Lesevergnügen #24: Spannende Neuerscheinungen für den Herbst

© Anne-Catherine Piétriga

Wer hat Angst vorm... Berliner Winter? Aus verschiedensten Gründen – dem grauen Wetter oder der nächsten Corona-Lokalrunde – ist die kalte Jahreszeit nicht unbedingt ein gern gesehener Partygast. Und das, obwohl sie die perfekte Ausrede dafür ist, gemütlich zu Hause zu bleiben. Viele Autor*innen liefern euch auch diesen Herbst wieder sehr lesenswerte Bücher.

Ihr dürft euch auf literarische Begegnungen mit Helene Bukowski und ihrem ergreifenden Drama "Die Kriegerin" über Ängste und vermeintliche Schutzmäntel freuen, in einem neuen Band durchtanzte Nächte und ihre (noch) geheimen Notizen der Berliner Technowelt des Tresor erleben oder mit Matze einen Rundgang durch seine Akademie machen und jede Menge interessante Aspekte des Menschseins beleuchten. Diese 11 Neuerscheinungen solltet ihr unbedingt auf euren Lesestapel katapultieren.

Helene Bukowski: "Die Kriegerin"

Frauen sind in der Bundeswehr nach wie vor unterrepräsentiert. Was bewegt die wenigen also, dort hinzugehen? In Helene Bukowskis neuem Roman "Die Kriegerin" ist es der Wunsch, unverwundbar zu werden. Einen Körper zu erlangen, der gleichsam als Schutzhülle und Rückzugsort dient. Gerade für Lisbeth ist das wichtig, da sie wahnsinnig empfindsam ist, ihre Haut auf Gefühle und Träume anderer Menschen reagiert – nur mit genügend Distanz kann sich Lisbeth schützen. Der Schutzwall von Lisbeth und der Kriegerin scheint zu funktionieren, bis sich einer der Feldwebel plötzlich an Lisbeth vergeht. Eine packende, brutale Geschichte, die von Gewalt, Traumata und dem Gefühl bestimmt ist, unverletzlich zu werden.

Erschienen im Blumenbar Verlag | 256 Seiten | 23 Euro | Mehr Info

© Blumenbar Verlag | © Nova MD Verlag

Tresor Records GmbH (hrsg.): "Tresor: True Stories"

Wer im West-Berlin der 1980er Jahre unterwegs war, kam am legendären Tresor nicht vorbei. Inzwischen könnt ihr zwar nur mehr im Humboldt Forum durch die originale Tresortür laufen, um in den gleichnamigen Club zu gelangen, müsst ihr aber inzwischen ins Kraftwerk. Die Macher*innen des neuen Buchs "Tresor: True Stories" haben ganz tief in den Erinnerungs- und Archivkisten gewühlt und unzählige Fotos, Faxe, Flyer und andere einzigartige Stücke gefunden, die ein Stück zur Clubgeschichte und dem Aufkeimen des Technos in Berlin beitragen. Auf über 300 Seiten könnt ihr hier, unter anderem gemeinsam mit Dimitri Hegemann, Paul Hockenos und Regina Baer, durch die Vergangenheit reisen und erleben, wie ein Club in Berlin im Rausch eine musikalische Bewegung initiierte.

Erschienen im Nova MD Verlag | 352 Seiten | 49 Euro | Mehr Info

Norris von Schirach: "Beutezeit"

Im Sumpf zwischen Korruption und Terror: Nachdem 2018 der erste Roman von Norris von Schirach erschienen ist, folgt nun die Fortsetzung der Geschichte um den Protagonisten Anton. Während er im ersten Buch "Blasse Helden" 1990 nach Moskau kommt, spielt der zweite Roman "Beutezeit" nun zehn Jahre später, Anton verlässt gerade Moskau und zieht nach New York, wo er mit Aktien handelt und es zu beachtlichem Wohlstand bringt. Von Langeweile geplagt, kommt Anton das unlautere Angebot eines Headhunters gerade recht: Er soll in Kasachstan mit Geld aus anonymen Quellen einen Stahlkonzern aufbauen. Nach anfänglicher Euphorie für diesen Job wird Anton jedoch schnell klar, dass Clans und Eliten nach dem Fall der Sowjetunion ihre Schätze sehr vehement verteidigen. Ein spannender Roman, der die postsowjetische Gesellschaft und den Kampf um Macht, Reichtum und Einfluss beleuchtet.

