ABENDBROT MIT AIDA #18 – Föllerei in Neukölln
Was ist passiert? Ich bin schon wieder in Neukölln gelandet? Man kann meckern über den Bezirk soviel man will, aber eins ist und bleibt wohl wahr: Hier passiert am meisten. Das fand auch Christiane Föll so und eröffnete ihre Föllerei, einem Hort gehobener deutsch-französische Küche. Als Badenserin war ihr diese kulinarische Völkerverständigung schon immer nahe, und nach Jahren in der Gastronomie war die Eröffnung eines eigenen Ladens wohl einfach der nächste logische Schritt.
Riesige Fotografien von ungarischen Jägern zieren die Rückwand des Ladens, davon abgesehen lenkt fast nichts das Auge ab. Das ist clean und modern – wirkt aber an einem leeren Montagabend, der noch dazu der erste warme Abend ist und alle sich lieber nach draußen setzen, etwas karg. Aber das sei dahingestellt – mir geht es ums Essen. Ich bin hungrig und kann kaum noch denken. Dass die Reservierung nicht auf Stück Papier, sondern liebevoll auf einen Teller geschrieben wurde, registriere ich nur am Rande. Ich will wissen, was ich essen kann! Die Karte wird jeden Tag neu von Hand geschrieben, saisonal, regional und bio werden hier ganz groß geschrieben. Aber so richtig GROSS. Das Fleisch ist bio, kommt von Brandenburger Bauern und Metzgern, das Gemüse wird, wann immer möglich, aus der Region gekauft, im Idealfall auch in Bio-Qualität. Das gefällt mir, aber ich kann mich kaum darauf konzentrieren, mein laut meckernder Magen hat mich im Griff.
Der äußerst leckere Gruß aus der Küche hilft ein bisschen weiter: Ein paar fein angemachte Würfel Rote Beete und ein Shot mit Brokkolicrème, garniert mit schwarzer Olive und Tomate. So etwas mag ich ja, da weiß man gleich, in welche Richtung es in einem Restaurant geht. Und was hier passiert, gefällt mir auf jeden Fall gut. Auch das Brot, das hinterherkommt, ist hausgemacht und begeistert mich. Mein Körper dürstet jetzt erst recht nach etwas ordentlichem, etwas deftigem... und tatsächlich, meine Gebete wurden erhört! Auf der Tageskarte lachen mich handgemachte Bratwürste aus Lamm und Rind an, mit Sauerkraut und Ofenkartoffeln. So simpel und doch so ungewöhnlich: Der Klassiker schmeckt hier natürlich völlig anders als mittags in der Volksbühnenkantine. Ich möchte mich in das fluffige Sauerkrautbett hineinlegen, entscheide mich aber doch für's restlose Verputzen. Fotografin Birte bestellte einen Rotbarsch, der auf Drillingskartoffeln gebettet und von Salicornes umkränzt war. Oh, die wollte ich immer schon mal probieren! Neuer Punkt auf meiner imaginären To Do-Liste: Mich nur noch von Salicornes ernähren. Gesundes, das auch noch gut schmeckt, wow. Das leckere Meeresgemüse (bzw. Strandgemüse) sorgt in Kombination mit dem Fisch und den Kartoffeln für den nötigen Schuss Exotik, der aus einem guten Gericht ein besonderes macht.
Das ist sowieso die Spezialität von Koch Leo, der perfekt zum Profil der Föllerei passt, da auch er französische Einflüsse mitgebracht hat. «Ich habe gebetet, dass ich ihn finde!», sagt Frau Föll und grinst. Als ich meinen Löffel in den warmen Rhababercrumble stoße und das Portiönchen mit etwas Vanilleeis kröne, weiß ich genau, was sie meint. Ein feiner Ort, die Föllerei. Übrigens auch für Wein- und Bierfans: Die Weinkarte führt eine Auswahl von schicken Weinen aus Süddeutschland und Frankreich, das Bier wurde eigens für die Föllerei gebraut. Wer von Asiapfanne und Schawarmateller, von Sushiröllchen und Viet Bowl die Nase voll hat, ist hier gut aufgehoben.
Mir beim Essen Gesellschaft geleistet und die Teller fotografisch in Szene gesetzt hat diesmal Birte Filmer. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Kind auf dem Spielplatz sitzt oder mit mir zu Abend isst, macht sie Fotos von Menschen, hauptberuflich.