Tagespraktikum: Ich habe einen Tag im Sterne-Restaurant "Nobelhart & Schmutzig" gearbeitet
Raus aus der Medien-Bubble und rein in andere Berufe: In unserer neuen Reihe "Tagespraktikum" tauchen wir in die verschiedensten Betriebe und Berufsfelder ein und packen für einen Tag richtig mit an. In der ersten Folge waren wir in der Küche des Sterne-Restaurants Nobelhart & Schmutzig.
Denkt man an Großküchen, fallen einem, ob man will oder nicht, unzählige Schreckensgeschichten von cholerischen Köchen, fliegenden Tellern und unmenschlichen Arbeitszeiten ein. Einmal wurde mir sogar von einem Koch erzählt, der die Hand des Azubis in die heiße Fritteuse gesteckt hat, weil er etwas falsch gemacht hat. Entsprechend angespannt bin ich, als ich erfahre, dass ich nicht nur in der Großküche, sondern auch noch im Nobelhart & Schmutzig, einem Sternerestaurant, das es in diesem Jahr auf Platz 88 der World's best Restaurants geschafft hat, Praktikantin sein werde.
13.20 Uhr: Überpünktlich stehe ich vor dem Nobelhart & Schmutzig in der Friedrichsstraße und werde, nun ja, nicht erwartet. "Weißt du, ich kann mich heute nicht mehr erinnern, was der Micha von gestern gequatscht hat", erklärt mir Micha Schäfer, der Küchenchef und Sternekoch des Nobelhart & Schmutzig. "Das geht ja gut los", dachte ich, während ich ihm in die Küche folge. Ich bekomme ein Schürze – leider keine fancy Kochjacke –, begrüße die anderen, aus den Lautsprechern tönt "Wann ist ein Mann ein Mann".
Meine Aufgaben: Dillblüten und Äpfel schneiden und Pflaumen entkernen
13.30 Uhr: Meine erste Aufgabe besteht darin, Dillblüten zu schneiden. Viele Dillblüten, ein komplettes Tablett, um genau zu sein. "Das kann man in 30 Minuten schaffen oder man braucht eben drei Stunden. Wichtig ist, dass es ordentlich gemacht wird", erklärt mir Micha und lacht. Challenge accepted.
14.30 Uhr: Ich bin noch nicht mal bei der Hälfte der Blüten. Das hat auch Micha bemerkt und mir Hilfe zur Seite gestellt. "Geht wohl doch eher auf die drei Stunden zu." Ja, offensichtlich. Musikalisch haben wir uns immer noch nicht von Herbert Grönemeyer entfernt und auf meine Frage, wem wir das zu verdanken haben, ernte ich reihenweise empörte Blicke, denn Herbert, wie ich lerne, ist der beste Musiker überhaupt. Naja, hoffentlich ist ihr kulinarischer Geschmack besser als ihr musikalischer.
15.30 Uhr: Wir sind endlich mit den Dillblüten fertig und ich muss gestehen, ich war wirklich ziemlich langsam. Währenddessen hat nämlich das übrige Küchenpersonal gefühlte zehn Gänge vorbereitet, diverse Lieferungen angenommen und gecheckt, über die Feierabendplanung gesprochen, herzlich gelacht und mir immer wieder Kleinigkeiten zum Probieren hingelegt. Von angespannter Stimmung und cholerischen Chefköchen fehlt hier definitiv jede Spur.
16.00 Uhr: Meine ehrenwerte zweite Aufgabe steht an: Äpfel schneiden. "Nimm' nur die kleinen, du musst die Äpfel halbieren, vierteln, entkernen und noch einmal halbieren", gibt mir Chiara, sie arbeitet seit drei Jahren als Köchin im Nobelhart & Schmutzig, als Instruktion. Sollte ich hinbekommen.
16.20 Uhr: Sollte ich nicht und das mit der angespannten Stimmung nehme ich, zumindest für den Moment, wieder zurück. Chiara gefallen meine Apfelschnitze nämlich überhaupt nicht. "Was ist das denn?!", ist ihre Reaktion, als sie sich meine Apfelschnitze ansieht. Gut die Hälfte meiner Schnitze darf ich wieder aussortieren und meinen letzten Versuch, das Ganze zu retten, findet Chiara auch nur so semi: "Mach' bitte nur das, was ich dir sage. Ich hab' keine Lust, das hier alles noch dreimal zu machen." Chiara muss jetzt retten, was zu retten ist. Krumme Apfelschnitze haben in der Sterneküche dann doch nichts zu suchen, sorry.
