Systemrelevant: Was fühlen Intensivkrankenschwester Thavinee & Sozialarbeiterin Elke gerade?

© Miguel Bruna | Unsplash

Jetzt, in der Krise, zeigt sich, dass viele Bereiche des öffentlichen sowie sozialen Lebens unverzichtbar sind und dass Menschen, die in sogenannten systemrelevanten Berufsgruppen arbeiten, dringender denn je gebraucht werden. Wenn wir von systemrelevanten Berufen reden, sollten wir aber auch darüber sprechen, dass diese Jobs mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden. Genau genommen machen sie 75 Prozent aller Beschäftigten in diesem Bereich aus. Frauen übernehmen einen Großteil der gesellschaftlichen Care-Arbeit, sie kümmern sich in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kitas, Sozialeinrichtungen und Supermärkten um die Versorgung und Pflege von Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind.

All diese systemrelevanten Berufe erhalten leider nicht das gesellschaftliche Ansehen, das ihnen gebührt, und sie werden oft unterdurchschnittlich bezahlt. Stichpunkt: Gender Pay Gap. Die "Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Unverzichtbarkeit und tatsächlicher Entlohnung", so betont es auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin in einer aktuellen Untersuchung, sei in Krisenzeiten besonders offensichtlich. Wir wollen dazu beitragen, dass diese Frauen nachhaltig und dauerhaft die Sichtbarkeit und gerechte Entlohnung bekommen, die sie verdienen. Wir möchten wissen, wer diese Frauen sind. Wir wollen ihnen zuhören. Wie geht es ihnen gerade? Welche Sorgen treiben sie aktuell um? Und was brauchen und wünschen sie sich für die Zukunft? Hört ihnen zu, denn sie haben einiges zu sagen. 

Wir haben mit 11 Frauen in systemrelevanten Berufen gesprochen und werden euch diese Woche jede von ihnen vorstellen. Im letzten Teil unserer Serie kommen Thavinee  und Elke zu Wort und erzählen, was ihre aktuellen Sorgen und Wünsche für die Zukunft sind. Danke, dass ihr da seid und danke für eure Offenheit!

Thavinee, 29 Jahre alt, Intensivkrankenschwester am UKE

Thavinee, Intensiv-Krankenschwester am UKE in Hamburg
Ich muss mich auf zunehmende Notfälle mit Reanimation und Intubation vorbereiten, was mich manchmal an meine Grenzen bringt.

Wie geht es dir gerade?
Mir geht es soweit gut, allerdings hat sich mein Arbeitsleben durch die Corona-Krise zu einer chaotisch stressigen Routine entwickelt. Momentan habe ich einen sehr hohen Arbeitsaufwand, da die Patient*innen, die ich betreue, instabiler und pflegeaufwendiger sind.

Woran denkst du, wenn du dich auf den Weg zur Arbeit machst?
Wenn ich auf dem Weg zur Arbeit bin, bin ich oft besorgt und hoffe, dass die Schutzmaßnahmen ausreichend waren und ich mich nicht angesteckt habe. Aufgrund meiner asiatischen Wurzeln, habe ich leider schon zu oft die Erfahrung machen müssen, von mehreren Personen abwertend angeschaut zu werden, wobei ich mich ziemlich unwohl gefühlt habe. Auf der anderen Seite denke ich dann, dass mir die Blicke egal sind, da ich als Krankenschwester eine wichtige Aufgabe übernehme. Ich bin stolz auf meinem Job!

Was hat sich jetzt in der Krise verändert und wo liegen derzeit die größten Herausforderungen im Job für dich?
Ich arbeite auf der ICM (Intermediate Care Station). Es gibt immer viel zu tun, viele Aufnahmen aus den OPs oder Langlieger-Patient*innen. Nun, durch die Corona-Krise, fallen für mich noch viel mehr Aufgaben an. Ich muss mich auf zunehmende Notfälle mit Reanimation und Intubation vorbereiten, was mich manchmal an meine Grenzen bringt. Das Wichtigste für mich ist, dass es meinen Patient*innen gut geht und ich sie adäquat versorgen kann.

Was wünschst du dir für die Zukunft in deinem Job?
Ich, als Krankenschwester, wünsche mir, dass wir bessere Arbeitsbedingungen bekommen, nicht nur leere Versprechungen. Wir arbeiten hart! Wir haben sehr oft keine Pause. Viele fragen, warum? Dazu sag ich nur, dass die Patient*innen nicht einfach aufhören, Bedürfnisse zu haben. Es sind Menschenleben, um die es hier geht. Ich wünschte, die Politiker*innen würden sich mal einen Kasack überziehen und mindestens eine Woche auf der Intensivstation arbeiten, um am eigenen Leib zu spüren, dass wir mehr Unterstützung in unserem Beruf benötigen. Die Krise beweist: Wir, die Menschen in der Pflege, sind unverzichtbar!

Elke, 50 Jahre alt, Diplom-Sozialarbeiterin in einem Frauenhaus

© David Marquis | Unsplash
Ich wünsche mir mehr soziale Anerkennung. Einen höheren Verdienst, in dem sich die Verantwortung der Frau in diesem Beruf widerspiegelt.

Wie geht es dir gerade?
Bedrückt, erschöpft und ausgepowert.

Woran denkst du, wenn du dich auf den Weg zur Arbeit machst?
An meine To-do-Liste und daran, dass ich alle meine Klientinnen im Blick haben muss und mir genug Zeit nehmen will für sie. 

Was hat sich jetzt in der Krise verändert und wo liegen derzeit die größten Herausforderungen im Job für dich?
Wir sind immer noch auf der Suche nach einem sinnvollen Arbeitszeitmodell, da wir seit der Krise in zwei komplett von einander getrennten Teams arbeiten müssen, um handlungsfähig zu bleiben, damit bei einem Corona-Vorfall nicht alle gleichzeitig ausfallen. Das ist schwierig umzusetzen und bedeutet eigentlich unnötigerweise ein sehr verdichtetes Arbeiten. Das ist ein ungutes und bedrückendes Gefühl. Parallel dazu gibt es unglaublich viele und umfangreiche tägliche E-Mails mit neuen Informationen, Dienstanweisungen, Empfehlungen etc., die besprochen und umgesetzt werden müssen. 

Welche Sorgen hast du?
Ich mache mir große Sorgen um unsere Mitarbeiterinnen, die trotz verschiedener Risikofaktoren weiterhin zu ihren Diensten kommen. Ich mache mir große Sorgen um Klientinnen, die aufgrund von Alter, Vorerkrankungen und sonstigen Risikofaktoren massiv gefährdet sind. Ich mache mir große Sorgen um unsere Mütter mit Kindern, die auf sehr engem Raum neben der bereits vorhandenen Belastung (Wohnungslosigkeit, vorübergehende Notunterbringung, Leben am und vom Existenzminimum) nun dieser allgemeinen Krisensituation und Ausgangsbeschränkung ausgesetzt sind.

Was wünschst du dir für die Zukunft in deinem Job?
Mehr soziale Anerkennung. Einen höheren Verdienst, in dem sich die Verantwortung der Frau in diesem Beruf widerspiegelt. Ein Arbeitszeitmodell, das das dringende  politische und bürgerschaftliche Engagement möglich macht und die dafür notwendige Energie übrig lässt. Von Seiten des Arbeitgebers mehr Anerkennung und Förderung – gerade des arbeits- und sozialpolitischen Engagements!

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