Corona-Krise: Sind faire olympische Spiele überhaupt noch möglich?

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Die rasante Verbreitung des Coronavirus, greift in den Lebensalltag von uns allen ein: Arbeiten im Homeoffice statt im Büro und Einschränkungen in unserer Freizeitbeschäftigung nehmen wir dabei aber für den Schutz unserer Gesellschaft und vor allem der Menschen aus den Risikogruppen in Kauf. Obwohl wir alle die Einschränkungen aufgrund der schnellen Verbreitung des Virus ernst nehmen und für wichtig erachten, haben sie für einige Menschen gravierende Folgen. Wir haben euch schon von Unternehmen berichtet, die um ihre Existenz bangen, von Gastronomen, die befürchten ihre Läden schließen zu müssen oder von Selbstständigen, die sich in gemeinsamen Netzwerken unterstützen, um die Krise zu meistern. Für weitere Menschen aus unserer Gesellschaft sind die Einschränkungen in diesen Tagen eine große Herausforderung: für Leistungssportler.

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Maike Naomi Schnittger ist 25 Jahre alt und Leistungsschwimmerin. Schon als Kind schwimmt sie gern und ist, seit sie neun Jahre alt ist, beim Schwimmsport dabei. Im Jahr 2004 erkrankt Maike an einer Zapfendystrophie, durch welche ihre Sehkraft innerhalb kürzester Zeit rasant reduziert wird. Sie sieht heute nur noch ein Prozent. Das hat sie aber nicht von ihrer Leidenschaft, dem Schwimmen abbringen können: Maike hat bereits bei einigen internationalen Meisterschaften Gold-Medaillen geholt, ist Weltmeisterin geworden und konnte sich bereits bei den paralympischen Spielen  in Rio 2016 den Traum von den Paralympics erfüllen. Mit der Silbermedaille im Gepäck ging es damals zurück nach Potsdam, wo Maike lebt und trainiert.

Seither ist ihr großer Traum und ihr sportliches Ziel klar: Tokio 2020. Noch einmal bei den paralympischen Spielen dabei sein und ihr Können unter Beweis stellen! Insbesondere diese Spiele sind für die Schwimmerin etwas ganz Besonderes: Maike ist in Tokio geboren – für sie wären es also so etwas wie Heimspiele. Ende 2019 hat sie die Gewissheit: Sie ist wieder mit dabei! Bei ihrem Qualifikationswettkampf in Amsterdam schwimmt sie die Quali-Zeit und hat ihr Ticket nach Tokio sicher. Jetzt stehen Olympia und die Paralympics auf der Kippe.

Wie habt ihr erfahren, dass die Trainingsstätten geschlossen werden?

Wir haben das größtenteils durch die Medien erfahren, dass die Schwimmbäder und anderen öffentlichen Betriebe eingestellt werden. Dass konkret unser Olympiastützpunkt in Potsdam geschlossen wird, haben wir von unserem Trainer erfahren. Da kam dann letzten Freitag am 13. März die Info, dass wir unsere Spinde ausräumen müssen, da das Bad auf unbestimmte Zeit geschlossen wird. Natürlich kamen dann aber im Minutentakt neue Infos rein. Seit Freitag saß ich eigentlich permanent am Telefon und habe unsere Bundestrainerin, den Stützpunktleiter und so weiter angerufen, um zu erfahren, wie es jetzt weitergeht und wie die Trainingsmöglichkeiten sind.

Wie trainierst du jetzt in der kommenden Zeit?

Der Stand der Dinge ist jetzt, dass der Olympiastützpunkt in Potsdam für den Olympia- und Paralympiakader im Laufe dieser Woche wieder öffnet. Aber nur zu bestimmten Zeiten, sodass der Trainingsverkehr auf jeden Fall eingeschränkt ist. Eine normale Vorbereitung ist aber auf jeden Fall nicht möglich.

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Kannst du dich unter diesen Bedingungen überhaupt noch auf die Paralympics vorbereiten?

Es ist momentan sehr schwierig, sich normal auf die Spiele vorzubereiten. Die Fairness ist einfach nicht gegeben. In Neckarsulm in Baden-Württemberg ist zum Beispiel eine Schwimmhalle, in der normal trainiert werden kann. Berlin hat den Olympiastützpunkt auch noch geöffnet. Andere Stützpunkte, wie Potsdam ermöglichen einen eingeschränkten Trainingsverkehr und wieder andere haben komplett geschlossen. Die Vorbereitungen für die paralympischen und olympischen Spiele sind also aktuell weder über das Land noch über die ganze Welt verteilt fair möglich.

