New Year, Same Me: Warum langweilige Neujahrsvorsätze die besten sind
Endlich mehr Sport machen, mit dem Rauchen aufhören, ein paar Kilo abnehmen, keinen Alkohol mehr trinken, sich ab sofort nur noch super gesund ernähren – die Liste der klassischen "guten Vorsätze" zum Jahresbeginn ist schon ohne Corona-Einschränkungen lang. Manchmal schon vor Silvester, spätestens aber Anfang Januar wird Instagram geflutet von Postings über #newyearnewme-Vorhaben, To-Do-Listen und Ziele, die es im neuen Jahr zu erreichen gilt. Der Drang nach Selbstoptimierung war noch nie so stark wie heute: Wir wollen nicht nur besser aussehen, fitter und gesünder sein, sondern auch schlauer, belesener, produktiver und effizienter werden, und im besten Fall auch noch nachhaltiger leben, Gutes tun und andere mit unserem Dasein bereichern.
Zählt es eigentlich schon als Neujahrsvorsatz, sich gar nichts vorzunehmen?
Zählt es eigentlich schon als Neujahrsvorsatz, sich gar nichts vorzunehmen? Die Gesellschaft scheint sich inzwischen zu spalten in jene, die das neue Jahr mit Saftkur und "Dry January" beginnen, von heute auf morgen zur Veganer*innen werden und sicherheitshalber gleich zwei Fitnessstudio-Mitgliedschaften auf einmal abschließen (um dann selbst in Non-Lockdown-Zeiten kaum hinzugehen), und die anderen, die sich betont zurücklehnen und das gesamte Konzept "Neujahrsvorsätze" für Bullshit erklären. Klar, weshalb sollte uns eine neue Jahreszahl auch von heute auf morgen zu einem neuen, besseren Menschen machen? Wer sich etwas vornimmt, sollte eben einfach sofort damit anfangen. Warum brauchen wir dafür ein bestimmtes Datum?
Dabei ist die Idee von Neujahrsvorsätzen an sich doch gar nicht so schlecht. Sich selbst zu reflektieren, sich neue Ziele zu setzen und sich mal zu fragen, was man für die Welt und sich selbst tun könnte, ist eigentlich immer eine gute Sache – egal, ob man nun am 23. März, 7. August, am 14. Oktober oder eben am 1. Januar damit anfängt. Und der Jahreswechsel scheint für viele eben ein willkommener Anlass, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und sich dabei zu fragen, was schön war, was vielleicht zu kurz kam, oder was uns im kommenden Jahr Freude bereiten könnte.
Damit Neujahrsvorsätze uns wirklich bereichern, müssen wir vielleicht einfach mal damit aufhören, uns jedes Jahr so viel selbstoptimierenden Scheiß vorzunehmen.
Damit Neujahrsvorsätze uns aber wirklich bereichern, anstatt zusätzlichen Stress zu verursachen, müssen wir vielleicht einfach mal damit aufhören, uns jedes Jahr so viel selbstoptimierenden Scheiß vorzunehmen. Was bringen mir die besten Vorsätze, wenn ich sie nur bis Mitte Januar durchhalte und sie danach wieder verwerfe, frustriert und demotiviert von einem solchen Misserfolg, der quasi vorprogrammiert ist? Und sollte ich mir nicht lieber vornehmen, mich selbst zu lieben, anstatt jedes neue Jahr mit Diäten und mehr Sport zu beginnen?
Neujahrsvorsätze sollten ein wenig mehr sein wie Selfcare – und die ist eben manchmal langweilig
Wenn man es denn so nennen möchte, dann ist das jedenfalls mein neuer Vorsatz für dieses Jahr: Neujahrsvorsätze sollten ein wenig mehr wie Selfcare sein. Und Selfcare ist eben nicht immer die instagramtaugliche Version ihrer selbst, in der wir zum Yoga gehen, meditieren und anschließend von Duftkerzen umringt in der Badewanne liegen. Selfcare kann von außen manchmal ganz schön langweilig aussehen: Eine alte Freundin anrufen, regelmäßig die Wäsche machen, oder einfach mal absagen und im Bett liegen bleiben zum Beispiel. Oder auch: Es überhaupt schaffen, aus dem Bett aufzustehen. Vielleicht ist dieses Jahr nämlich auch einfach nicht das Jahr, in dem du das Rauchen aufgibst und auf Alkohol verzichtest, sondern das Jahr, in dem du mal den Druck rausnimmst. Klar, Gesundheit ist auch ein wichtiger Teil von Selfcare, aber ich glaube, es sollte dabei viel mehr um Balance gehen. Weniger ist mehr, das gilt auch für gute Vorsätze. So hat man auch viel mehr Energie dafür, die Dinge anzupacken, die einem wirklich wichtig sind. Und die Ruhe, wenn etwas nicht so läuft wie geplant oder erhofft, einfach mal mit den Schultern zu zucken und zu sagen: Is jetzt halt so.