Wir haben verlernt, uns vernünftig zu verabreden

© Priscilla du Preez/Unsplash

Letztens wollte ich mich mit einer guten Freundin treffen, die nur kurz in Berlin zu Besuch war. Wir beendeten unser Gespräch an einem Dienstag mit: „Lass uns Donnerstagabend treffen. Wir schreiben dann nochmal, wann und wo genau …“. Am Ende ist unser Wiedersehen daran gescheitert, dass wir an besagtem Tag doch in unterschiedlichen Teilen der Stadt unterwegs waren und zeitlich alles nicht hinhaute. Klasse! Hätten wir uns einfach direkt am Dienstag verbindlich verabredet, dachte ich mir da. Das hätte uns viel Aufregung erspart!

Seit es Facebook, WhatsApp und Co. gibt, poppen immer öfter Nachrichten auf wie „Lass uns nochmal schreiben“, „Wir sprechen nochmal, ja?“, „Kann’s noch nicht sicher sagen“, „Lass uns spontan schauen“ oder „Du, sorry, ich schaff’s heut leider doch nicht“. Allzu oft hält man sich gegenseitig ewig hin, nur um am Ende dann doch kurzfristig wieder abzusagen. Wir sind mittlerweile richtige Helden darin, Treffen zu verschieben. Nur noch selten gelingen diese direkt beim ersten Anlauf.

Warum sind wir heute so zögerlich und unentschlossen und machen so gut wie nie gleich von Anfang an einen fixen Termin aus? Weshalb fällt es uns so unfassbar schwer, uns festzulegen? Warum wollen wir uns auf Teufel komm raus alle Optionen offen halten? Ich denke, wir haben ein großes Verbindlichkeitsproblem!

Der Wunsch nach Flexibilität

Früher war es weitaus unkomplizierter. Da hat man einfach was ausgemacht, so richtig mit Ort und Zeit – und dann hat man sich, ohne nochmal irgendwas zu verschieben, getroffen. Ja, wirklich. Getroffen. Heute schreibt man zig Male hin und her, wenn man sich mit jemandem verabreden möchte – und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Treffen am Ende doch wieder ins Wasser fällt. In den seltensten Fällen macht einem tatsächlich das Leben einen Strich durch die Rechnung. Vielmehr wollen wir Spontanität und Freiheiten, wollen flexibel sein – wie bei so vielen Dingen im Leben.

Ein Problem ist wohl, dass das Angebot an möglichen Unternehmungen zu groß ist und man sich dadurch zu viel auf einmal vornimmt. Oft sagt man zu mehreren parallel stattfindenden Veranstaltungen zu und will alles auf einmal haben. Nach heutigem Stand kann sich ein Mensch aber leider, oder eher glücklicherweise, noch nicht dreiteilen. Wir können nicht gleichzeitig zum Dinner mit einem Freund gehen, die Ausstellungseröffnung eines Bekannten besuchen und der guten Freundin bei ihrem wichtigen Projekt helfen. Am Ende bekommt irgendjemand eine Absage – aber eben auch erst kurz vor knapp.

Wir wollen schließlich auch etwas unternehmen, das mit unserer inneren Verfassung übereinstimmt.

Zu früh will man niemandem einen Korb geben. Man hat Angst, der anderen Person das Gefühl zu geben, sie sei einem nicht wirklich wichtig. Sagt man ab, weil man tatsächlich keine Zeit hat, tut das dem Gegenüber deutlich weniger weh. Unsere Kommunikation ist schneller geworden und erlaubt dieses Verhalten. Zudem bedarf es weniger Aufwand, kurzfristig sein Nicht-Erscheinen zu kommunizieren, als eine Absage wieder rückgängig zu machen, weil man plötzlich doch Lust hätte. Generell scheint Konsens darüber zu herrschen, dass diese kurzfristigen Aktionen völlig okay sind. Man will schließlich auch etwas unternehmen, das mit der inneren Verfassung übereinstimmt.

Diese Unverbindlichkeit fängt erst an, problematisch zu werden, wenn das nicht beide Seiten so sehen. Wenn sich jemand vielleicht sogar extra Zeit für die andere Person in ihrem Terminkalender freigeschaufelt hat, nicht aber letztere – für die war es nämlich bloß eine lose Verabredung. Ein kurzfristiges Umplanen kommt da nicht gut, kann sogar verletzend sein.

Lieber spontan statt super flexibel sein

Wie können wir unsere Probleme mit der Verbindlichkeit lösen? Eine Möglichkeit wäre, nicht zu so vielen Sachen vorschnell zuzusagen. Wenn man schon beim Gedanken an eine bestimmte Verabredung das Gefühl hat, dass sie einen einengt, sollte man sie am besten gar nicht erst eingehen – dann muss man sich am Ende auch nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie man da jetzt wieder glimpflich davonkommt. Wenn man allerdings Zeit und Lust hat, die Person wiederzusehen, sollte man zur Abwechslung mal mutig und entschlossen „Ja“ sagen – und macht am besten auf der Stelle und ohne zu zögern Ort und Uhrzeit fest.

Neben den verbindlich geplanten Verabredungen, können spontane Treffen den Terminkalender auflockern. Wenn man spontan Lust hast, Zeit mit jemandem zu verbringen, sollte man einfach – trotz größerer Hemmschwelle – mal wieder zum Hörer greifen und sich überraschen lassen, wie die Person am anderen Ende reagiert. Selbst wenn sie am Ende keine Zeit hat, wird sie sich mit Sicherheit freuen, dass man an sie gedacht hat und sich mit ihr treffen wollte.

Am besten lässt man sich im Terminkalender auch immer wieder bewusst Lücken für diese Spontanität, denn man weiß ja nie so recht, wie die Stimmung übermorgen oder in zwei Wochen sein wird und wonach einem dann genau ist. Geselligkeit in größerer Runde, One-on-Ones oder Zeit mit sich allein, auswärts essen gehen oder zu Hause selber kochen, reges Treiben oder Ruhe, Kommunikation oder Stille. Und vor allem muss man so nicht so oft absagen.

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