Vulven zum Abschied
17.00 Uhr: Azubi Pit hat die wohl schönste Aufgabe bekommen: Vulven herstellen. Moment mal, Vulven? Ich dachte, ich bin hier in einer Sterneküche und nicht im Büro von Einhorn. Aber ich habe mich tatsächlich nicht verhört, denn Pit darf hier aus Butter und Zucker Vulven in den verschiedensten Formen herstellen. "Das sind unsere Gastgeschenke", erklärt er mir. Natürlich, was sonst. Währenddessen entkerne ich mit Yannick, auch ein Praktikant, allerdings für ein paar Wochen, Pflaumen.
17.20 Uhr: Billy, der Besitzer des Nobelhart & Schmutzig, ist da und gibt Pit erstmal ein paar nützliche Tipps im Umgang mit Vulven.
Du musst die Vulven alle gleich behandeln, wie im echten Leben. Du darfst hier keine bevorzugen.
Mittagspause im Sternerestaurant
17.30 Uhr: Thomas, einer der Köche, hat in der Zwischenzeit das Personalessen vorbereitet, wobei Personalessen hier schon fast eine Beleidigung ist, denn statt belegter Stullen wird hier eine kräftige Fleischbrühe mit Reisbandnudeln, Eiern, Bohnen und allen möglichen anderen Zutaten aufgetischt. Für mich gibt's sogar extra eine vegetarische Miso-Suppe und die schmeckt, wie soll es anders sein, einfach fantastisch.
18.00 Uhr: Vielleicht habe ich es herausgefordert, als ich erzählte, dass hier alle so nett und fröhlich sind und gar nicht der übliche Koch-Schnack kommt. Auf jeden Fall sind wir jetzt dort angekommen, als Micha von früher erzählt: "Ein Highlight aus meiner Ausbildung ist auch, ein Steak nach dem Azubi zu schmeißen." Blaue Flecken vom Steak? Ich bin ganz froh darüber, dass sowas zumindest in dieser Küche nicht passiert.
18.30 Uhr: Das Restaurant hat inzwischen geöffnet und für mich ist es Zeit, nach Hause zu gehen. Vorher will ich noch schnell ein Teamfoto machen und hier zeigt sich dann bei aller Lockerheit, dass es sich hier um eines der besten Restaurants der Welt handelt: Ungebügelte Schürzen und dreckige Kochjacken gehen gar nicht und müssen alle auf Billys Bitte hin ausgetauscht werden. Für das Team startet jetzt wohl erst der stressige Teil, den ich leider verpasse. Ob ich zu langsam oder ungenau war? Micha erklärt uns, dass es eher daran liegt, dass man während des Service eigentlich keine Zeit hat, Dinge zu erklären. Bei einem 10-Gänge-Menü muss jeder Handgriff sitzen, alle wissen, was sie zu tun haben. Die Gäste, die alle entlang eines großen Tresens mit Einblick in die offene Küche sitzen, zahlen schließlich um die 100 Euro für ihr Dinner, da würde ich tatsächlich ein bisschen stören.
Nach fünf Stunden in der Großküche weiß ich jetzt, dass entgegen aller Schreckensgeschichten auch in der Küche ein angenehmer Ton herrschen kann, man arbeitet hier wie eine kleine Familie zusammen, quatscht und macht Scherze und das, obwohl hier alle abliefern. Eine richtige Hilfe war ich zwar vermutlich nicht – akkurates Schneiden und Schnelligkeit gehört nicht gerade zu meinen Stärken – trotzdem hat es Spaß gemacht, mal einen Tag nicht auf den Bildschirm, sondern in die Töpfe eines Sternekochs und seines Teams zu schauen.
Nice to know:
- Viele Restaurants bieten (unbezahlte) Praktika an, bei denen ihr in zwei bis vier Wochen schon mal reinschnuppern könnt, ob das Kochen für euch in Frage kommt.
- Was man mitbringen muss, um in der Küche anfangen zu können? Laut Sternekoch Micha Schäfer Werkzeuge und Kochkleidung.
- Das Gehalt liegt meistens zwischen 1.600 und 2.600 Euro in Berlin.
- Hier findet ihr jede Menge freie Ausbildungsplätze zum Koch bzw. zur Köchin.
Wo soll ich als nächstes hingehen? Schreibt mir an: wiebke@mitvergnuegen.com