Erschienen im Penguin Verlag | 352 Seiten | 24 Euro | Mehr Info

© Penguin Verlag | © Ullstein Verlag

Lisa Jaspers, Naomi Ryland, Silvie Horch (hrsg.): "Unlearn Patriarchy"

Obwohl die meisten von uns sich als bekennende Feminist*innen bezeichnen, ist es im Alltag gerade für Frauen* noch immer schwierig, sich aus patriarchalen Strukturen zu befreien. Der Sammelband "Unlearn Patriarchy" fragt, warum das so ist. Wieso folgen wir veralteten Vorstellungen der glücklichen Kleinfamilie und traditionellen Rollenbildern? Warum passen wir uns im Job einer kapitalistischen Welt an, die von Männern gemacht wurde? Und weshalb schließen wir Frauen* durch unsere Sprache aus? In 16 Kapiteln kommen in diesem Essayband wunderbare und diverse Autor*innen wie Kübra Gümüşay, Laura Gehlhaar oder Linus Giese zu Wort, die mit jeweils unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Perspektiven neue Wege und Visionen aufzeigen wollen, wie wir gemeinsamen das Patriarchat unlearnen, also verlernen können. Eine Aufforderung an uns alle, sich mit seinen eigenen "blind spots" auseinanderzusetzen, um mehr Freiheit und Gerechtigkeit für alle zu erlangen!

Erschienen im Ullstein Verlag | 320 Seiten | 22,99 Euro | Mehr Info

Silke Stamm: "Hohe Berge"

Allein unter Fremden: In Silke Stamms Debütroman "Hohe Berge" begibt sich die Protagonistin auf eine aufregende Expedition. Gemeinsam mit fünf fremden Männern will sie die Schweizer Alpen mit Skiern durchqueren. Kann das gut gehen? Wie bringt man völlig Fremden genug Vertrauen entgegen? Wie schafft man es, die Kontrolle auch mal abzugeben? Und wie geht man mit den Erwartungen der anderen an einen um? Eine Lawine bringt erneut Aufruhr in die zarte Gruppendynamik. Silke Stamm erzählt eine wunderbare Geschichte über das Miteinander unter erschwerten Bedingungen.

Erschienen im Berlin Verlag | 160 Seiten | 22 Euro | Mehr Info

© Berlin Verlag | © Aufbau Verlag

Édouard Louis: "Anleitung ein anderer zu werden"

Édouard Louis ist ein Ausnahmetalent. Das hat er bereits mit seinem Debüt "Das Ende von Eddy" bewiesen und tut es erneut mit seinem autobiographischen Werk "Anleitung ein anderer zu werden". Mitreißend erzählt er von einer Kindheit in schwerster Armut, von der Scham über die eigene Herkunft und dem Willen, so viele Leben zu leben wie möglich. Als er vom Dorf in das große, verheißungsvolle Paris zieht, macht er sich frei von seiner Herkunft, ändert sogar seinen Namen und stürzt sich in alles, was es im Leben zu entdecken gibt. Er erfindet sich neu und stolpert dabei immer wieder über dieselben Fragen: Wie schließe ich Freundschaften? Was kann ich alles hinter mir lassen? Und wie schaffe ich es, mein Selbst komplett zu verändern, um endlich zu mir zu finden? Ein packendes Buch, das sich bereits in den ersten Seiten nach völliger Hingabe und Selbstaufgabe des Autors liest und das so wunderbar geschrieben ist, dass man es nicht mehr weglegen kann.

Erschienen im Aufbau Verlag | 272 Seiten | 24 Euro | Mehr Info

Leïla Slimani: "Schaut, wie wir tanzen"

"Schaut, wie wir tanzen" spielt im Sommer 1968: Während in Paris die Studierenden auf die Straßen gehen, um für gesellschaftliche Veränderung zu kämpfen, zieht es Aïcha Belhaj nach vier Jahren Medizinstudium in Straßburg zurück in ihre Heimat Marokko. Statt Studierenden-Revolte erwartet sie hier allerdings keine Veränderung. In ihrer Heimat werden nach wir vor Männer Ärzte, nicht Frauen Ärztinnen. Hier regiert ein autoritärer König, der die Rolle der Frau in der Gesellschaft nicht verändern möchte. Während die Farm ihres Vaters sehr gut läuft, hat sich ihr Bruder einer Kommune angeschlossen und lebt im Drogenrausch – und  Aïcha? Sie lernt in Casablanca einen jungen Mann kennen, den alle nur "Karl Marx" nennen und der das Land revolutionieren möchte. Kann sich Aïcha mit ihm ihren Traum vom unabhängigen Leben verwirklichen?

