Erinnerungskultur, Identitätsfindung und Queerness: Das erwartet euch bei den Berlinale Shorts

© RENCai

Berlinale is calling: Es ist schon sehr aufregend, dass die Berlinale dieses Jahr im Sommer und dann auch noch unter freiem Himmel stattfindet. Seit Mitte Mai könnt ihr nun schon das diesjährige Programm einsehen, meine Highlights bei den Langfilmen habe ich euch bereits hier verraten, und ab dem 03. Juni auch endlich Tickets für die Vorstellungen kaufen. Neben Wettbewerb, Panorama, Forum, Encounters und Perspektive Deutsches Kino gibt es aber auch noch eine Sektion, die ihr bei eurer Berlinale-Planung nicht außer Acht lassen solltet: die Berlinale Shorts. Hier seht ihr, wie die Zukunft des Films aussehen kann. Von Zoom-Filmen und künstlerischen Experimentalfilmen über Animationsfilme bis hin zum klassischen Drama oder Dokumentationen ist bei der diesjährigen Auswahl wieder alles dabei – und alles sehenswert.

Gezeigt werden die Kurzfilme immer gebündelt, so könnt ihr euch für eine der vier verschiedenen Compilations entscheiden und seht dann fünf verschieden Kurzfilme. Ihr könnt euch nicht entscheiden, welche der vier Berlinale-Shorts-Gruppen ihr euch ansehen wollt? Kein Problem, denn wir zeigen euch hier unsere Highlights der jeweiligen Gruppen, viel Spaß!

Berlinale Shorts I

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Filmstill: More Happiness | © Livia Huang

More Happiness: "Wenn er dich immer gewinnen lässt, ist die Liebe dann wirklich echt? Oder bildest du dir ein, dass die Liebe echt ist? Kannst du mir beibringen, ein gutes Leben zu führen?". In einem melancholischen Rückblick auf eine verlorene Liebe wird mit ruhigen Bildern und Fragen, deren ehrliche Beantwortung manchmal schmerzt, Liebe und Identität ergründet. Livia Huang nimmt einen mit auf die Suche nach lesbischer Identität und einer Familienidentität innerhalb der Asian American Community – und hinterlässt nach nur 13 Minuten ein melancholisches und sich selbst hinterfragendes Gefühl.

Nanu Tudor (My Uncle Tudor): Wie thematisiert man sexuellen Missbrauch? Vor allem, wenn er innerhalb der eigenen Familie stattfindet? Die Filmemacherin Olga Lucovnicova tritt mit ihrer Familie eine Reise in die unangenehme Vergangenheit an und konfrontiert ihren Onkel Tudor mit ihrem Trauma, das sie durch den von ihm erlittenen sexuellen Missbrauch hat. Was sind verzeihliche und was unverzehiliche Sünden? Begleitet werden die intensiven Interviewsequenzen von intimen Nahaufnahmen eines Sommerhauses, reifer Kirschen, Blüten und Fotografien, die eine unbeschwerte Kindheit suggerieren, die es für die Filmemacherin nie gab.

Berlinale Shorts I:  Freitag, 11.06. um 21.45 Uhr im Freiluftkino Hasenheide | Samstag,  12.06. um 21.45 Uhr im Freiluftkino vom Filmrauschpalast

Berlinale Shorts II

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Filmstill: International Dawn Chorus Day | © Kalil Haddad
Easter Eggs: "Easter Eggs" ist einer der wenigen Animationsfilme der diesjährigen Shorts und gleichzeitig der Kandidat für den European Film Award. In gebrochenen Farben zeichnet Nicolas Keppens mit seinem Film ein melancholisches Porträt einer toxischen Freundschaft. Denn während Jason davon träumt, sich endlich ein Mountainbike kaufen zu können und seinen Traum in greifbarer Nähe sieht – er müsste nur die kürzlich entflogenen Papageien des Chinarestaurants finden und sie verkaufen –, ist sein Freund Kevin von Wut erfüllt.

