Unsere 11 Kunsttipps für den Oktober 2017

Alles, was wir tun, ist politisch, sagt man. Kunst ist immer politisch, sagt man auch, und damit ist nicht nur die augenscheinlich politische, oft aktivistische documenta-Kunst gemeint, sondern jeder Akt der stilisierten Stellungnahme. Kunst und Kultur haben eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft: hatten sie in der DDR, haben sie heute noch in den Vereinten Arabischen Emiraten und bei uns in Berlin. Das Glauben an die Kraft der Kunst ist vielleicht ein Grund, warum ihr das Artvergnügen lest; sie ist auf jeden Fall mit ein Grund, warum ich das hier seit vielen Jahren tue. Monat um Monat; auch im Oktober 2017.

Danny Lyon, "Crossing the Ohio River", Louisville, 1966 © Danny Lyon, Courtesy Gavin Brown’s Enterprise

1
Danny Lyon im C/O Berlin

„Meine größte Stärke ist meine Empathie mit Menschen, die anders sind als ich.” Diese Selbsteinschätzung bestätigen Danny Lyon später noch viele. Eben diese, und sein Einswerden mit seinen Motiven, außerdem die Ergänzung um Literatur und Video, heben die Fotografien von Danny Lyon ab und machten ihn zur Ikone späterer Fotografen wie Nan Goldin und Larry Clark. Er fotografierte Versammlungen, Verhaftungen und Trauerfeiern der Civil Rights Movement in den 60ern. Schoss Aufnahmen hinter Gittern. Begleitete den Alltag von Motorradgangs. "Mittendrin statt nur dabei" stimmt hier wirklich.

  • C/O Berlin
  • Täglich 11–20 Uhr
  • Eintritt 10 Euro, ermäßigt 6 Euro
Gordon Matta-Clark, "Conical Intersect", 1975. Bild © Galerie Thomas Schulte

2
Gordon Matta-Clark bei Galerie Thomas Schulte

Gordon Matta-Clark war ein radikaler Architekt, der sich gegen die konventionelle Architektur, als erschaffende Ingenieurskunst, stellte und sich stattdessen den Situationisten um Guy Debord anschloss. Die wiederum machten sich einen Namen mit einer fragmentarischen Sicht der Welt. Und so kam es, dass Matta-Clark irgendwann den Titel des Anarchitekten für sich erfand – Anarchist und Architekt in einem. Ein Anarchitekt zerschneidet Häuser mit der Motorsäge, statt sie zu erbauen –„building cuts“ nannte sich dieses bekannteste seiner Projekte. Bei Thomas Schulte lassen jetzt 100 Skizzen und andere Originalarbeiten quasi behind the scenes blicken.

  • Galerie Thomas Schulte
  • Dienstag – Samstag: 12–18 Uhr
Ed Atkins, Still aus “Old Food”, 2017, ©Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin, Cabinet Gallery, London, Gavin Brown‘s Enterprise, New York and dépendence, Brussels

3
Ed Atkins im Martin-Gropius-Bau

Das Symbol eines McDonalds Burgers erklärt den Titel dieser Ausstellung: Scheinbar verrottet er nie. „Old Food“ heißt die Show des Videokünstlers Ed Atkins, seine umfangreichste bisher. Wie üblich bei Atkins erzeugt die Verbindung seiner Video-HD-Ästhetik und -Literatur eine unheimliche, weil surreale, weil unecht perfekte Szenerie. Seine cleanen Videos werden hier Kostümen aus dem Fundus der Deutschen Oper gegenübergestellt, was die von ihm kommentierte Künstlichkeit und übertriebe Inszenierung unseres Lebens noch weiter zuspitzt.

  • Martin-Gropius-Bau
  • Bis 10. Dezember 2017, Mittwoch – Montag: 10–19 Uhr
  • 11 Euro, ermäßigt 7 Euro
© DRIVE Volkswagen Group Forum

4
Ars Electronica bei DRIVE. Volkswagen Group Forum

Bereits zum sechsten Mal ist die Ars Electronica, die Plattform für Digitale Kunst, Kultur und Media aus Linz, zu Gast bei DRIVE. Gemeinsamer Nenner der beiden Elefanten ist die Schnittstelle aus Mensch und Maschine. Durch die oft interaktiven Exponate zieht sich in dieser Ausgabe die Frage: Was wäre, wenn es keine klare Trennung in Mensch hier und Maschine dort geben würde? Was, wenn künstlich erzeugte Organe und Gliedmaßen, selbstverständliche Bestandteile unseres Körpers wären? 14 internationale Künstler beziehen dazu Stellung. Im September und Oktober habt ihr die Möglichkeit euch von der Ars Electronica Kuratorin Manuela Naveau durch die Ausstellung führen zu lassen. Dafür müsst ihr euch über Eventbrite anmelden.