Erschienen im Luchterhand Verlag | 384 Seiten | 22 Euro | Mehr Info

© Luchterhand Verlag | © Piper Verlag

Matze Hielscher: "Die Akademie meines Lebens"

Ooops, he did it again. Unser Mitbegründer Matze Hielscher liefert mit "Die Akademie meines Lebens" die Fortsetzung zu seinem 2020 erschienenen Bestseller "Die Schule meines Lebens". Basierend auf den Gesprächen in seinem Podcast "Hotel Matze", sammelt er in diesem Buch spannende Erkenntnisse, interessante Eindrücke und mitunter streitbare Haltungen. Matze nimmt euch mit auf eine kleine Reise, auf der ihr unter anderem Ferdinand von Schirach, Maja Göpel, Claudia Roth, Felix Lobrecht und Benedict Wells trefft. Es sind Begegnungen mit dem Tod, der Natur, dem Glauben, der Liebe und der Kunst.

Erschienen im Piper Verlag | 320 Seiten | 18 Euro | Mehr Info

Cho Nam-Joo: "Miss Kim weiß Bescheid"

Üblicherweise werden Biographien über berühmte Persönlichkeiten von öffentlichem Interesse geschrieben. Cho Nam-Joo wiederum vereint in ihrem neuen Buch "Miss Kim weiß Bescheid" die Biographien von gleich acht Frauen zwischen zehn und 80 Jahren, anhand derer jeweils ein Problemthema des gesellschaftlichen Lebens in Korea behandelt werden. Es geht um das heimliche Filmen von Frauen in der Öffentlichkeit, Hatespeech, Cybermobbing, häusliche Gewalt, Gaslighting, die weibliche Identität im Alter und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Dabei lässt die Autorin auch ihre eigenen Erlebnisse mit einfließen und beleuchtet die Licht- und Schattenseiten des Erfolgs. Ein packendes Werk, das offen auf die Missstände in Korea hinweist und gleichzeitig schmerzlich aufzeigt, dass jene leider nicht so weit weg von unserer Gesellschaft sind, wie wir uns wünschen würden.

Erscheint am 06.10.2022 im KiWi Verlag | 304 Seiten | 22 Euro | Mehr Info

© KiWi Verlag | © Diana Verlag

Chloë Ashby: "Das Leben in Nuancen"

Zwischen Kunst, Trauer und dem eigenen Selbst: Eve, die Hauptprotagonistin in "Das Leben in Nuancen" ist Mitte 20 und lebt ihr Leben mehr schlecht als recht. Sie hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und seit dem Tod ihrer besten Freundin kann sie nicht einmal mehr das. Statt sich mit ihrer Trauer auseinanderzusetzen, geht sie zu allen – sogar zu ihrem Freund – auf Distanz, lässt niemanden an sich heran und verliert dann auch noch ihren Job und gleich darauf ihre Wohnung. Spontan beginnt sie als Aktmodell für die Kunsthochschule zu arbeiten, entblößt sich vor Fremden und verbirgt weiterhin ihre innere Zerrissenheit und Trauer. Doch kurz bevor ihr gesamtes Leben außer Kontrolle gerät, stellt sie sich dennoch ihren Ängsten, setzt sich mit dem Tod ihrer Freundin Grace auseinander und versucht, endlich wieder zu sich selbst zu finden.

Erscheint am 02.11.2022 im Diana Verlag | 384 Seiten | 22 Euro | Mehr Info

Nick Cave, Sean O'Hagan: "Glaube, Hoffnung und Gemetzel"

Nick Cave darf man zweifelsfrei als lebende Legende bezeichnen. Und wenn man dem Ausspruch Glauben schenken mag, dass brillante Künstler*innen sehr viel Leid ertragen haben, dann ist Nick Cave mit dem schmerzlichen Verlust seiner beiden Söhne der lebende Beweis dafür. In über 40 Stunden Gespräch bearbeiten Nick Cave und Sean O'Hagan die großen Themen: Hoffnung, Kunst, Musik, Freiheit, Trauer und Liebe. Sie wandeln gemeinsam auf den Spuren von Nick Caves Kindheit, versuchen das Innerste des Ausnahmemusikers an die Oberfläche zu bringen und schaffen damit ein tiefgründiges und sehr bewegendes Buch, das auf über 300 Seiten die verschiedenen Facetten des Musikers herausarbeitet. Ein Buch, das so einnehmend ist, dass man sich danach nach einer langen Umarmung sehnt.

Erscheint am 03.11.2022 im KiWi Verlag | 336 Seiten | 26 Euro | Mehr Info

© KiWi Verlag

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