Schleppen oder schleppen lassen: Wieso ich gern für meinen Umzug zahle

© Wiebke Jann

Das gemeine Leben ist in vielerlei Hinsicht in drei Abschnitte unterteilt. Kindheit, Erwachsenenalter, Rente. Apfelschorle, Wodka Bull, Merlot. Kinderwagen, Fahrrad, Rollator. Kein Kater, Ein-Tages-Kater, Zwei-Tages-Kater. Bei Letzterem bin ich inzwischen angekommen, zu meinem großen Unverständnis. Während ich immer dachte, der Zwei-Tages-Kater ist etwas für Menschen jenseits der 30, stellt sich raus, dass jede*r wohl nur eine bestimmte Anzahl an Räuschen hat, bevor der Kater zwei Tage lang dauert. So wie jeder Mensch auch nur eine bestimmte Anzahl an Umzügen macht, bevor er die Möbelpacker*innen ruft. Hab' ich letztens endlich getan und jetzt gibt es – leider ähnlich zum Zwei-Tages-Kater – wohl kein Zurück mehr.

Wie bei den meisten neuen Lebensabschnitten, bringt auch der ausgelagerte Umzug neue Erkenntnisse mit sich. Beispielsweise hat Größe mit Stärke mal so gar nichts zu tun. Als die drei mittelalten, mittelgroßen Männer durch unsere Wohnungstür spazierten, habe ich mich gefragt, ob ich das Massivholzregal vielleicht lieber selbst runtertragen soll. Als der erste Umzugshelfer dann mit einer riesigen Pflanze in der Pranke, einem vollen Karton auf der Schulter und seinem Telefon im Anschlag auf der anderen Schulter gemütlich die Treppe hinunterspaziert ist, habe ich mich gefragt, wie ich jemals so vermessen war, einen Umzug selbst zu schmeißen.

Wir sitzen ja nicht mehr mit einem Kasten Bier und Pizza in der leeren Wohnung.

Was heißt überhaupt "selbst"? Die drei Abschnitte des Umziehens lauten: die Eltern, die Freund*innen und dann das Umzugsunternehmen. Und, dass ich jetzt nicht mehr meine Kumpels zum Umziehen abstelle, hat wirklich nur Vorteile. Für alle. Im Studium hatte ja eh niemand was Besseres zu tun, aber inzwischen muss man schon ein Doodle-Master sein, um genügend Menschen auf einen Samstag zu vereinen. Ist das geschafft, kommt die Hälfte so früh, dass man noch nicht wach ist und die andere, wenn man schon in der Kneipe sitzt. Wo ich logischerweise ein paar Runden und ordentlich Essen springen lasse. Wir sitzen ja nicht mehr mit einem Kasten Bier und Pizza in der leeren Wohnung.

© Wiebke Jann

Wenn man aber für die Freund*innen schon einen dreistelligen Betrag ausgibt, dann kann man ihnen und sich selbst diesen Trubel eigentlich gleich sparen und die Profis anrufen. Das sieht Immoscout allerdings anders und vermittelt nur Agenturen mit vierstelligen Basisangeboten. Da lobe ich mir doch die fragwürdige E-Mail-Adresse, die mir von einer Freundin zugeschoben wurde. Die Jungs, die da kommen, kriegen zwar bestimmt keinen guten Stundenlohn, aber das kann man mit großzügigem Trinkgeld mehr als ausgleichen – und der Umzug kostet trotzdem nicht mehr als 500 Euro. Abgerechnet wird natürlich schwarz.

Sie sind jeden Cent wert. Welch Koordination, welch System, welche Schnelligkeit, einfach ein Wahnsinn. Wahnsinnig wird man allerdings auch, wenn man den drei Männern stundenlang dabei zusieht, wie sie sich abrackern. Man selbst hat ja nicht wirklich was zu tun, will aber auch nicht komplett abwesend sein, es könnte ja Auskunft nötig sein. Also steht man rum, taxiert sein Handy, als wäre man der unbeliebte Teenager auf einer coolen Hausparty und ringt innerlich.

Ein Umzug wird immer stressig und anstrengend bleiben, man muss dafür aber nicht seine Freund*innen missbrauchen.

"Ich bezahle diese Menschen. Vielleicht empfänden sie es sogar als Beleidigung, wenn man ihnen was abnimmt. Bullshit, du bist einfach zu faul. Die machen sich eher darüber lustig, dass der dünne, weiße Junge wahrscheinlich noch nie in seinem Leben gearbeitet hat. Aber wenn ich jetzt mithelfe, warum zahle ich dann? Richtig reiche Menschen würden sich wahrscheinlich auch über mich amüsieren."

Also packe ich dann doch mit an, es ging nicht anders, und siehe da, sie nicken mir respektvoll zu und geben mir fast schon rührend vorsichtig nur die leichten Pflanzen und Kartons. Merke: Ich sollte wirklich mal wieder Sport treiben. Ansonsten bleiben eigentlich nur noch zwei Erkenntnisse. Pflanzen überleben deutlich mehr Härte als ich dachte. Und ein Umzug wird immer stressig und anstrengend bleiben, man muss dafür aber nicht seine Freund*innen missbrauchen, sondern sollte lieber Menschen bezahlen, die wissen, was sie tun. Hoffentlich gibt es beim Umziehen noch einen vierten Abschnitt: das Bleiben. Es soll ja Menschen geben, die nicht alle zwei Jahre umziehen.

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