Berlin hakt nach: Was ist die "Rache des Papstes"?

© Charlott Tornow / © Tinanya Mendy

Der Fernsehturm am Alexanderplatz ist mit das berühmteste Wahrzeichen Berlins. Dank fehlendem Berliner Bergpanorama lässt sich seine Spitze kilometerweit übers Flachland erspähen. Jede*r von uns ist schon zigmal an dem 365 Meter hohen Turm vorbeigelaufen und schenkt ihm vermutlich schon gar keine große Beachtung mehr. Aber habt ihr mal darauf geachtet, was passiert, wenn die Sonne direkt auf die Turmkugel strahlt?

Dann entsteht nämlich eine Reflexion, die wie ein Kreuz aussieht. Die glitzernde Spiegelung ist heute vor allem ein schönes Insta-Motiv. Doch vor ein paar Jahrzehnten sorgte die zehn mal zehn Meter große Kreuzreflexion für reichlich Tumult – und bekam den schillernden Spitznamen "Rache des Papstes".

Fernsehturm, Rache des Papstes
© Tinanya Mendy / © Charlott Tornow

Aber ganz von vorn. Eingeweiht wurde der Fernsehturm am 3. Oktober 1969 und diente als Sendeanlage für das DDR-Fernsehen sowie als sozialistisches Prestigeobjekt. Hätte die Turmkugel eine glatte Oberfläche, wäre die Sonnenspiegelung ganz einfach kreisrund. Allerdings ist die Kugelfassade mit über 1.000 pyramidenförmigen Stahlausbuchtungen bestückt, um die Angriffsfläche für Wind und die damit verbundenen Schwankungen zu mindern. So wird das Licht auch zu den Betrachtenden hingespiegelt und bekommt die Form eines Kreuzes.

Das schimmernde Kreuz stimmt in seinen Proportionen zwar nicht ganz überein mit dem christlichen Glaubenssymbol, aber doch genug, um nach der Einweihung des Turms 1969 seine Spitznamen wegzubekommen: "Sankt Walter" nach dem damaligen DDR-Staatsoberhaupt Walter Ulbricht oder eben die "Rache des Papstes". Das war definitiv nicht geplant von der SED-Führung, zu deren politischen Grundpfeilern auch die atheistische Ausrichtung der DDR-Gesellschaft gehörte.

Unliebsame Spiegelung

Die Stasi setzte eine Untersuchung des Phänomens an – und wie man es möglichst heimlich wieder loswerden könne. Im Ergebnisbericht hieß es: "Die entsprechenden praktischen Maßnahmen [zur Beseitigung] könnten gemeinsam mit der Reinigung der Kugel erfolgen, so daß eine Bevölkerungsdiskussion weitgehend ausgeschlossen werden könnte". Doch keiner der "Lösungsansätze", wie das Abschleifen der Kugel oder das Überziehen mit dunklem Kunststoff, konnte sich durchsetzen. Und so erstrahlte das Kreuz weiterhin ungehindert in vollem Glanz.

Sogar der damalige US-Präsident Ronald Reagan nahm in seiner Rede am 12. Juni 1987 am Brandenburger Tor, in der auch die berühmte Zeile "Tear Down This Wall!" fiel, Bezug auf das Kreuzphänomen am Fernsehturm: "Die Autoritäten versuchten die aus ihrer Sicht große Schwachstelle des Turms zu korrigieren. Und dennoch, wenn heute die Sonne auf jene Kugel fällt – die Kugel, die über ganz Berlin ragt –, dann zeichnet das Licht das Zeichen des Kreuzes. Dort in Berlin können Symbole der Liebe und des Glaubens genauso wie die Stadt selbst nicht unterdrückt werden."

Berühmter Zufall

Für einen unbeabsichtigten Zufall hat die Reflexion also doch ganz schön viel Berühmtheit erlangt. Auch wenn heute nicht mehr so viele Menschen in Berlin den Namen kennen wie früher: An Tagen, wo die Sonne nicht von grauen Wolken verdeckt wird, könnt ihr immer noch die "Rache des Papstes" vom Alexanderplatz aus blitzen sehen. Definitiv ein weiterer USP für den Fernsehturm – nicht, dass der "Telespargel" den noch gebraucht hätte.

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