International Dawn Chorus Day: Das haben wir so zugegebenermaßen noch nicht gesehen. John Greyson lässt in seinem Zoom-Film Vögel aus der ganzen Welt miteinander kommunizieren. In einem Zoom-Call skippen wir von London nach Bayfield und Cairo oder Melbourne. Wir hören verschiedene Vogellaute und lesen die "transkribierte Übersetzung" auf dem Bildschirm. So niedlich das erstmal klingt, ist die Intention des experimentellen Dokumentarfilms alles andere als niedlich, denn es wird das Regime des ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah as-Sisi sowie die Inhaftierung und Folterung ägyptischer Aktivist*innen thematisiert – und aus der Vogelperspektive kritisch beäugt.

Berlinale Shorts II: Dienstag, 15.06. um 21.45 Uhr im Freiluftkino Hasenheide | Mittwoch, 16.06. um 21.45 Uhr im Freiluftkino Pompeji

Berlinale Shorts III

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Filmstill: Les Attendents | © Truong Minh Quý - Le Fresnoy
Xia Wu Guo Qu Le Yi Ban (Day Is Done): Abschiede, egal in welcher Konstellation, haben immer etwas Melancholisches, etwas Aufregendes, etwas sehr Schönes und Trauriges. In seinem Kurzfilm greift Zhan Dalei dieses Thema auf. Eine Familie besucht den Großvater, bevor der Sohn ins ferne Russland zum Studieren geht. Während sie in Fotoalben blättern, Schnaps trinken, ihren Gedanken hinterher hängen und dösen, vergeht der Tag und wir als Zuschauer*innen dürfen stille Beobachter*innen dieses Abschieds sein. Dalei lehnt das Thema seines Kurzfilms an sein autobiographisches Langfilmdebüt "Summer is Gone" an, den er vor einigen Jahren ebenfalls in seiner Heimatstadt Hohhot drehte – mit denselben, inzwischen ebenfalls gealterten, Darsteller*innen.

Les Attendants (The Men Who Wait): Dort, wo einst Bergbauarbeiten stattfanden, leben heute diejenigen, die in der Gesellschaft keinen Platz finden. Und andere nutzen den abgelegenen Ort, um ihrer Liebe nachzugehen, welche ebenfalls keinen Platz in der Gesellschaft zu haben scheint. "Ich glaube, er war auch schwul", sagt einer der Männer, der sich wie andere hier zu anonymem Sex verabreden, über seinen Vater, der dort früher als Bergarbeiter arbeitete. "Les Attendants" thematisiert vor dem Hintergrund der cruising culture im Alter die Fragen nach Zugehörigkeit und welche Rolle dabei Sexualität und Nationalität spielen.

Berlinale Shorts III: Montag, 14.06. um 21.45 Uhr im  Freiluftkino Hasenheide | Dienstag, 15.06. um 21.45 Uhr im  Freiluftkino Pompeji

Berlinale Shorts IV

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Filmstill: Deine Strasse | © Güzin Kar

Deine Strasse: 1931 starben in Solingen bei einem rechtsextremistischen Brandanschlag fünf Menschen. In Gedenken an eines der Opfer wurde eine Straße im trostlosen Bonner Industriegebiet nach ihm benannt. Güzin Kar und Sibylle Berg thematisieren in ihrem siebenminütigen, dokumentarischen Film die deutsche Erinnerungskultur und den Umgang mit rechtem Terror. Wieso wird eine Gedenkstätte rechtsextremistischer Gewalt in das gesellschaftliche Niemandsland verbannt? Ein wichtiger Film, der gerade in dieser Zeit (leider) genau die richtigen Fragen aufwirft und sich gegen das kollektive Vergessen aufbäumt.

Vadim na progulke (Vadim on a Walk): Wir alle wissen schmerzlich genau, wie sich der Lockdown in Deutschland anfühlte. Aber wie sieht das in einem Land wie Russland aus? In seinem Animationsfilm greift Sasha Svirsky nicht nur diese Frage auf, sondern äußert auch offen Kritik am russischen Regime. All das verpackt er in groben Strichen, grellen Farben und einem experimentellen Soundtrack.

Berlinale Shorts IV: Mittwoch, 09.06. um 21.45 Uhr im Freiluftkino Hasenheide | Donnerstag, 10.06. um 21.45 Uhr im Freiluftkino vom Filmrauschpalast

Serien-und Filmvergnügen

11 Filme, die ihr beim Berlinale Summer Special nicht verpassen solltet
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