Die Vorbereitungen für die paralympischen und olympischen Spiele sind aktuell weder in Deutschland, noch in der ganze Welt fair möglich. 

Glaubst du die olympischen und paralympischen Spielen werden im Sommer 2020 in Tokio wie geplant stattfinden?

Das ist eine gute Frage. Auf der einen Seite kann ich mir nicht vorstellen, dass die Spiele dieses Jahr nicht wie geplant stattfinden, weil das einfach ein so gigantisches Ereignis ist. Aber unter diesen Bedingungen, die wir gerade haben: So viele Grenzen, werden dicht gemacht, alle Veranstaltungen werden abgesagt – da kann man doch kein Ereignis mit tausenden von Menschen im Sommer stattfinden lassen. Selbst im Hinblick darauf, dass die "Corona-Welle" bis dahin abgeflacht ist, die Vorbereitungen sind jetzt massiv unterbrochen. Die faire Vorbereitung aller Athlet*innen ist so nicht wirklich gegeben. Es finden ja auch teilweise nicht mal Qualifikationswettkämpfe statt – zum Beispiel in Italien. Einige Sportler*innen können sich also gar nicht qualifizieren, andere nicht trainieren und es gibt keine Wettkämpfe mehr, um die eigene Leistung zu überprüfen.

Aus diesen Gründen kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass die Spiele so stattfinden werden, wie sie sollten. Das hat aber leider alles viel mit Politik und Geld zu tun. Es wäre einfach fair, so schnell wie möglich eine Entscheidung zu treffen, damit wir Sportler*innen uns darauf einstellen können. Es wird einem gerade etwas vorgegeben von der Regierung: Man soll so viel wie möglich zu Hause bleiben und sich fern halten von anderen Menschen, so gut wie es möglich ist. Daran können sich die Sportler*innen aber gar nicht halten, wenn sie ihrem Trainingsalltag nachgehen. Dadurch machen wir alle gerade nichts Halbes und nichts Ganzes: Wir können nicht normal trainieren, aber wir können uns auch nicht 100% daran halten, uns so gut es geht zu isolieren. Deshalb wäre es den Sportler*innen gegenüber nur fair, jetzt so schnell wie möglich auf die aktuelle Situation zu reagieren und die olympischen und paralympischen Spiele gegebenenfalls anzupassen. Nur so können sich die Sportler*innen an die Regelung halten, ohne sich diesem psychischen Druck auszusetzen und darauf zu warten, dass es täglich neue Informationen gibt.

Deshalb wäre es den Sportler*innen gegenüber nur fair, jetzt so schnell wie möglich auf die aktuelle Situation zu reagieren und die olympischen und paralympischen Spiele gegebenenfalls anzupassen.

Aber es wäre für euch als Spotler*innen trotzdem hart, wenn die Spiele jetzt tatsächlich nicht wie geplant stattfinden?

In dem Moment, als ich in Rio auf dem Podest stand, wusste ich, dass ich die nächsten vier Jahre alles daran setzten werde, 2020 in Tokio wieder dort zu stehen. Die Spiele in Tokio 2020 waren einfach das Ereignis, auf das man die letzten vier Jahre jeden Tag hingearbeitet hat. Deshalb ist es jetzt für mich als Sportlerin so schwierig damit umzugehen. Denn auf der einen Seite ist es eben dieses besondere Ereignis, auf welches man so lange hingearbeitet hat und es würde mir schon den Boden unter den Füßen wegreißen, wenn man sagen würde, man lässt die Spiele ausfallen oder verschiebt es.

Auf der anderen Seite ist es aber auch das Ereignis, wo wir Sportler*innen unsere Leistung erbringen wollten und wo wir einen fairen Wettkampf untereinander haben wollten. Dieser faire Wettkampf ist aber einfach nicht mehr gegeben, weil nicht mehr überall auf der Welt richtig gut trainiert werden kann. Die Gesundheit ist das wichtigste, aber wir haben auch einfach vier Jahre auf dieses Event hingearbeitet. Deshalb ist es für uns jetzt gerade nicht einfach. Ich habe mich dazu jetzt auch schon mit vielen ausgetauscht und alle wünschen sich gerade einfach, dass schnell eine Entscheidung getroffen wird.

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