MODEVERGNÜGEN #43 - Berlin, deine Modekinder #1: Lebkuchenhaus bauen mit Timm von Barre Noire
Timm Süssbrich gründete mit 24 Jahren ein eigenes Designerlabel. Seitdem sind 7 Kollektionen vergangen und der Erfolg gekommen. Inzwischen wird Barre Noire als ernstzunehmendes junges Label in der Branche wahrgenommen und gefeiert. Dabei ist die Modeszene eigentlich gar nicht Timms Pflaster. Im Atelier des bodenständigen Berliners stimmten wir uns gemeinsam kreativ auf die Weihnachtszeit ein mit einem selbstgebauten Traumzauber-Lebkuchenhaus und Tee. Zwischen Zuckerguss und den extra für die Presse aufgehängten Klamotten-Skizzen verrät er mir, was er vom Berliner Kleidergeschmack hält, wen er im Schlüpfer gesehen hat und trotzdem sympathisch findet und welche Interviewfrage ihn tierisch nervt.
Es wirkt als würdest du eine Traumkarriere verfolgen – trügt das?
Das trügt. Nach dem Studium hatte ich die Nase voll von Mode. Dann habe ich bei einer Modevertriebsagentur gearbeitet, die zum Beispiel Balmain vertrieben haben. Nach einem Jahr traf ich mich mit einer ehemaligen Kommilitonin und hab sie im Café gefragt, ob sie sich selbstständig machen würde. Nach drei Minuten war es beschlossen das Label zu gründen und es entstand die erste Probekollektion, die bei der Presse sehr gut ankam und nach zwei weiteren Kollektionen verabschiedete sich meine Partnerin und ich stand vor der Wahl weitermachen oder aufhören.
Das Haus ist schief aber steht. Wir glasieren das Haus großflächig mit rosa Lilifee Zuckerguss. Die ersten Reste für Moritz, Timms Hund, fallen für ihn ab.
Gab es einen Schlüsselmoment für das Designerdasein in deinem Leben?
Der Schlüsselmoment war, als mir im Studium gesagt wurde, dass ich sowieso als Burgerwender ende. Bestärkt hat mich auch Aura Dione als sie als erste fragte, ob sie sich etwas für ein Shooting in L.A. ausleihen darf – da war ich aus dem Häuschen.
Timm leckt sich Zuckerguss von zwei Fingern - ich finde das toll – ich würde das auch gern aber ich faste.
Süß oder Herzhaft?
Gestern hatte ich Bock auf beides und ich hatte einfach keine Zeit also nahm ich den Rest Speck und habe mir einen Schoko-Speck-Kuchen gebacken – er war wirklich sehr lecker.
Wer zählt inzwischen sonst noch zu deinen prominenten Aushängeschildern?
Heike Makatsch trug Barre Noire in der Brigitte, außerdem Marina and the Diamonds, The Ting Tings, Bonnie Strange, Palina Rojinski und Hadnet Tesfai.
Kurzes Intermezzo durch Mama und Papa Timm: Timm läuft tomatenrot an und erklärt, dass es kein Unterschied macht, ob die Elle oder Mit Vergnügen im Atelier sind, es wird immer ein Besuch abgestattet . Wir befinden uns im alten Büro des Papas. Beide sind sehr nett und freuen sich über unser Hexen-Häuschen.
Wen würdest du sonst gern noch ausstatten?
In Berlin und Deutschland finde ich das schwierig. Die, die geil aussehen sehen deshalb geil aus, weil sie von Dawid Tomaszewski ausgestattet werden und das darf auch so bleiben. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich den größten Teil dieser Girls einfach nicht mag – sie zu zickig oder abgehoben sind. Jana Pallaske, die finde ich hübsch und die habe ich schon im Schlüpfer gesehen und selbst da war sie noch sympathisch –die darf sich gern was bei mir aussuchen. Die Allermeisten fragen mich nichtmal selber nach den Sachen, sondern schicken ihr Management vor. Ich bin halt eben nicht dieser Szenemensch und muss auch nicht auf Teufel komm raus solchen Menschen eine Plattform bieten. Beim letzen Mal schrieb Roberto Blankos Management, wie gern er meine Show besuchen will. Alles klar.
Mein Magen knurrt – Timm verspeist Feenperlen bevor er welche über das Dach schüttet.
Wie beschreibst du dich und deinen Stil?
Ich mag das Zitat über mich „Totale Planlosigkeit und am Ende ist es irgendwie immer schön“ – oder so ähnlich. Ich nähe den größten Teil der Kollektion selber – eine Schneiderin übernimmt für mich die wirklich lästigen Aufgaben. Sie zu finden war in Berin sehr schwer. Um mit Mode Geld zu verdienen muss man meiner Meinung nach sehr diszipliniert und zuverlässig arbeiten.
Was hältst du von der Modebranche?
Ich habe noch immer nicht verstanden, warum zwangsläufig in der Modewelt alle abheben müssen. Es ist ein Job, eine Dienstleistung und letztendlich steht und fällt deine Kollektion mit den Kunden. Selbst bei guter PR und Management solltest du am Ende ein guter Mensch sein. Bei mir kommt an erster Stelle das Label und dann irgendwann ich. Ich finde es sogar ganz witzig, wenn die Leute auf Partys erst nach einer Weile im Gespräch merken, dass ich der Typ von Barre bin und dann sagen „Du siehst eigentlich gar nicht so nach Mode aus“. Würde ich ein Star sein wollen, müsste ich mich anders verkaufen.
