Lesevergnügen #26: Lesenswerte Neuerscheinungen für den Winter

© Marit Blossey

Der Winter bringt uns nicht nur eiskalte Temperaturen, Schnee und ein neues Jahr, sondern auch ziemlich kurze und sehr dunkle Tage. Da kann einem schon mal die Laune vergehen, wenn man um 15.30 Uhr aus dem Fenster schaut und die Nacht bereits hereinbricht. Was dagegen hilft? In andere Welten abtauchen und den Blick lieber auf gedruckte Seiten anstatt in das Berliner Grau werfen. Passend dazu liefern euch in diesem Winter zahlreiche Autor*innen wieder neuen Lesestoff.

Ihr dürft Mäuschen spielen beim Briefwechsel eines der berühmten Paare der deutschsprachigen Literatur, könnt von lesbischer Dreiecksbeziehung bis zur toxischen Abhängigkeit in verschiedenste Beziehungskonstellationen abtauchen oder euch gemeinsam mit Sara Weber fragen, warum ihr, obwohl die Welt untergeht, eigentlich noch arbeiten sollt. Unsere Empfehlung: Arbeit niederlegen und mal wieder zu einem guten Buch greifen. Diese hier bieten sich an.

© Suhrkamp Verlag

1
Ingeborg Bachmann, Max Frisch: "'Wir haben es nicht gut gemacht.' Der Briefwechsel"

"Wir sind halt ein berühmtes Paar gewesen. Leider". Ingeborg Bachmann und Max Frisch zählen zu den aufregendesten Paaren der deutschsprachigen Literaturwelt. Als Bachmann 1958, als bereits gefeierte Lyrikerin, ihr erstes Hörspiel herausbringt schreibt Max Frisch, selbst prämierter Autor, ihr einen langen Brief, in dem er seine Begeisterung für jenes Hörspiel ausdrückt. Einige Wochen später antwortet Bachmann – der Beginn eines jede Trennung und jedes Leid überdauernden Briefwechsels. Insgesamt sind rund 300 Schriftstücke – vom Paar selbst, aber auch von Verwandten, Freund*innen und Bekannten – erhalten. Sie erzählen auf über 1000 Seiten von Liebe, von Leid, von Distanz, von Eifersucht und von Zweisamkeit.

© Bloomsbury Verlag

2
Patti Smith: "A Book of Days"

2018 postete Patti Smith ihr erstes Foto auf Instagram. Es zeigt ihre Hand, darunter die kurze Nachricht: "Hello Everybody!". Eigentlich knipst Patti Smith vor allem mit ihrer alten Polaroid-Kamera, fürs Internet nutzt sie aber Handyfotos etwa von ihren Kindern, ihrer Katze, den Büchern, die sie gerade liest, den Gräbern ihrer Idole wie Albert Camus und William Blake oder ganz alltäglichen Dingen wie Heizkörpern und Stiefeln. Rund vier Jahre später können wir analog in ihrem neuen Buch die Reise eines der Kunst gewidmeten Lebens nachverfolgen. In der Buchausgabe dieses Künstlerinnenporträts finden sich zudem bisher unveröffentlichte Fotos aus Smiths Privatarchiv sowie eine Einführung der Künstlerin, in der sie ihren dokumentarischen Prozess nachverfolgt. Wem Dichtkunst, Ästhetik und die Gedanken von Patti Smith gefallen, sollte sich dieses Buch auf den Nachttisch legen und abends darin blättern.

© Suhrkamp Verlag

3
Jordan Crane: "Zwei bleiben"

Ein Paar steht im Stau. Um sich die Zeit zu vertreiben, lesen sie sich gegenseitig aus einem Roman vor. Doch da die beiden aufgrund des Staus ohnehin schon gereizt sind, geht ihnen die Geschichte des Buchs viel zu nahe – ein Streit droht auszubrechen. Als die beiden schließlich zu Hause sind, ist die Stimmung noch immer gedrückt. Als sie erneut die Wohnung verlässt, um Besorgungen zu machen, erwachen in ihm allerdings neue Gefühle: Sorge. Angst. Als er es nicht mehr aushält und sie immer noch unterwegs ist, fährt er schließlich los, um sie zu suchen. Und je länger Crane uns mit seinen wunderbaren Zeichnungen in die alltägliche Geschichte zieht, desto mehr entwickelt sie sich zu einem spannenden, vielschichtigen Plot, der die beiden Protagonist*innen mit Verlustängsten und Trauer konfrontiert.

