Zwischen Jetset-Life und Tomatensaft: Ich war einen Tag lang Stewardess
Raus aus der Medien-Bubble und rein in andere Berufe: In unserer neuen Reihe "Tagespraktikum" tauchen wir in die verschiedensten Betriebe und Berufsfelder ein und packen für einen Tag richtig mit an. In der dritten Folge war ich bei easyjet als Flugbegleiterin.
Denke ich an Stewardessen, habe ich sofort das Bild von Leonardo DiCaprio in "Catch me if you can" vor Augen, wie er mit seinen gefälschten Gehaltsschecks der Pan Am und links und rechts fünf heißen Stewardessen am Arm durch den Flughafen flaniert. Es sind die 1960er Jahre, die das Bild des traumhaften Lebens über den Wolken geprägt haben. Aber wie viel ist davon jetzt, gut fünfzig Jahre später, eigentlich noch übrig? Und hat es das eigentlich überhaupt je gegeben? Sehen Stewardessen eigentlich wirklich so viel von der Welt? Und welche Vorraussetzungen muss man eigentlich mitbringen, um Stewardess zu werden? All das sind Fragen, die ich mir stelle, als ich erfahre, dass mich mein nächstes Tagespraktikum als Flugbegleiterin über die Wolken verschlägt.
06.00 Uhr: Es ist Winter. Es ist nicht nur arschkalt, sondern auch noch schrecklich dunkel. Ich quäle mich in die U-Bahn, frage mich, ob ich heute eigentlich auch eine Uniform bekomme (die hatte ich ja bei den Kanalarbeiten auch) und googele in kurzer Panik, wie die easyjet-Uniformen eigentlich aussehen. "Hoffentlich nicht knall-orange", denke ich und bin erleichtert, dass sie grau und eigentlich ganz okay sind.
07.20 Uhr: Ich bin am Flughafen angekommen und frage am easyjet-Kundenservice nach Anita, meiner Ansprechperson für den heutigen Tag. "Anita? Die gibt's nich bei uns, musste woanders fragen, bei uns gibt's so eine nich", antwortet mir die mittelnette Dame am Schalter. "Puh, geht gut los", denke ich mir, bin aber gleich wieder erleichtert, denn als ich mich umdrehe, wartet Anita bereits auf mich. Wir gehen gemeinsam durch die Sicherheitsschleuse, gehen wieder raus, treffen einige Kollegen von ihr, gehen wieder durch eine Sicherheitsschleuse, melden mich als Besucher an, gehen – Überraschung – durch eine Sicherheitsschleuse, ziehen gelbe Warnwesten an und gehen wieder raus, dieses Mal aber raus aufs Rollfeld.
08.10 Uhr: Es ist unfassbar laut und ich kann gut verstehen, dass die Fluglotsen am Boden dicke Ohrschützer tragen, um die Turbinen zu ertragen. Es ist immer noch einigermaßen dunkel, überall blinken Lichter, Flugzeuge starten und landen, werden eingewiesen. Passagiere steigen aus, das Bodenpersonal lädt das Gepäck aus, Anita und ich warten, bis das Flugzeug aus Düsseldorf landet. Anita erklärt mir, dass die Crew, mit der ich heute fliegen werde, ihren Tag nicht, wie ich, in Berlin, sondern in Düsseldorf, wo sie gestern Abend bereits hingeflogen sind, startet. "Um 08.50 Uhr geht es nach Düsseldorf, dort landet ihr um 10 Uhr und fliegt um 10.35 Uhr wieder zurück nach Berlin. Wenn ihr zurück seid, gibt es noch ein Debriefing, bei dem du dabei sein wirst und dann ist Feierabend." "Straffer Zeitplan", denke ich mir und spüre, wie die ersten Diskrepanzen zwischen Vorstellung und Wirklichkeit auftauchen. 35 Minuten Aufenthalt in einer Stadt? Das reicht ja nicht mal, um einen Kaffee zu trinken, geschweige denn die Stadt zu erkunden. Ganz so entspannt scheint das Ganze doch nicht zu sein.
Safety first: Sicherheitscheck beim Flugzeug und Aufräumen in der Kabine
08.25 Uhr: Die Maschine aus Düsseldorf ist inzwischen direkt vor uns gelandet, die Passagiere samt Gepäck sind bereits im Terminal, nur die Crew, Anita und ich sind jetzt im Flugzeug. Während das Kabinenpersonal die Sitzreihen für die nächsten Passagiere aufräumt, darf ich mit Thomas, dem Piloten, eine Runde um das Flugzeug drehen. Nach und vor jedem Flug wird das Flugzeug vom Piloten auf mögliche Schäden überprüft. Ich kenne fiese Internetvideos, in denen Menschen von laufenden Turbinen eingesaugt werden, ein bisschen mulmig ist mir also schon, während wir so nah am Flugzeug entlang laufen und Thomas die Turbinen (aus denen übrigens ganz warme Luft strömt) und Co. checkt. Zurück im Flugzeug bekomme ich zwar keine Uniform – schade eigentlich –, dafür aber eine Schürze, damit die Passagiere zumindest erkennen, dass ich hier tatsächlich zur Crew gehöre und kein wirrer Passagier mit Kellnersyndrom bin.
