Man muss die Feste feiern, wie sie fallen – nur nicht 2023

© Maxi Wittek

Man kann nicht in der Messe sein und gleichzeitig die Glocken läuten. Auch kann man nicht pusten und Mehl im Mund haben. Oder einen Kuchen behalten und ihn gleichzeitig essen. Diese Sprichwörter aus Spanien, Polen und England finden im Deutschen ihr Pendant in der Eheschließung. "Man kann nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen." Und obwohl wir bis auf Polnisch durchaus mehrsprachig unterwegs sind, haben meine Freundin und ich das dieses Jahr ernsthaft versucht. Acht Hochzeiten, etliche Geburtstage und sonstige Festivitäten – alles in einem Jahr. Hätten wir uns nicht Corona eingefangen, es wäre uns wahrscheinlich sogar gelungen. Nur ist uns dabei etwas anderes verloren gegangen: unser eigenes Privatleben. Das muss sich 2023 ändern!

Los ging es im Januar mit einer Hochzeit in Mexiko. Da muss ich eigentlich direkt intervenieren. Was ist denn mit den Menschen, dass niemand mehr in der Uckermark oder am Tegernsee heiraten will? Stattdessen Guadalajara, Saragossa und Mallorca. Jetzt hatten unsere Freund*innen tatsächlich jeweils gute Gründe und Familie vor Ort, aber ich habe auch erschreckend oft von Kartoffelhochzeiten in der Toskana gehört. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass sich alle Sonnenschein und Meeresrauschen als Trauzeug*innen wünschen. Aber hat jemals ein Paar darüber nachgedacht, dass sie vielleicht nicht die einzige Hochzeit auf der Welt und im Jahr 2022 sind? Welche CO2-Bilanz, welche Urlaubstage und welcher Geldbeutel sollen das denn verkraften?

Drei Jahre komprimiert in einem: 2022 hatte von allen Festivitäten zu viel

Übrigens sind wir damit schon beim Kernproblem. Nein, nicht mein ökologischer Fußabdruck. Der verdient einen eigenen Artikel. Sondern der Grund, warum wohl wirklich niemand so recht einsehen wollte, dass 2022 auch nur 52 Wochen hat. Der Grund, warum wir auf acht Hochzeiten, fünf runden Geburtstagen, drei Babyshowers und ebenso vielen Festivals und Konzerten waren, war ja derselbe. Es haben sich aber nicht alle Pärchen zum gleichen Zeitpunkt kennengelernt, sind nicht alle vor fünfzig Jahren auf die Welt gekommen, haben nicht alle dieses Jahr Kinder bekommen und nicht alle heuer ein neues Album gedroppt. Nein, die Anlässe häufen sich einfach seit drei Jahren an.

Ein Monat mit einer Hochzeit, einem Festival, einer Taufe und einem runden Geburtstag erschien mir 2021 auch wie das höchste der Gefühle. Nach fünf solchen Monaten dieses Jahr muss ich allerdings ein anderes Sprichwort bemühen: Es gibt auch zu viel des Guten. Normalerweise kann ich eine eiskalte Spezi nicht ausschlagen. Hatte ich lange keine mehr, vielleicht sogar zwei, drei. Aber deswegen würde ich mir trotzdem keinen Kasten Zuckerwasser pressen. Um im Spezigleichnis zu bleiben, erst ein furztrockenes, langweiliges, abgestandenes Leitungswasser macht doch die Schorle wieder spritzig.

Noch unschöner als der soziale Stress, die Kosten und der faule Fußabdruck ist übrigens der Zustand, ständig völlig fremdbestimmt zu verreisen. Bestimmt mal wieder ein Pfand meines Privilegs, aber als wir letztens ein Wochenende in Brandenburg verbracht haben, ist es uns aufgefallen. Wir sind das erste Mal dieses Jahr zu zweit weg, wir haben uns das ausgesucht und auch wenn eine Hochzeit auf Mallorca natürlich aufregender ist, erholsamer ist es, keine Einladung zum Rehearsal Dinner zu haben.

Mein Plan für das kommende Jahr also: Alles absagen, bis ich wirklich mal wieder richtige Langeweile empfinde.

Mein Plan für das kommende Jahr also: Alles absagen, bis ich wirklich mal wieder richtige Langeweile empfinde. Erst, wenn ich vor lauter Weiß die Wand nicht mehr sehe, erst dann werde ich zu eurer Festivität kommen. Werde mich casual aufstrapsen und den Trubel genießen. Alles spontan und ohne vorherige Zusage. Es heißt ja eigentlich auch, man muss die Feste feiern, wie sie fallen – nur eben nicht 2023.

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