Berlin hakt nach: Was steckt hinter dem Hausnummern-Chaos?

© Felix Kayser

In Berlin läuft ja vieles ein bisschen anders. So auch die gefühlt in Schnapslaune entstandene Hausnummerierung, die fröhlich kreuz und quer verläuft und keiner Logik zu folgen scheint. Wehe dem*der, der*die auf der Suche nach der Hausnummer 100 ewig eine Straße entlang geirrt ist, nur um für die gewünschte Adresse fluchend wieder zurück zum Anfang laufen zu müssen. Und da hat das Drama mit Hinterhaus/Vorderhaus/Remise noch gar nicht begonnen.

Bei den Hausnummern herrscht ein Chaos wie vor der Erschaffung der Welt.
Mark Twain

Das Zahlendurcheinander sorgte schon 1892 beim US-amerikanischen Schriftsteller und Berlin-Touristen Mark Twain für reichlich Frustration: "Bei den Hausnummern herrscht ein Chaos wie vor der Erschaffung der Welt. Zuerst denkt man, dies sei die Tat eines Blödsinnigen; allein, so mannigfaltige Arten, Verwirrung und Unheil anzurichten, wäre ein Blödsinniger nicht imstande, sich auszudenken." I feel you, bro. Und der arme Kerl hatte nicht mal Google Maps.

Tatsache ist: Hinter dem Chaos steckt System. Es sind nur eben zwei komplett verschiedene Systeme, die mehr oder weniger friedlich koexistieren. Zeit, einmal nachzuhaken!

Das Hufeisen-Prinzip

1799 wurden in Berlin erstmals Hausnummern eingeführt, um die Postzustellung und Steuererhebung zu erleichtern. Dafür orientierte sich die damalige preußische Hauptstadt an Paris, wo nach der Französischen Revolution erstmals Häuser nummeriert wurden. Bei dem angewendeten Hufeisen-Prinzip beginnt man mit der Hausnummer 1 und zählt auf der einen Straßenseite hoch. Dann dreht man irgendwann um und lässt auf der gegenüberliegenden Seite die Nummerierung fortlaufen. Auf diese Weise befindet sich die Hausnummer 1 direkt gegenüber von der höchsten Hausnummer der Straße. Diese Hufeisen-Variante entdeckt man zum Beispiel noch in Charlottenburg, Mitte und Kreuzberg.

Haus außen Strelitzer Straße
© Tinanya Mendy

Das Problem an dem preußischen Prinzip: Ist die Straße einmal durchnummeriert, kann man sie nicht mehr einfach verlängern und Gebäude anfügen, ohne die bereits vergebenen Hausnummern zu ändern. Schon damals ein ziemlicher Nachteil für eine Stadt, die aufgrund der Industrialisierung massenhaft Zuzug erhält und bald aus allen Nähten platzt.

Das Zickzack-Prinzip

Inspiration kommt auch diesmal wieder aus Frankreich: Dort ist man inzwischen schon längst auf das Zickzack-Prinzip umgestiegen. Dabei befinden sich auf der einen Straßenseite die ungeraden Hausnummern, auf der anderen Seite die geraden. Auf diese Weise lassen sich Straßen auch beliebig ausbauen, indem man einfach die Nummerierung fortführt.

Petersburger Straße, Graffitti
© Tinanya Mendy

Das rasant anwachsende Umland mit Gemeinden wie Zehlendorf und Schöneberg bedient sich liebend gern am neuen praktischen System, das 1927 schließlich zum Standard erklärt wird. Aus Kostengründen (ja, es hat sich wenig geändert) verzichtet man darauf, den historischen Stadtkern mit seinem Hufeisen-Prinzip in das neue Zickzack-Zeitalter zu bringen.

Ein wahres Zahlendurcheinander

Die Nationalsozialisten unternehmen in den 1930ern noch einen müden Versuch, Berlin-Mitte nach dem neuen Nummerierungsmodell umzugestalten. Sie kommen allerdings nur bis Unter den Linden. Die Verkehrsachse kreuzt heute wiederum mit der Friedrichstraße, die aber immer noch nach dem Hufeisen-Prinzip nummeriert ist. Und auch der A-Promi unter den Berliner Straßen, der Ku'damm (der übrigens erst mit der Hausnummer 11 beginnt), glänzt als Hufeisen. Die benachbarte Budapester Straße springt jedoch rasant im Zickzack-Kurs zwischen den Hausnummern hin und her.

Wir fassen zusammen: Hinter dem Nummerndurcheinander auf Berliner Straßen stecken zwei munter gemixte Maßnahmen, die zumindest einzeln wieder Sinn ergeben. Wenn ihr also das nächste Mal wieder jemanden verzweifelt durch das Berliner Straßenlabyrinth irren seht, könnt ihr als erstes mit diesem Fun Fact schlaumeiern. Und dann vielleicht doch noch den richtigen Weg zeigen.

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