Keine neuen Radwege für Berlin: Bye Verkehrswende!

© Maraike Rosanski

"Keine neuen Radwege für Berlin" – diese Nachricht klingt nach einem (unlustigen) Scherz. Turns out: Es ist kein Scherz. Well done, Manja Schreiner! Sich direkt nach Amtsantritt mit provokanten Schlagzeilen wie diesen zu behaupten, schafft wirklich nicht jede*r. Dass wir das Jahr 2023 schreiben, Autos heutzutage nicht mehr das bevorzugte Verkehrsmittel sein sollten und Radfahren, sagen wir mal, ziemlich nice fürs Klima ist, stand wohl nicht auf ihrer Wahlagenda. Macht ja nichts Frau Schreiner, ihre Pläne sind bestimmt trotzdem zukunftsorientiert und sinnvoll, oder?

Der Klimawandel steht nicht zur Diskussion

"Ein funktionierender Verkehrsmix für alle Berliner und Berlinerinnen", so schreibt die 45-jährige Politikerin in einer Mail an die Bezirksämter, sei das Ziel. Klingt zunächst sinnvoll, schaut man aber genauer hin und verfolgt die aktuellen Nachrichten, offenbart sich eine Zukunftsvision der Mobilität in Berlin, die uns und das Klima um mindestens 20 Jahre zurückwirft. Schon vor Amtsantritt machte die CDU deutlich, dass sie keine Politik gegen Autos fahren werde. Die Mail aus der Verwaltung, die vergangene Woche allen Bezirksämtern in Berlin zukam, schlug trotzdem ein wie eine Bombe. Die Senatsverkehrsverwaltung ordnete darin die "vorübergehende Aussetzung der Umsetzung von angeordneten Projekten" an, wenn sie "den Wegfall von Parkplätzen zur Folge haben".

Übersetzt heißt das: Keine neuen Radwege für Berlin, sobald ein Parkplatz davon betroffen ist. Oder: Parkplätze vor Radwegen. Autofahrer*innen vor Radfahrer*innen. CO2-Belastung vor Klimaschutz. Über viele Themen lässt sich bekanntlich streiten, über den Klimawandel und die Schädlichkeit von Verbrennungsmotoren in der Stadt aber nicht. Ebenso wenig wie über die Zahl an verletzten und getöteten Radfahrer*innen in Berlin.

Im Verkehr sind Menschen auf Drahteseln gegen Blechtrommeln auf Rädern nun mal die Schwächeren, die es zu schützen gilt.

Im Jahr 2022 sind im Berliner Straßenverkehr 7.450 Radfahrer*innen verunglückt, 10 Menschen starben sogar infolgedessen. Im Verkehr sind Menschen auf Drahteseln gegen Blechtrommeln auf Rädern nun mal die Schwächeren, die es zu schützen gilt. Zum Beispiel mithilfe gut ausgebauter Radwege, verkehrsberuhigten Zonen oder Fahrradstraßen.

© Annik Walter

Die Verkehrssenatorin hat aber offenbar andere Pläne und lässt unterdessen sogar bereits bestehende Radverkehrsanlagen aufheben. In der Ollenhauerstraße in Reinickendorf wurde eine Markierung für einen neuen Radstreifen mit gelben Folien überklebt und für ungültig erklärt. Die CDU stellt scheinbar nicht nur Radwege infrage und lässt diese neu prüfen, nein sie baut sie sogar ab. Zu ihrem Wort steht Frau Schreiner also schonmal.

Mehr Platz für wenige Autos

Unter anderem steht sie auch dazu, dass sie "neue Maßstäbe an die Straßenaufteilung setze". Also (noch) mehr Platz für Autos, weil Fahrradstreifen auf Straßen einfach zu viel Raum einnehmen. Neue Maßstäbe sollte die CDU vielleicht mal in Sachen Klimapolitik aufstellen, denn im europaweiten Vergleich steht Berlin ziemlich schlecht da. Nebenei ist die Diskussionen um Fahrradwege und Straßen (wir erinnern uns an die beliebte Friedrichstraße) mittlerweile nur noch peinlich.

Schaut man nach Helsinki, in dem eine 1.300 Kilometer lange Radinfrastruktur vorhanden ist, nach Amsterdam, wo bis 2025 insgesamt 11.000 Parkplätze für Autos unter anderem in Rad-Stehplätze umgewandelt werden sollen oder in Großstädte wie Paris, die mit autofreien Tagen und dem steten Ausbau von Radwegen die Stadt möglichst klimafreundlich gestalten möchten, können Berliner Radfahrer*innen nur noch den Autoschlüssel in die Hand nehmen. Dabei besitzen gar nicht mal so viele Berliner*innen ein eigenes Auto. 2022 waren nur 1.241.793 Pkws in Berlin registriert. Im bundesweiten Vergleich liegt Berlin damit übrigens ziemlich weit hinten.

Excuse me, wir haben 2023

Für mich sieht ein funktionierender Verkehrsmix für alle Berliner*innen nicht vor, dass mehr Platz für Autos geschaffen wird, sondern Radwege ausgebaut werden, mehr Sicherheit für Fahrradfahrer*innen geschaffen wird und wir in Zukunft möglichst wenige Autos im Stadtverkehr brauchen. Mit dieser durchaus provokanten Aussage meinerseits stehe ich übrigens nicht alleine da: 2021 unterschrieben 50.000 Berliner*innen den Volksentscheid "Berlin autofrei".

Dass Autos schlecht für die Umwelt sind, die Luftverschmutzung in Städten maßgeblich beeinflussen und nicht das Verkehrsmittel der Zukunft sind, sollten eigentlich alle begriffen haben. Die CDU hat den Hinweis wohl noch nicht erhalten. Excuse me Frau Schreiner, wir haben aber 2023 und sollten uns in Sachen Mobilität in Richtung Klimaschutz bewegen. Am besten natürlich mit dem Rad.

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