  • DRIVE Forum
  • Bis 26. Oktober 2017, täglich 10–20 Uhr
  • Eintritt frei
Asta Gröting, "Berlin Fassaden", Bild © Verena Schwarz

5
Asta Gröting und Haegue Yang im Kindl

Der Ruhe im Kesselhaus steht im Maschinenraum der Hall von Kanonen gegenüber: das Kindl – Zentrum für Zeitgenössische Kunst holt sich die Gegensätze ins Haus. Skulpturkünstlerin Asta Gröning nahm Abdrücke von Einschüssen des 2.Weltkriegs an Gebäuden in Berlin und kreierte aus diesen Negativen dreidimensionale Exponate. Haegue Yang beschlagnahmt währenddessen mit ihrem ortsspezifischen Werk das Kesselhaus. Haegues Installationen greifen durch die Verwendung geläufiger Objekte und Symbole meist die Thematik der Industrialisierung auf. Hier kreisen metallene venezianische Rollos umeinander und legen, in einem industriellen Setting, die inneren Abläufe eines Computerprozessor offen.

  • Kindl – Zentrum für Zeitgenössische Kunst
  • Asta Gröting bis 3. Dezember 2017, Haegue Yang bis 13. Mai 2018 | Mittwoch – Sonntag: 12–18 Uhr
  • Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3

6
Portrait of a Nation bei me Collectors Room Berlin Geschlossen

In den Vereinten Arabischen Emiraten leben 200 Nationalitäten. Das entspricht Deutschland im Jahr 2016, aber auf nur einem Viertel der Fläche. 200 Nationalitäten sind für ein Land wie die Emirate also einiges und das kann, etwas flapsig ausgedrückt, für die Gemeinschaft und vor allem den Einzelnen verwirrend sein. Ausgehend von diesem Fakt untersucht die Ausstellung „Portrait of a Nation“ das Konzept von Nation und Einheit, Religion, Sprache und Schrift, Tradition und Erbe – und übergeordnet: von Identität. Arbeiten von 50 Künstlern aus drei Künstlergeneration erforschen diese Komplexität.

  • me collectors Room
  • Bis 29. Oktober 2017, Mittwoch – Montag: 12–18 Uhr
  • Eintritt 8 Euro, ermäßigt 4
Die nominierten Künstlerinnen 2017 © Foto: David von Becker

7
Preis der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof

Alle zwei Jahre wird der Preis der Nationalgalerie verliehen; zuletzt sahnte Choreographin und Künstlerin Anne Imhoff ab. Dieses Mal dürfen auf die renommierte Auszeichnung hoffen: Sol Calero, Iman Issa, Jumana Manna und Agnieszka Polska. Alle jünger als 40 Jahre, wohnhaft und beruflich aktiv in Deutschland, und in diesem Jahr erstmalig: alle weiblich. Der Tatsache allein gilt in einer immer noch von Männer dominierten Kunstwelt der Hauptpreis. Am 28. September wurde die Ausstellung eröffnet, am 12. Oktober zwischen 19 und 21 Uhr stellen sich die Künstlerinnen im Panel den Fragen.   

  • Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart
  • Bis 14. Oktober 2017 | Dienstag, Mittwoch & Freitag: 10–18 Uhr, Donnerstag: 10–20 Uhr, Samstag & Sonntag: 11–18 Uhr
  • Alle Ausstellungen 14 Euro, ermäßigt 7
Still aus Flag Wars (2003), Linda Goode Bryant und Laura Poitras

8
Realty im KW Institute for Contemporary Art

Kunst und die kreative „Klasse“ werden ja oft unfreiwillig für die Gentrifizierung instrumentalisiert. Erst werden sie mit guten Konditionen gelockt, nach getaner Arbeit – der Aufwertung eines Kiezes – sollen sie dann aber bitte zügig weiterziehen; Mieterhöhungen helfen nach. Sicherlich bilden in Berlin das KW und die Biennale das Auge des Orkans. Das wissen die Institutionen, versuchen aber gerade darum die Problematik aktiv anzugehen, ein internationales Bündnis zu schaffen, und zu handeln, statt nur verwendet zu werden. Dafür haben sie sich mit der Sommerakademie Paul Klee zusammengetan. Das gemeinsame Langzeitprojekt REALTY denkt über einen pädagogischen Entwurf nach, aber auch über einen Rechtsvorschlag oder die Bündelung von Ressourcen zugunsten einer neuen Struktur. Am 5. Oktober wird zum Beispiel der Film Flag Wars über urbane Enteignung von Linda Goode Bryant und Laura Poitras, Aktivistin und Regisseurin der Edward Snowden Dokumentation „Citizenfour“, gezeigt. 

  • KW Institute for Contemporary Art
  • 3.–5. Oktober 2017, die Zeiten findet ihr im Programm
Erika Stürmer Alex, "Selbstporträt", 1981, Besitz der Künstlerin, Photo: Joachim Richau, Berlin, © VG BILD-KUNST, Bonn 2017

9
Hinter der Maske. Künstler in der DDR im Museum Barberini

Die meisten von euch werden sich an die hohle Hülle des Palast der Republik erinnern. Bis 1990 gab es darin unter anderem die sogenannte Palast Galerie. Sie eröffnete 1975 unter dem Thema „Dürfen Kommunisten träumen?“ mit Arbeiten von Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Willi Sitte, Werner Tübke, Walter Womacka und Hans Vent. Die einzige Vorgabe: die Bilder mussten 280 cm hoch sein, die Breite maximal sechs Meter. Die Bilder haben die Schließung des Palasts glücklicherweise überstanden und nach Restaurierung werden sie nun begleitend zur Ausstellung „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“ im Museum Barberini gezeigt.

  • Museum Barberini
  • 
29. Oktober 2017 bis 4. Februar 2018, Montag, Mittwoch bis Sonntag: 10–19 Uhr, Donnerstag: 10–21 Uhr
  • 14 Euro, ermäßigt 10 Euro
Olaf Nicolai, Big Sneaker [The Nineties], 2001, Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin / VG Bild-Kunst, Bonn 2017

10
The Readymade Century im HKW

Ein Pissoir und ein Rad auf einem Holzhocker. Mit diesen zwei Readymades von Marcel Duchamp wurde uns in der Schule das Kunstgenre vorgestellt. Knapp 100 Jahre nach dem Aufkommen dieser Aneignungsstrategie fragt ein Symposium im HKW, wie es eigentlich um die Mechanismen des Readymade im digitalen Zeitalter steht, also in einer Zeit des ständigen globalen Warentransfers, in der die Eigentumsfrage unlösbar scheint. Zur Diskussion wurden bekannte Künstler wie Olaf Nicolai und Kader Attia geladen.

  • Haus der Kulturen der Welt
  • 12. Oktober 2017, ab 15.30 Uhr, 
13. Oktober 2017: ab 10.30 Uhr
  • Eintritt frei
© Sexauer Galerie

11
Caroline Kryzecki bei Sexauer Galerie

Preisgekrönt! Für die Ausstellung "Come out (to show them)" erhielten Galerist Jan-Philipp Sexauer und die Berliner Künstlerin Caroline Kryzecki gerade den neuen Berliner Galerienpreis. Für die Ausstellung arrangierte Kryzecki, bekannt für ihre Moiré-Zeichnungen, 700 Stück davon so, dass sie einen halluzinogen wirkenden „Teppich“ ergeben. Es geht ihr auch hier um System und Zufall, als Inspiration diente Sol Lewitts Rat an Eve Hesse „You must practice being stupid…“. Das klappt ja derzeit ganz gut in der Welt. Aber das gehört nicht hier her...

  • Sexauer Galerie
  • Dienstag – Samstag: 13–18 Uhr

Entdecke die besten Restaurants, Bars und Plätze in deiner Nähe.

Zur neuen Karte!
Zurück zur Startseite