Beeinflusst Facebook unsere Freundschaften zum Schlechten?
Letztens bekam ich von Facebook eines dieser beliebten Gedenkbilder angezeigt, die einen auf unangenehm unerwartete Weise daran erinnern, welche Meinung man vor einem Monat oder zwei Jahren hatte, wie man damals aussah oder wie man sich gar nicht verändert hat. Eine wohl nett gemeinte Erinnerung, die bei mir immer ein unangenehmes Gefühl des viel zu schnellen Vergehens der Zeit hervorruft.
"7 Jahre auf Facebook" stand da letztens. 7 Jahre. Nur bei web.de bin ich länger angemeldet. Und bei last.fm, dieser tote Musikerfassungsdienst, der immer noch meine auf Spotify gehörte Musik mitscrobbelt, obwohl ich mich seit Jahren nicht mehr angemeldet habe. Immerhin bin ich bei Facebook aktiver. Noch immer, obwohl mich dort fast nur noch beruflich umschaue.
Denn: Dieses siebenjährige Jubiläum erinnerte mich wieder daran, warum wir irgendwann mal Facebook beigetreten sind: um mit den Menschen, die wir überall auf der Welt kennengelernt haben, in Kontakt zu bleiben. Ich wurde beim Anblick der Benachrichtigung das erste Mal richtig nostalgisch, denn ob man es nun will oder nicht: An diesen sieben Jahren sozialen Netzwerkens im digitalen Nirvana hängt viel Lebenszeit und eben viele Freundschaften, die ohne Facebook vielleicht nicht mehr bestünden, weil Freund- und Bekanntschaften mit wohl dosierter digitaler Aufmerksamkeit gepflegt werden müssen. Genau deshalb wurde Facebook ja gegründet: als Freundschaftsnetzwerk, um dem Leben der Anderen folgen zu können, um dabei zu sein und teil zu haben. Geburtstagserinnerungen, Hochzeitsgratulationen, Trauerbekundungen.
Aber ich habe schon länger das Gefühl, dass irgendwas faul ist an der Sache mit der "Freundschaft" im "Netzwerk".
Facebook ist das nämlich eigentlich schon lange nicht mehr, nicht nur aufgrund des blanken Hasses, der zuweilen auf diversen Seiten verbreitet wird. Es ist besonders deshalb kein Freundschaftsnetzwerk mehr, weil die Freunde schlichtweg nicht sichtbar sind. Undurchsichtigen Algorithmen sei Dank sehen wir größtenteils die Posts von Medienseiten, die wir regelmäßig anklicken und liken, oder von denjenigen Menschen, die einen besonderen Mitteilungsdrang haben und 20 Posts am Tag rauskloppen – ein sich selbstverstärkender Prozess, denn je mehr wir auf etwas klicken, desto weniger werden uns all die anderen Angebote und Personen angezeigt, denen wir noch so folgen.
Irgendwas ist faul mit der "Freundschaft" im Netzwerk
Letztens hatte ein alter Schulfreund Geburtstag. Ich weiß nicht, was in den letzten vier Jahren passiert ist, aber als ich ihm einen Geburtstagsgruß schrieb, sah ich, dass wir das letzte Mal 2012 wirklich Kontakt hatten. Einerseits war ich schockiert über die Zeit, die vergangen war, andererseits darüber, dass mir in der Zwischenzeit kein einziger Post von ihm angezeigt wurde. Es ist ja nicht so, dass er komplett inaktiv auf Facebook war. Klar, ich hätte auch wöchentlich seine Pinnwand checken können, aber mal ehrlich, wer macht das bei seinen 300 "Freunden" schon.
Mittlerweile hat auch Facebook den Missstand erkannt und wieder seinen Algorithmus geändert: Nun sollen neue Posts von Freunden als erstes auf der Pinnwand angezeigt werden. Was all die Unternehmen mit einer extrem sinkenden Interaktionszahl dumm dastehen und nach Alternativen umschauen lässt. Aber das ist ein anderes Thema.
Ob all die Bestrebungen von Facebook helfen? Mittlerweile ist Facebook die alte Tante Erna unter den sozialen Netzwerken. Die Unternehmen sind sauer auf Facebook, die Jungen nutzen Snapchat, die anderen folgen sich gegenseitig bei Instagram. Das gehört zwar auch zu Facebook, hat aber zumindest den Vorteil, dass man alles sieht, was die Follower posten. Zumindest noch. Denn auch hier schraubt Facebook am Algorithmus. Es scheint, als wolle Facebook die Qualität unserer Freundschaften und Kontakte beeinflussen.
Aber was ist die Alternative? An seine 300 bis 500 Freunde regelmäßig Briefe schreiben, Whatsapp-Chats aufmachen, ein komplett neues Netzwerk gründen (was dann auch wieder keiner nutzt, weil man ja alle überzeugen muss, zu wechseln)? Oder doch Facebook, wie so oft, von karteileichigen Freundschaften befreien?
Die digitale Sichtbarkeit spiegelt nichts anderes als den tatsächlichen Zustand der Freundschaft wider.
Am Ende ist es wie immer viel einfacher, als man dachte. Am Ende sind wir selbst Schuld. Je öfter wir mit Freunden interagieren, desto häufiger werden uns Posts von ihnen angezeigt. Je seltener wir dies tun, desto mehr leidet die digitale Sichtbarkeit. Eigentlich wird uns hier nur schmerzlich bewusst, dass eben diese digitale Sichtbarkeit nichts anderes als den tatsächlichen Zustand der Freundschaft widerspiegelt – so sehr wir auch mit allen Freunden und Bekannten in Kontakt bleiben wollen.
Wer Facebook eh nur als oberflächliches Netzwerk zum Weltgescheheninformieren und unregelmäßigem In-Kontakt-Bleiben mit Freunden nutzt, der wird sich an dieser Tatsache nicht weiter stören. Alle anderen müssen sich entscheiden, ob sie die Hälfte ihrer Zeit mit Socialising verbringen oder sich einfach auf die Kontakte beschränken, die ihnen tatsächlich was bedeuten. Letztendlich ist Facebook tatsächlich das, was man aus dem "Sozialen" im Netzwerk macht: eine Hilfe oder eine Hürde. Das klingt so banal, aber es wurde mir erst durch ein kleines Bildchen bewusst.