11 Führungen durch Berlin, die auch für Hauptstädter*innen interessant sind
"Sightseeing ist was für Touris." Als gebürtige Berliner*innen oder überzeugte Wahl-Berliner*innen fühlen wir uns gern denjenigen überlegen, die sich hier nicht auskennen und uns dauernd im Weg stehen, weil sie einen Blick auf den Stadtplan werfen müssen. Dabei vergessen wir oft, dass es auch abseits von Doppeldeckerbussen, Bierbikes und Ausflugsdampfern Wege gibt, die Stadt zu entdecken. Wir meinen diese Stadt zu kennen, doch wissen wir längst nicht alles über sie. Und manchmal erscheint uns schon alles außerhalb unseres gewohnten Kiezes wie eine völlig andere Welt. Eine Welt, die es zu entdecken und erforschen gilt. Hier sind 11 Vorschläge, wie ihr euren Horizont erweitern und die Stadt aus einer ganz neuen Perspektive sehen könnt.
1 Führung im Flughafen Tempelhof
Im Sommer hängen wir auf dem Tempelhofer Feld ab, im Herbst joggen wir drüber oder lassen auf der ehemaligen Landebahn einen Drachen steigen – aber wart ihr auch schon mal im Gebäude des ehemaligen Flughafens? Im Flughafen Tempelhof werden mehrmals die Woche zwei verschiedene Führungen angeboten: Bei der Tour "Mythos Tempelhof" könnt ihr die Geschichte des Flughafens zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Symbol der Freiheit während der deutschen Teilung kennenlernen. Die zweistündige Führung begleitet euch einmal kreuz und quer durch die Geschichte des Ortes, von der Bauzeit bis hin zur Schließung im Jahr 2008. Und wem das noch nicht reicht, der*die kann sich bei der zweiten Tour namens "Verborgene Orte" auch noch ein paar spannende, versteckte Orte des Flughafens zeigen lassen.
2 Sex in Berlin historisch entdecken mit AR
Berlin ist sexy und das war auch schon früher so. Bei dieser Tour dreht sich alles um die schönste Nebensache der Welt in der Hauptstadt. Hier erfahrt ihr unter anderem von Sexworker*innen und Drag-Kultur in den Wilden 20ern, Fetisch-Clubs, dem ersten Institut für Sexualwissenschaften und wie es der LGBTQIA-Community während des Dritten Reichs erging. Das Besondere: Mithilfe von Augmented Reality-Elementen auf dem iPad des Guides könnt ihr direkt in die Geschichte eintauchen.
3 Hinter die Kulissen des Krematoriums im silent green schauen
Das silent green im Wedding ist heute als Kulturstätte bekannt, wo Konzerte, Filmfestivals und Lesungen stattfinden. Doch das denkmalgeschützte Gebäude wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als erstes Krematorium der Stadt erbaut. Bei einer historischen Führung erfahrt ihr nicht nur, wie die ehemalige Einäscherungsanlage zum Mekka für Künstler*innen wurde, sondern könnt auch hinter des sonst verborgenen Kulissen des Krematoriums blicken und dabei mehr über Bestattungskultur im Wandel der Zeit lernen. Danach habt ihr euch Kaffee und Kuchen im anliegenden MARS redlich verdient.
4 Führung durchs ARD-Hauptstadtstudio
Mitten in Berlin entstehen an 365 Tagen im Jahr Beiträge, Kommentare, Interviews und Sendungen für das Erste, die Dritten und insgesamt mehr als 50 ARD-Hörfunkwellen. Ihr könnt euch das ARD-Hauptstadtstudio während einer Führung von innen anschauen und am Ende gibt’s sogar ein Erinnerungsfoto. Die Teilnahme an einer Studioführung ist kostenfrei, jedoch nur nach vorheriger Anmeldung möglich.
5 Jüdisches Leben in Berlin damals und heute
Der historische Stadtteil Spandauer Vorstadt im heutigen Mitte wurde mit Beginn des 18. Jahrhunderts zum jüdischen Zentrum Berlins. Bei der Führung "Wege in das jüdische Leben" von stattreisen Berlin begebt ihr euch auf dem jüdischen Friedhof und dem Standort der ersten Synagoge auf Spurensuche. Außerdem erfahrt ihr, wie auch heute noch im Viertel an die Traditionen von einst angeknüpft wird.