08.50 Uhr: Das Boarding geht los. Ich stehe, gemeinsam mit der Crew an der Tür, begrüße die Passagiere und sage ungefähr 100 Mal "Guten Morgen, Hallo, einen schönen Tag". Irgendwann steht eine Dame vom Bodenpersonal vor uns, nicht gerade amüsiert und fragt mich und Anita nach unseren Namen. Wir würden beim Boarding vermisst, wieso wir nicht eingecheckt haben, jetzt müsse das ganze Flugzeug wegen uns warten, bis sich die Sache geklärt hat. "Peinlich", denke ich, "dass ausgerechnet wir an einer möglichen Verspätung Schuld sind." Schon während wir auf die Landebahn rollen, macht Kabinenmanagerin Micky die Sicherheitseinweisung, erklärt, wie lange die Flugdauer ist, begrüßt die Passagiere erneut und stellt die gesamte Crew namentlich vor. Auch mich, als Wiebke, die Praktikantin.
Ein Flugzeug bringt nur Geld, wenn es in der Luft ist. Deswegen versuchen wir die Zeit am Boden so effizient wie möglich zu nutzen.Micky, Cabin Managerin
09:00 Uhr: Kaum in der Luft, fängt das Kabinenpersonal auch schon an, sich abzuschnallen und den Service vorzubereiten. Der Flug geht schließlich nur 50 Minuten, da muss alles schnell gehen. Ich helfe Micky und Luciana beim vorderen Teil des Flugzeuges, packe den Servierwagen, gehe rückwärts durch die Gänge und frage die Leute, ob sie einen Tee, Kaffee oder irgendetwas anderes möchten. Nachdem ich jahrelang gekellnert habe, fühlt sich das auch in ein paar Tausend Metern Höhe nicht so anders an. Kleiner Funfact: Kein einziger bestellt einen Tomatensaft. Anschließend sammeln Luciana und ich den Müll ein. Wir sind zu fünft an Board, vier vom Kabinenpersonal und ich. Micky erklärt mir, dass normalerweise auf 50 Passagiere eine Flugbegleiterin kommt. "Viele Leute scherzen ja immer über uns 'Saftschubsen'. Dass wir, wenn es hart auf hart kommt, aber auch dafür verantwortlich sind, alle Passagiere lebend aus dem Flugzeug zu bekommen, vergessen die meisten allerdings. Dass wir uns um die Passagiere mit Beeinträchtigungen kümmern, wir im Notfall die erste Hilfe übernehmen und unser Bestes geben", erklärt mir Micky. "Ich habe es bisher zum Glück nur drei Mal seit zwölf Jahren erlebt, dass wir wegen eines Notfalls zwischenlanden mussten. Das ist dann kein Spaß mehr." Das glaube ich ihr. Ich schäme mich kurz und muss mich daran erinnern, dass Kaffee und Softdrinks ausschenken nicht die einzige Aufgabe des Kabinenpersonals ist.
Viele Leute scherzen ja immer über uns 'Saftschubsen'. Dass wir, wenn es hart auf hart kommt, aber auch dafür verantwortlich sind, alle Passagiere lebend aus dem Flugzeug zu bekommen, vergessen die meisten allerdings. Dass wir uns um die Passagiere mit Beeinträchtigungen kümmern, wir im Notfall die erste Hilfe übernehmen und unser Bestes geben"Micky
09.25 Uhr oder wie das Kabinenpersonal sagt: Mittagspause
09.25 Uhr: "Moussakka oder Veggie Bolognese, was möchtest du lieber?", fragt mich Michael, der einzige Steward an Board. Es ist gerade einmal halb 10 Uhr morgens, laut Werbung ja eigentlich die Zeit für ein Knoppers, nicht fürs Mittagessen und für mich einfach noch keine Essenszeit. Ich lehne dankend ab, frage mich gleichzeitig, ob man sich tatsächlich an das Flugzeugessen gewöhnen kann und nippe an meinem viel zu heißen Kaffee.
