"Des find ich jetzt net so gut" – Die Prenzlschwäbin hat ihr erstes Buch veröffentlicht

© Bärbel Stolz

Gibt es noch jemanden, der Bärbel Stolz alias die Prenzlschwäbin nicht kennt? Unsere Lieblingsschwäbin (gleich nach unserer Praktikantin Ilona natürlich) hat sich in den letzten zwei Jahren mit entlarvenden, witzigen Videos über empörte Berliner und besserwisserische Schwaben im Prenzlauer Berg in unsere Herzen gespielt. Jetzt hat sie ihr erstes Buch herausgebracht, in dem sie – natürlich nicht ohne eine deftige Prise Ironie – über ihre ersten Schritte als kleine Süddeutsche im großen Berlin erzählt. Bei uns könnt ihr schon mal ins Buch reinlesen.

Aus "Isch des bio?", Kapitel: Ich liebe Berlin.

Echt wahr. Ich wohne sehr gern hier. Aber jetzt grade war ich in Stuttgart, und ich muss sagen, es hat schon was, in einer Stadt mit funktionierendem Flughafen zu landen. Gut, dafür hapert es da mit dem Hauptbahnhof, aber man kann ja nicht alles haben. Was mich allerdings nachhaltig beeindruckt hat, war, dass es in der Stuttgarter S-Bahn ein 1. Klasse-Abteil gibt. In Berlin ist man ja schon froh, wenn die S-Bahn fährt. Dann setzt man sich rein und je nach Verfassung stellt man sich vor, man ist ganz woanders, oder man beobachtet die unterschiedlichen Menschen um sich herum. Dann muss man aber gerade innerlich elastisch sein und ein paar schwäbische Reflexe unterdrücken. Zum Beispiel, wenn sich jemand mit einem Döner neben dich setzt und die Gurken rauspult, um sie zwischen Sitz und Fenster zu stopfen.

Dann rutscht es mir schon manchmal raus: "Also, das find ich jetzt net so gut."

Wenn man einen toleranten Berliner neben sich hat, sagt er vielleicht nur: "Ick aba." In jedem Fall outet man sich als schwäbische Spießerin.

In Schwaben versteht man das. Jedes Kleinkind in der S-Bahn zieht schuldbewusst die Füßchen ein und sammelt seine Kekskrümel auf, wenn der Nachbar freundlich sagt: "Des find ich jetzt net so gut." Und erziehungsberechtigte Mitreisende entschuldigen sich.

Ich glaube, was es in Stuttgarter S-Bahnen auch niemals geben wird, sind herumrollende Bierflaschen. Das ist so typisch hier, dass man es eigentlich in die Reiseführer aufnehmen könnte.

Herumrollende Bierflaschen. Das ist so typisch hier, dass man es eigentlich in die Reiseführer aufnehmen könnte.

Ich sitze in der Bahn und bin froh, wieder in den Prenzlauer Berg zurückzukommen. Gut, Neukölln ist auch Berlin, und wenn Sie nach mal hierherkommen, schauen sie sich dort ruhig um, man möchte dann ja auch das Laute, Dreckige, Unaufgeräumte sehen. Es soll ja auch ganz tolle neue vegane Lokale dort geben. Ich persönlich fahre einmal im Jahr dorthin, um die preisgekrönten Blutwürste am Karl-Marx-Platz zu holen. Da reiß ich mich dann eben mal zusammen. Und dann sitz ich da in der Bahn und möchte die Zeit nutzen, meine Meinung über den neu eröffneten Biosupermarkt an der Ecke in die Feedbackbox zu tippen. Neben mir duftet das Tütchen mit den Würsten.

Ich zücke mein Smartphone, und klickerklickerklickerklickerrummms kommt eine Bierflasche unter der Nachbarsitzreihe hervorgerollt und stößt neben mir an die Wand. Bei der nächsten Kurve rollt sie zurück.

