Die Emzipation einer Farbe – Wir sollten alle mehr Rosa tragen

© Roya Ann Miller | Unsplash

Rosa ist die umstrittenste Farbe der Gegenwart. Wie keine andere ist sie zum Politikum geworden. Von Spielzeug- und Modeindustrie einerseits zur niedlichen Mädchenfarbe stilisiert, beanspruchen feministische Bewegungen Rosa und Pinknuancen nun wieder als starke Farbe der Weiblichkeit und Unabhängigkeit für sich. Rosatragende Männer sieht man immer noch vergleichsweise selten und wenn, schwingt in der Farbwahl oft ein Statement mit. Gut so – und ich finde, das kann noch viel mehr werden. Rosa ist die Farbe der Zukunft, eben wegen ihrer kontroversen Vergangenheit und politischer Konnotation. Wir sollten das Rosa von seiner alten Bedeutung als schwache, weiche Farbe befreien und umdeuten.

Von der Männer- zur Mädchenfarbe

Nicht nur in der Mode, auch metaphorisch ist Rosa mit vielen Assoziationen belegt. Frisch Verliebte schweben "auf rosa Wolken", Optimisten sehen die Welt durch die "rosa Brille" und  wer aussieht wie das blühende Leben, ist auf Englisch "in the pink". Eigentlich alles schöne Bilder – aber dennoch schwingt immer auch Naivität, Vergänglichkeit und eine gewisse Schwäche in der Farbe Rosa. Well done, Barbie.

Dabei war das nicht immer so: Bis ins 18. Jahrhundert war Rosa den Männern vorbehalten, denn Stoffe rot zu färben, war teuer und demnach dem höher angesehenen männlichen Geschlecht vorbehalten. Zu Marie Antoinettes Zeiten waren Pastellfarben wie Rosa und Himmelblau bei beiden Geschlechtern gleich beliebt, nach der Französischen Revolution allerdings setzten sich bei Männern in der Mode dunkle Farben und grobe Stoffe durch. Schluss mit rosa Anzügen also. Es mussten erst ein paar hundert Jahre vergehen, ehe nun Drake im rosa Hoodie zum Stilvorbild avanciert.

Rosa als Farbe sollte für alle normal werden, so wie es normal werden sollte, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden.

Seit 1959 geistert nun auch noch Barbara Millicent Roberts, wie Barbie mit vollem Namen heißt, durch die Kinderzimmer. Die sorgt dafür, dass Generationen von Mädchen mit nicht nur völlig unrealistischen Körperidealen aufwachsen, sondern Rosa und Pink als Farbe für wohlfrisierte, adrett gekleidete Mädchen wahrgenommen wird. Ausbrüche aus dem Farbschema gab es in der Popkultur des vergangenen Jahrhunderts wenige: Die Zeichentrickserie Pink Panther war noch am ehesten ein Gegenentwurf zur Verblödung in Pink. Geschmeidig, clever und stets mit einer süffisanten Überlegenheit führt er Inspektor Clouseau, Ameisenbär Elise und Sheriff Donnerknall hinters Licht. Stets gut gekleidet im rosafarbenen Ganzkörperanzug.

Rosa ist politisch

Seit ein paar Jahren regt sich organisierter Widerstand gegen die Unterdrückung von Rosa. Die feministische Bewegung erobert die Farbe zurück, auf verschiedene Weise. In der Mode ist Rosa ohnehin die Farbe der Stunde, auch bei Männern. In den Kollektionen von Gucci oder Acne sind Teile von Blassrosa, Puder oder kräftigem Pink wie selbstverständlich enthalten und auch die Auswärtstrikots des HSV sind seit 2016 wieder Magenta – zumindest noch.

Gleichzeitig agieren Organisationen wie Pinkstinks gegen die Verniedlichung von Pink und damit einhergehender Herabsetzung weiblicher Emanzipation, Gleichberechtigung und Durchsetzungskraft. Die sogenannte "Pink Tax" bezeichnet den Umstand, dass speziell für Frauen gebrandete Produkte wie Rasierschaum, Parfums und Pflegeprodukte trotz identischer Inhaltsstoffe teurer sind als dieselben Artikel für Männer. Rosa ist also in beide Richtungen politisch – als Farbe für positive, starke Weiblichkeit, genauso wie als Negativbeispiel an Stellen, wo Industrie und Gesellschaft Frauen benachteiligen.

Starkes Rosa statt sicherem Schwarz

Ich finde, wir sollten alle mehr Rosa tragen. Also, vorausgesetzt, man mag die Farbe. Jungs und Mädchen, Frauen und Männer – Rosa hat das Zeug dazu, zur Symbolfarbe einer gerechteren und freieren Zukunft für alle zu werden. Rosa als Farbe sollte für alle normal werden, so wie es normal werden sollte, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden. Neben politischem und gesellschaftlichem Engagement hilft dabei auch die Bekenntnis zu dieser Farbe mit ihrer bewegten Geschichte.

Natürlich ist jedem nach wie vor freigestellt, die Farben zu tragen, die er am liebesten mag – wenn rosa da nicht dazugehört, fair enough. Aber zumindest ich selbst ertappe mich oft dabei, wie ich aus Gewohnheit, aber auch aus Scheu vor der Farbwirkung lieber zu "sicherem" Schwarz, Dunkelgrau oder Blau greife. Sicherlich steckt da ein ganzen Stück unbewusste Angst dahinter, in einem rosa T-Shirt nicht ernst genommen zu werden. Schluss damit! "Rosa" und "badass" sind schon längst keine Gegensätze mehr, man muss diese Botschaft nur noch weiter verbreiten und etablieren. Und große Veränderungen können auch klein anfangen – und wenn es nur ein Paar rosa Socken sind.

'Rosa' und 'badass' sind schon längst keine Gegensätze mehr.
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