Welche Frage hasst du?
Warum heißt du Barre Noire?
Warum heißt du Barre Noire?
Es gibt zwei Antwortmöglichkeiten, die ich nach Sympathie gebe.
Erzähl sie mir beide.
Die wahre Antwort: Ich war betrunken und dachte das Label soll sich irgendwie cool anhören – es sollte Französisch sein.
Wir pausieren, weil Timmi den Mund voller Dekoherzen hat.
Ich nahm mir ein Französisch Wörterbuch aus dem Regal in der Küche und ließ meinen Finger stoppen. Er hielt bei Barre = Balken, zweites Mal kam Mäuschen raus das hörte sich zusammen doof an und beim dritten Mal noire = schwarz = schwarzer Balken oder Zensurbalken. Das fand ich gut genug und wir wollten es so probieren.
Die Presse Antwort: Barre Noire ist ein Bergmassiv in den Französischen Alpen mit 5 Gipfeln, die alle weiß sind, bis auf den einen in der Mitte der immer schwarz bleibt und alle anderen überragt – auf die Modewelt bezogen soll Barre Noire diesen Gipfel darstellen.
Ich lasse rosa Zuckerguss über den Schornstein unseres Häuschens fließen, es fließt über den Tisch.
Rosa ist übrigens eine sehr typische Barre Noire Farbe. Ein Markenzeichen: Es gibt in jeder Kollektion einen Rotton – sei es Brombeere, Feuerwehrrot oder eben rosa.
Was kannst du uns zu deinen Plänen zur Fashionweek im Januar sagen?
Es wird wieder eine Studioshow sein, aber etwas ruhiger und nicht ganz so bunt. Mit einem Live-DJ und Drinks und man hat wieder die Möglichkeit zu tanzen. Es soll spaßig werden. Neon, Glitzer ein bisschen Disko und trotzdem ganz anders als im Sommer. Erwachsener, gereifter.
Schmunzelnd mischt er Glitzer mit Marzipanrohmasse.
Schiss vor den Kritiken? Schiss vorm Versagen?
Ich glaube Labels, die davor echt Schiss haben müssen sind die, die große Investoren im Rücken haben – ich habe das nicht, kein Bankkredit, keine Gelddruckmaschine im Keller. Jetzt, nach drei Jahren fängt es allerdings an krass zu nerven. Manchmal ist es so hart, dass ich zwei Wochen nur Reis und Nudeln esse und schwarz fahren muss. Die Sachen, die durch Barre Noire rein kommen, gehen auch sofort wieder dafür drauf. Aber man sagt ja ein Label braucht 5 Jahre, um schwarze Zahlen zu schreiben. Dabei bin ich schon stolz, dass es mich nach 3 Jahren ohne Investoren zumindest immernoch gibt.
Timm malt eine fette 1 ans Haus und formt einen Schneemann aus Glitzermarzipan.
Hast du Bock auf einen Shop?
Ja, aber nicht in Berlin, weil Berlin kein Bock auf Shops hat. Die Berliner an sich haben einfach kein Geld zum shoppen. Meine Sachen gibt es zurzeit im SOTO,THE SHIT SHOP, Van Liebling und Stereoki plus zwei Onlineshops und man kann alles über Facebook über mich bestellen. Also alles sehr übersichtlich. Ich muss übrigens keine 2000 für einen Mantel nehmen, nur weil ich ein crazy Berliner Designer bin. Die Sachen sollen getragen werden und nicht im Schrank hängen, weil sie zu schade sind. Sachen die Spaß machen dürfen nicht teuer sein.
Hast du einen Plan B?
Es gibt nur Ex oder Hopp. Ich möchte nicht mehr lang in Berlin bleiben. Wenn du als Label weiterentwickeln willst, darfst du nicht in Berlin bleiben, sonst trittst auf der Stelle. Also bleibt nur der Weg ins Ausland. Ich würde in die USA gehen. Das ist seit zwei Kollektionen auf meinem Schirm. Dort kommt auch die größte Nachfrage her.
Wie beschreibst du den Berliner Stil?
Günstig, möchtegern Skandinavisch und sehr geprägt von den großen Modehäusern und Bloggern – grade hier bei uns in Berlin. Der Großteil der Labels will die zweite Jil Sander werden habe ich das Gefühl – das wirkt schon sehr gezwungen dem so stur und unkreativ nachzugehen.
Was rätst du einem jungen Menschen, der seinen Traum verwirklichen will?
Sei authentisch und mach erstmal das, was dir Spaß macht und denk dann erst an Geld und den Vertrieb und gehe nicht nach Presse oder Bloggermeinungen. Wenn jemand sagt: "Leo ist scheiße.", dann mach erst Recbt Leo.
Last but not least, unsere Jimmy Fairly Brillengewinner: Lilian R. hat Modell Aida gewonnen, Jana H. gewinnt Modell Matze.
Alle Fotos, außer das Jimmy Fairly Bild von Julius Leon Salvenmoser.