Klickerklickerklickerrummms. Und natürlich war die Flasche nicht ganz leer. Wer auch immer sie hier in der Bahn abgestellt hat, hat gerade so viel übrig gelassen, dass sich ein kleines Bächlein aus stinkigem altem Bier einmal hin und einmal her durch die Bahn zieht. Ich nehme meine Wursttüte auf den Schoß, in der Hoffnung, damit den schalen Gestank zu übertünchen, aber das klappt nicht. Es liegt mir auf der Zunge, ich möchte den Kopf heben und laut sagen: "Des find ich jetzt net so gut. Wem gehört denn bitte diese Flasche?" Aber dann bin ich die verspannte Spießerin, das ungeschriebene Gesetz der Berliner Coolness verlangt, rollende Bierflaschen einfach zu ignorieren. Ebenso wie übervolle Mülleimer. Fasziniert beobachte ich die Frau schräg gegenüber, neben deren Ärmel ein soßenverschmiertes Dönerpapier aus dem Abfallkorb hängt. Wie sorglos und selbstvergessen sie dasitzt. Ignoriert sie mich, oder nimmt sie das tatsächlich nicht wahr? Meditation oder Abstumpfung?

Diesen Sommer sah ja einmal der Mülleimer auf dem Spielplatz bei uns unmöglich aus. Da quollen die Windeln und Eisbecherchen raus, die Spatzen pickten schon an den Resten der Dinkelstangen. Daneben junge Eltern und ihre fröhlichen Bullerbü-Kinder. Wieder wurde einem Kind das Himbeereis aus dem Gesicht gewischt, die Mutter schaute sich suchend um und entdeckte den vollen Eimer mit dem Müllberg daneben. Schulterzuckend machte sie sich auf den Weg und fing dabei meinen Blick auf. Stummes Erkennen.

"Des find ich jetzt net so gut", sagte sie. "So eine Sauerei, oder?"

Ich stimmte ihr absolut zu und bald standen fünf weitere Eltern mit uns um die Mülltonne herum.

"Also", sagte schließlich Antonia tatkräftig. "Ich wohne gleich da im Hochparterre, ich hol jetzt Müllbeutel."

Wenig später schaufelten wir mit den Kinderschäufelchen – die in Berlin Schippe genannt werden, kann man sich leicht merken: Schrippe-Schippe – Windeln, Feuilletons und Dinkelmatsch in robuste blaue Tüten. Dann kam plötzlich eine junge Frau in geblümtem Sommerkleid angehüpft und legte eine eingerollte Babywindel auf die volle Mülltonne. Ein kollektiver Aufschrei der Schwäbinnennationalmannschaft ließ sie zusammenfahren. Ich lächelte sie beruhigend an.

"Entschuldige, aber des isch echt net so gut. Die Mülltonne isch ja voll, gell? Schau mal, dahinten isch noch eine, wo was reinpasst. Oder du tuscht sie hier in einen von unseren Müllbeuteln."

Die junge Frau schüttelte entschuldigend den Kopf.

"Como?"

"Au, Spanisch, da komm ich nicht mit." Hilfesuchend blickte ich zu meinen Mitmüllsammlern, die uns auch gleich eifrig umringten.

"The diaper… put it not on the top here …non hacer aqui … Herrschaft … wie sagt man denn des jetzt?"

Schließlich nahm die Hochparterre-Antonia die Windel von der Mülltonne und hielt sie der jungen Frau unter die Nase. Die lächelte strahlend.

"Oh, you can have it."

Sprach’s, nickte und verschwand. Wir blieben mit offenem Mund zurück.

"Glaubsch des?", murmelte die Antonia mit der Windel in der Hand.

Ich nahm sie ihr ab und warf sie in den blauen Sack.

"Des isch net bös gmeint."

"Noi, gwiß net. Aber des lernet die einfach nie. Genau wie beim-"

"Flaschenpfand!", rief die Müllgruppe im Chor. (...)

Den Trailer zum Buch gibt es hier:

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"Isch des bio?" ist am 18.07. bei Randomhouse erschienen.

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