© Hanser Verlag

4
Mohamed Mbougar Sarr: "Die geheimste Erinnerung der Menschen"

Diégane ist ein Exilautor aus dem Senegal, der, während er eigentlich genug mit seinen eigenen Problemen zu tun hat, auf den in der Versenkung verschwunden Kultroman "Labyrinth des Unmenschlichen" stößt. Fasziniert vom Plot, beginnt Diégane sich auch mit dem Autor zu beschäftigen: T.C. Elimane. Wurde er in den 30er Jahren noch als "Schwarzer Rimbaud" gefeiert, taucht er, nachdem rassistische Äußerungen laut wurden, ab. Doch wo steckt er jetzt? Wer war er? Diesen Fragen geht der junge Senegalese Diégane auf den Grund. Sarr, der für dieses Buch bereits mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde, liefert eine spannende Kriminalgeschichte, die mit viel Ironie und Aktualität über das Erbe des Kolonialismus aufklärt.

© Rowohlt Verlag

5
Jasmina Kuhnke: "Schwarzes Herz"

Die Comdey-Autorin Jasmina Kuhnke ist einigen sicher aus dem Internet unter dem Namen "quattromilf" bekannt, wo sie regelmäßig ihre Stimme im Kampf gegen Rassismus erhebt. Seit Dezember tut sie das auch in Buchform. Ihr erster Roman heißt "Schwarzes Herz" und handelt von einer jungen Schwarzen Ich-Erzählerin, die im Ruhrgebiet mit einem gewalttätigen Stiefvater aufwächst. Auch in der Schule erfährt sie wenig Unterstützung, viel mehr Ausgrenzung und beginnt selbst zu glauben, der Welt nur wenig geben zu können. Und so rettet sie sich in die Abhängigkeit einer Beziehung, eine Trennung durch zwei Schwangerschaften scheint schier unmöglich, bis sie ihre eigene Befreiung eines Tages eben doch wagt. Kuhnke erzählt eindringlich davon, wie sehr sich Rassismus, Ausgrenzung und Ablehnung in die Seelen betroffener Menschen einspeisen – wir sollten unsere Lehren daraus ziehen.

© KiWi Verlag

6
Sofi Oksanen: "Baby Jane"

Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. Beziehungen sind vieles, aber selten einfach. Schon gar nicht, wenn es sich nicht nur um eine Paarbeziehung handelt, sondern drei Personen involviert sind. Sofi Oksanens neuer Roman handelt von einer lesbischen Dreiecksbeziehung, in der es natürlich auch um Eifersucht und Misstrauen geht. Vor allem geht es aber um Intimität und Zwischenmenschliches. Als sich die Ich-Erzählerin in die charismatische Piki verliebt, ahnt sie nicht, dass jene aufgrund einer Angststörung viele Dinge im Alltag nicht allein bewältigen kann – und deswegen auf die Hilfe von ihrer Ex-Freundin Bossa angewiesen ist. Das schmeckt ihr natürlich ganz und gar nicht – doch wie geht man damit um? Und was passiert, wenn man nicht nur die Probleme der anderen, sondern auch die eigenen irgendwie bewerkstelligen muss? Eine explosive Mischung.

© KiWi Verlag

7
Sara Weber: "Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?"

Die Corona-Pandemie hat unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Nicht nur im privaten Bereich, sondern vor allem auch im Beruflichen. Mit dem Homeoffice rückte der Job immer weiter ins Privatleben, es wurde noch deutlicher, wo der Unterschied zwischen systemrelevanten und nicht systemrelevanten Jobs liegt, und während Waldbrände und andere Katastrophen die Welt auf den Kopf stellen, tun wir alles, um Deadlines einzuhalten. Warum nur? Sara Weber, freie Journalistin und frühere Redaktionsleitung von LinkedIn, ist nicht die einzige, die sich diese Frage stellt. In den USA gibt es für das Phänomen bereits einen Begriff: "The Great Resignation". Gemeint ist die Kündigungswelle, die eine neue Ära im Arbeitsleben bezeichnet. In ihrem Buch stellt sie Überlegungen an, wie Arbeiten in der Zukunft wirklich funktionieren kann – wenn der Fokus auf dem Menschen und nicht der Industrie liegt.