10.00 Uhr: Ohne Verspätung landen wir pünktlich in Düsseldorf. Ich war genau einmal in Düsseldorf, am Flughafen, weil wir dort zwischengelandet sind. Und wenn ich damals dachte, ich hätte nichts von Düsseldorf gesehen, so fühlt sich dieses Mal an, als wäre ich nicht einmal wirklich hier. Innerhalb von 35 Minuten steigen alle Passagiere aus, wir räumen den Flugzeugraum auf und die nächsten Passagiere steigen wieder ein. Den ersten Blick aus dem Fenster auf Düsseldorf werfe ich beim Start. Das habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Ich dachte, Stewardessen sehen so viel von der Welt, sind überall zu Hause. Bei 35 Minuten Aufenthalt ist das ja nun eher nicht möglich.
10.50 Uhr: Der Ablauf des Rückflugs unterscheidet sich eigentlich nicht zu dem des Hinflugs. Ich nutze die Chance, um ein bisschen mit meinen Kollegen zu plaudern. Micky hat, bevor sie Stewardess wurde, diverse andere Dinge ausprobiert, kann nach zwölf Jahren Stewardess aber immer noch sagen, dass es ihr Spaß macht und auch die anderen sind seit mehreren Jahren dabei und lieben ihren Job. Luciana kommt aus Italien und nutzt die Vergünstigungen beispielsweise, um ihre Familie zu besuchen, und auch die anderen reisen in ihrer Freizeit viel. Es gibt keine festen Crews, was bedeutet: Man hat quasi jeden Tag andere Kollegen. "Manchmal ist das schade, manchmal aber auch gar nicht schlecht, wenn du verstehst, was ich meine", meint Micky mit einem Lächeln. Einen Lieblingsflughafen haben die meisten nicht, worauf sich aber alle einigen können: Die Flughäfen im Süden mögen sie lieber, Neapel zum Beispiel, da sieht man kurz den Vesuv, riecht die mediterrane Luft und hat für ein paar Minuten Urlaubsfeeling, vor allem im Winter keine schlechte Alternative.
Ich mache den Job jetzt hier schon seit über zwölf Jahren und es gibt eigentlich keinen Tag, an dem ich ihn nicht gerne mache.Micky
12.10 Uhr: Ach, Tegel, du bist und bleibst der sympathischste und lausigste Flughafen der Welt. Wir warten circa 15 Minuten auf den Step-Man, denn irgendwie scheinen sie in Tegel vergessen zu haben, dass Flugzeuge keine Strickleitern zum Aussteigen haben. Es wäre ja auch verrückt, wenn alles pünktlich wäre. Und auch wenn das Kabinenpersonal für diese Verspätung überhaupt nichts kann, ergeht es ihnen ein bisschen wie dem ICE-Personal, es bekommt den Unmut der Passagiere zu spüren. Zum Glück könnte Micky auch eine Karriere als Alleinunterhalterin anstreben und so bedanken sich die Passagiere gut gelaunt für die nette Unterhaltung während des Wartens.
12.45 Uhr: Die gesamte Crew geht ins Head Quarter direkt auf dem Flughafengelände, wo es neben Büros auch Ruheräume für diejenigen gibt, die Bereitschaft haben. Im großen Crew-Raum folgt nach jedem Flugtag das Debriefing, bei dem die guten und weniger guten Dinge des Tages besprochen werden.
Nach meinem Tag als Stewardess weiß ich jetzt, dass das angebliche Jetset-Life nur mäßig stimmt. Zwar haben die Angestellten die Möglichkeit, durch ihre Vergünstigungen viel von der Welt zu sehen, das meistens aber nur in ihrer Freizeit. Denn die Flugzeiten sind so eng getaktet, dass man von der Stadt, in der man sich befindet, eigentlich gar nicht so viel mitbekommt. Dafür arbeitet man jeden Tag mit neuen, netten Leuten zusammen, weil sich die Crews ständig neu mischen, ist mit vielen Menschen in Kontakt und hat, egal wie schlecht das Wetter ist, zumindest einmal am Tag – über den Wolken – Sonne. Und wenn ich gerade an den kalten Berliner Winter denke, ist das gar kein so schlechter Gedanke.
Egal wie schlecht das Wetter ist, man hat zumindest einmal am Tag – über den Wolken – Sonne.
Nice to know
- Die Schulung zur Flugbegleiterin dauert je nach Airline maximal 12 Wochen, bei easyjet sogar nur drei.
- Du solltest neben einer abgeschlossenen Schulausbildung, Deutsch und Englisch sprechen, sowie schwimmen können.
- Je nach dem, bei welcher Airline und nach welchem Gehaltsmodell (viele Airlines bieten 80 Prozent und 50 Prozent-Stellen an) man arbeitet, liegt das monatliche Gehalt zwischen 1.500 und 2.500 Euro.
- Du hast Lust dich weiterzubilden? Hier geht's zur Schulungsanmeldung.
Vielen Dank an Easyjet für das Praktikum! Wo soll ich als nächstes hingehen? Schreibt mir an: wiebke@mitvergnuegen.com