6 Die Straße als Zuhause: Führung aus Perspektive von obdachlosen Menschen
Das Leben auf Berlins Straßen kann verdammt hart sein. Vor allem für all diejenigen, die kein eigenes Zuhause haben, in das sie abends zurückkehren können. Im Rahmen der Querstadtein-Touren führen ehemalige obdachlose Menschen durch Berlin – zum Beispiel bei der Tour "Obdachlos auf schicken Straßen". Die Stadtführer*innen zeigen, wie es ist, zwischen Touristenattraktionen und Shopping-Tempeln in einem wohlhabenden Stadtteil wie Charlottenburg am untersten Rand der Gesellschaft zu überleben und welche Erfahrungen sie dabei für immer geprägt haben. Ein beeindruckender und lehrreicher Einblick in ein Leben, das sich tagtäglich vor unserer Nase abspielt.
7 Historischer Spaziergang durch das Afrikanische Viertel mit "Dekoloniale Stadtführung"
Unter dem Motto "Walk the past, change the future" bietet das junge Team von "Dekoloniale Stadtführung" historische Führungen im Humboldt Forum sowie im Afrikanischen Viertel an. Beim Spaziergang durch die Kameruner Straße, über den Manga-Bell-Platz und Co. bekommt ihr einen Einblick in das viel zu wenig beleuchtete Kapitel der Deutschen Kolonialgeschichte und was es mit der Berliner Afrika-Konferenz von 1884 auf sich hat.
8 Auf Street Art-Tour durch Berlins Graffiti-Dschungel
Street Art ist schon so sehr Teil von Berlins Architektur, dass man sie schon fast wieder übersieht. Dabei erzählen die Tags, Murals, Stencils und Graffiti ihre ganz eigene Geschichte. Mit den geschulten Augen von Street Artists als Guides lauft ihr durch den urbanen Dschungel von Friedrichshain und Kreuzberg, lernt über die Bedeutung der teils kurzlebigen Kunstwerke und was sie uns sagen wollen. Sollte auf die Bucketlist von allen Berliner*innen!
9 Hinter den Vorhang blicken in der Komischen Oper
Wer nicht selber auf der Bühne steht oder als Techniker*in, Beleuchter*in oder Requisiteur*in am Theater arbeitet, dem*der bleibt der Blick hinter die Kulissen meist verwehrt. Dabei geht es hinter der Bühne mindestens genauso aufregend zu. Bei den Führungen durch die Komische Oper dürfen Besucher*innen endlich das verborgene Reich hinter dem Zuschauer*innenraum betreten und erfahren, wer hinter den Kulissen die Strippen zieht: Es gibt verschiedene Führungen mit Schwerpunkten auf u.a. Bühnenbild, Maske, Kostüm oder Requisite. Cool!
10 Eine Führung in der Gedenkstätte Hohenschönhausen machen
Es ist durchaus beklemmend, einen Nachmittag in den düsteren Zellen eines ehemaligen Stasi-Gefängnisses zu verbringen, aber ein Besuch der Gedenkstätte Hohenschönhausen lohnt sich trotzdem. Die Rundgänge werden entweder von Historiker*innen oder Zeitzeug*innen und ehemals Inhaftierten übernommen, die jenseits der geschichtlichen Fakten auch von persönlichen Erlebnissen erzählen. Nach einer zweistündigen Führung durch eines der dunkelsten Kapitel der DDR-Geschichte ist man enorm dankbar, danach wieder raus in die Freiheit zu dürfen.
11 An einer Führung zur Berliner Protestgeschichte teilnehmen
Demonstrieren hat in Berlin lange Tradition. Neben dem wohl prominentesten Beispiel des Mauerfalls, bei dem tausende Berliner*innen durch die Straßen zogen, lohnt es sich, der Berliner Protestgeschichte eine eigene Stadtführung zu widmen. Der Stadtspaziergang beginnt am Potsdamer Platz (Stichwort Berliner Mauer) und erzählt von der Protestgeschichte der letzten 170 Jahre, von Wahlrechtsspaziergängen über die Friedensbewegung bis zur heutigen Zeit.