but oh, such, such love……… mad, mad love.” Also hin mit euren arty bodies.

© Julian Rosefeldt und VG Bild-Kunst, Bonn

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Luther und die Avantgarde im Alten Gefängnis Wittenberg

Es dürfte an niemandem vorbeigegangen sein: In diesem Jahr ist Lutherjahr. Besonders herausgeputzt hat sich zu diesem Anlass natürlich Lutherstadt Wittenberg, in der man jetzt Luther-Burger essen und dazu bergeweise Luther-Merch shoppen kann. Doch das Riesenereignis rund um 500 Jahre Reformation kann noch mehr als das. Im Alten Gefängnis der Stadt wartet eine Ausstellung auf euch, die sich als einzige auf weiter Flur nicht mit Luther als historischer Person, sondern als soziokultureller Avantgardist und Ideengeber auseinandersetzt. Gleich 70 internationale Künstler beziehen sich dazu intensiv auf aktuelle gesellschaftliche Themen – unter ihnen Schwergewichte wie Isa Genzken, Ai Weiwei, Julian Rosefeldt und Jonathan Meese. Die meisten von ihnen bespielen jeweils eine ehemalige Gefängniszelle und zwar so vielseitig, dass die Stunden in den dicken Gemäuern rasend schnell vergehen. Absolute Empfehlung!

*Dieser Tipp ist gesponsert von der GASAG.

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