© Dumont Verlag

8
Ewald Arenz: "Die Liebe an miesen Tagen"

Ewald Arenz zählt zu jenen Autor*innen, die einen so unaufgeregten Stil haben und es dennoch schaffen mit ihm wunderbare Geschichten zu erzählen, dass man auch sein neuestes Buch "Die Liebe an miesen Tagen" in einem Stück weglesen möchte. Erzählt wird, Überraschung, die Geschichte einer Liebe, die zwar zu Beginn groß und aufregend ist – Elias hat eine Freundin, Clara ist Witwe –, die sich mit der Zeit aber auch den kleinen und großen Problemen des Alltags stellen muss. Was macht der Altersunterschied mit unserer Beziehung? Kann man mit dem Alter (noch mal) die ganz große Liebe finden? Und darf man das überhaupt, wenn der*die Partner*in verstorben ist?

© Carl Hanser Verlag

9
Max Czollek: Versöhnungstheater

Wenn Max Czollek ein neues Buch ankündigt, üben Politiker*innen ihre Unschuldsmiene und beginnen verlegen mit dem Fuß Kreise auf dem Boden zu ziehen. Denn Czollek hat wie immer einige Seiten im Gepäck, die uns zeigen, dass unsere Wiedergutmachungsmärchen nur denen wirklich gefallen, die sie erzählen. In "Versöhnungstheater" legt er die Finger in die kollektiven Wunden unserer Erinnerungskultur. Er dekonstruiert große deutsche Gesten vom Warschauer Kniefall bis zum Holocaust-Mahnmal und stellt ziemlich passende Fragen: War's das? Ist die Schuld jetzt abgebüßt? Alles versöhnt? Deutschland endlich wieder wer, an dem man sich im Hinblick auf Sühne und Versöhnung was abgucken kann? Mitnichten und Czollek erklärt in diesem Buch genau, warum. Read, repeat.

© Diogenes Verlag

10
Theresa Clasen (hrsg.): "Vom Glück allein"

Nach mehreren Jahren globaler Pandemie, Selbstisolation und Kontaktbeschränkungen wissen wir wohl alle, wie sich Alleinsein anfühlt. Doch nicht immer hat das Gefühl etwas Beklemmendes. Denn wie herrlich ist bitte selbstgewähltes Alleinsein? Wenn man sich ungeniert all seinen Guilty Pleasures hingeben, in den eigenen Gedanken abtauchen und eine richtig gute Zeit mit sich selbst verbringen kann? Von diesem Glück, allein zu sein, handeln die hier versammelten Geschichten, die unter anderem von Katherine Mansfield, Joey Goebel, Banana Yoshimoto, Doris Dörrie, Moritz Heger, Henry David Thoreau und Elizabeth Gilbert geschrieben und von Theresa Clasen in diesem wunderbaren Buch versammelt wurden. Die perfekte Lektüre, wenn man sich nach der trubeligen Weihnachtszeit mal wieder alleine einigeln möchte.

© Carlsen Verlag

11
Charles M. Schulz: "... Und Charles M. Schulz schuf die Peanuts" (31.01.23)

Im November 2022 wäre der weltberühmte Comiczeichner Charles M. Schulz 100 Jahre alt geworden. Anlässlich des Jubiläums erscheint nun dieses knallig gelbe Coffee Table Book, das sich mit dem wohl berühmtesten Comicstrip, den Peanuts, beschäftigt und in dem Comic-Experte Andreas C. Knigge durch Schulz' Karriere leitet. Es geht um seinen Werdegang, um Erfolge und die Herausforderungen, die während der Übersetzung ins Deutsche entstanden. Natürlich gibt es auch eine Auswahl der besten Peanuts-Strips und exklusives Material, das noch einmal herausstellt, wie einzigartig das Schaffen von Charles M. Schulz war – und noch immer ist. Das perfekte Geschenk für alle Peanuts-Fans.

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