Qual und Freude zugleich – Darum setze ich bei Umzügen auf die Hilfe meiner Freunde und nicht auf Umzugshelfer

© Jürgen Bürgin

Ich liebe es, an Sonntagen frühmorgens durch die menschenleere Stadt zu streifen (auch wenn das zugegebenermaßen nicht allzu häufig vorkommt, ich komme einfach verdammt schwer aus dem Bett). In diesen Stunden sind nur wenige Menschen auf den Straßen Berlins. Unterwegs sind zumeist nur vereinzelte Nachtschwärmer auf dem Weg nach Hause, Rentner, die unter seniler Bettflucht leiden, sowie in jeder größeren Straße mindestens ein Trupp junger Menschen. Diese stehen meist in sportlicher Kleidung, mit tiefhängenden Augenringen und einem To-Go-Kaffee in der Hand um einen Leihwagen, vorzugsweise der Firma Robben & Wientjes, und versuchen mit aller Kraft, das Unvermeidliche weiter hinauszuzögern. Doch Pustekuchen, der Umzug muss gemeistert werden, Treppe um Treppe, Kiste um Kiste.

Hämische Kommentare bleiben nicht aus

Ja, auch ich habe kürzlich meine Freunde einmal mehr zu einem morgendlichen Get-together zusammengetrommelt, um gemeinsam mit ihrer Hilfe mein ganzes Hab und Gut von A nach B zu schleppen. Ich kann mir vorstellen, welche Freude meinen Freunden ins Gesicht stand, als sie vor einigen Wochen die aufploppende Nachricht auf ihren Smartphones lasen. "Du wurdest zu einer Gruppe" hinzugefügt, die den Titel "Umzug" trägt und natürlich mit einem super lustigen Bild eines überladenen Autos garniert ist. Hämische Kommentare ließen nicht lange auf sich warten, das ist die gerechte Rache für den Einsatz, den ich meinen Freunden abverlange – und die ich deshalb gerne über mich ergehen lasse. Im Gegenzug stehen sie auch bei meinem dritten Umzug innerhalb weniger Jahre wieder pünktlich Spalier und packen kräftig mit an.

Kein Umzug ohne kollektives Besäufnis

Manch einer mag es für eine Zumutung halten, die eigenen Freunde so dermaßen einzuspannen. Ich finde es schön, einen neuen Lebensabschnitt an einem neuen Ort mit den Menschen zu starten, die ich am liebsten habe. Eine Delle im Regal? Völlig egal, schließlich werde ich beim Blick auf die Delle immer an den Freund denken, der sie verursacht hat, und nicht an einen Möbelträger von Ebay Kleinanzeigen, der sich mangels anderer Optionen für viel zu wenig Geld den Buckel krumm macht. Zudem geben Freunde gleich zu Beginn nützliche Tipps, welche Möbel an welchen Platz am besten passen und sie lernen die Wohnung, in der sie noch die eine oder andere Nacht durchzechen werden, gleich besser kennen.

Dazu kommt, dass kein Umzug ohne kollektives Besäufnis endet. Eigentlich führt man nur einmal im Jahr, am Geburtstag, die Menschen zusammen, die man am liebsten hat, um gemeinsam zu feiern. Ein Umzug bietet eine weitere Gelegenheit, sich endlich mal wieder Zeit füreinander zu nehmen, meist einen ganzen Tag und wenn es die Alkoholreserven hergeben, auch noch eine halbe Nacht. Und das ist ein Glücksgefühl, dass ich ansonsten missen würde. Erledigt, aber zufrieden mit den Freunden nach getaner Arbeit im Restaurant zu sitzen und auf das Geschaffte gemeinsam anzustoßen.

Manch einer mag es für eine Zumutung halten, die eigenen Freunde so dermaßen einzuspannen. Ich finde es schön, einen neuen Lebensabschnitt an einem neuen Ort mit den Menschen zu starten, die ich am liebsten habe.
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