11 Kunsttipps für den November 2017

November. Es ist also schon wieder fast ein Jahr vorbei. Ehe ich aber anfange,  Jahreshighlights zusammenzukratzen, schaue ich für euch noch mal nach vorn. Der ekelhafteste aller Monate beschert uns immerhin in der Kunst ein paar Lichtblicke. Er lässt in bunte Welten tauchen, begibt sich mit euch auf einen Roadtrip entlang des Mississippi, bietet eine Bühne für alle, fragt nach Utopien und scheut nicht davor zurück, die existenziellen Fragen zu stellen.

Henri Rousseau @Visions Alive

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Von Monet bis Kandinsky. Visions Alive in der Alten Münze

Bewegtbilder prägen sich besser ein. Darauf setzt auch Visions Alive. Nach "Van Gogh Alive" 2015 und "Hieronymus Bosch.Visions Alive" 2016/2017 lässt die mediale Bilderschau jetzt die Werke 16 großer Meister des Expressionismus, der abstrakten Malerei, des Surrealismus und des Suprematismus – Paul Klee, Wassily Kandinsky, Claude Monet, Gustav Klimt u.a. – über die Wände tanzen. Zigfach gesehene Bilder zerlegen sich und ordnen sich spielerisch neu. Geometrische Formen setzen sich zu Mondrian-Rastern zusammen, Blumen und Bäume umschlingen sich im Rousseau’schen Dschungel. So bleiben die oft gesehenen Klassiker jetzt hoffentlich endlich unvergessen.

Julian Schnabel, "Big Girl Paintings", 2002, installation view Gagosian Gallery, LA und New York

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Julian Schnabel bei Circle Culture Gallery

Zuletzt sorgte eher der Sohn für Schlagzeilen: Liebe, Drogen und andere Skandale des Vito Schnabel. Dabei hat Papa Julian eigentlich mehr Nachrichtenwert – der produziert nämlich fantastische Filme: „Schmetterling und Taucherglocke“ oder „Basquiat“. Eigentlich möchte er aber als Maler gehandelt werden. Neo-Expressionismus ist sein Genre und steht für ein sehr freies experimentieren mit allerlei Materialien, Techniken und Referenzen. Mit „Childhood“ öffnet er aber, entgegen der Erwartung, nicht das Familienalbum, sondern befasst sich in recht eklektischen Grafiken mit der Entstehung der USA.

Cyrill Lachauer, "Rapper" © Berlinische Galerie

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Cyrill Lachauer in der Berlinischen Galerie

Die Expeditionsberichte des gelernten Ethnologen Cyrill Lachauer "liest" man wirklich gern. Die Ausstellung „What Do You Want Here“ zeigt beispielsweise einen Film, Texte und Fotos, die auf Reisen in den USA entstanden sind. Die Route wurde hier vorgegeben von der Forschungsreise des Ethnologen Carlos Castaned, bekannt als Gründer der New-Age-Bewegung und außerdem ein vermuteter Scharlatan. Lachauers Beobachtungen entlang des Mississippi verbindet er jetzt, für diese Ausstellung, mit fiktiven Situationen und historischen Bezügen.

© Jeppe Hein

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Jeppe Hein im St. Agnes

"Don’t expect anything, but be open to everything!" Letztgenanntes ist so unfassbar schwierig. Interaktive Stücke? Mitmachen? Auf keinen Fall. Schnell in der letzten Reihe versteckt. Bei dieser Show von Jeppe Hein käme das aber einer totalen Themenverfehlung gleich. Normalerweise tritt der Betrachter mit den Objekten des Dänen in Beziehung – diese fehlen hier aber komplett. Im Mittelpunkt steht die Begegnung untereinander und was daraus entsteht. Jeder Eventtag im St.Agnes ist anders, jeder Tag wird zur Vernissage und du zum Mit-Künstler. So unangenehm ist das alles auch gar nicht. 

  • St. Agnes Alexandrinenstraße 118-121
  • Bis 5. November 2017 | Donnerstag – Sonntag: 18.30–19 Uhr, Beginn: 19 Uhr, später kein Einlass möglich
© Anna Uddenberg und Kraupa-Tuskany Zeidler

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Anna Uddenberg bei Kraupa-Tuskany Zeidler

Seit September hat Post-Internet-Art ein Zuhause in Kreuzberg. Hierin zog es die Galerie Kraupa-Tuskany Zeidler und damit raus aus dem Gebäude des Berliner Verlags am Alex. Die Besichtigung der neuen Stätte lässt sich hervorragend mit einem Besuch der Ausstellung von Anna Uddenberg verbinden. Die gebürtige Schwedin interessieren Stereotype – in Geschlecht und Klasse. Ihre kollabierten Reisenden zur 9. Berlin Biennale verbanden beides. Jene Skulpturen hießen die Besucher ziemlich brutal in der Lobby der Akademie der Künste willkommen. Frauen oder Teile davon hingen hier eingekleidet in die geschmackskritischen Modeerscheinungen der weißen Mittelschicht – Tribal Tattoos, Crocs Schlappen, Leggings, Ugg Boots – über rosa Trollies und Backpacker-Rucksäcken. Mainstream Game Over!

  • Kraupa-Tuskany Zeidler Kohlfurter Straße 41/43
  • 4. November 2017 – 13. Januar 2018, Dienstag – Samstag: 11–18 Uhr | Eröffnung: 3. November 2017: 18–21 Uhr

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A Journey of Belonging im Bikini Berlin

Die Flucht aus der Heimat bedeutet nicht nur Hab und Gut, Familie und Freunde zurückzulassen. Oft heißt es auch einen lang ausgeübten Beruf aufzugeben – eine wichtige Form des individuellen Ausdrucks. Hier setzt „A Journey of Belonging“ der Contemporary Arts Alliance Berlin an. Stipendien und ein Mentorenprogramm unterstützen Künstler, die durch Flucht nach Deutschland gekommen sind, um hier professionell Fuß zu fassen. Ein Monat lang wird 15 KünstlerInnen ein Atelier gestellt, zeitgleich unterstützen renommierte Künstler wie Norbert Bisky und Nasan Tur sowie Institutionen wie C/O Berlin, Berlinische Galerie und eigen+Art Lab mit Wissen und Ressourcen. Im Pop-up-Store könnt ihr ab dem 7. November Produkte u.a. von Abury, Cucula, Gyalpa, MAATÏ MAATÏ, Rita in Palma erstehen, am 24. und 25. November dann die Ateliers besichtigen.

Brunnenstraße 9, Berlin © Erica Overmeer

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Concrete Utopias bei Schau Fenster

Ist Beton jetzt eigentlich in oder schon wieder total 2016? Einer der in dieser Debatte nicht fehlen darf, ist Architekt Arno Brandlhuber. Er stellte vor einigen Jahren einen Betonkubus auf die Brunnenstraße, der aus mehreren Gründen Gesprächsstoff ist: Einerseits beherbergt er die verehrte Galerie KOW – die auch den an dieser Gruppenschau beteiligten Tobias Zielony vertritt –  und führt uns zweitens vor, wie ein vermeintlich kaltes Material eine Lösung für energiebewusstes Wohnen sein kann. Trotzdem bleibt Beton für viele menschenfeindlich und Brutalismus vor allem ein Angriff auf das ästhetische Empfinden. Wohin geht’s denn nun mit dem Baustoff? Was kann er uns in der Zukunft bringen? Künstler und Architekten beziehen Stellung.

Lindsay Lawson, "7477", 2013 © Gillmeier Rech

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Lindsay Lawson bei Gillmeier Rech

2016 las man Lindsay Lawsons Name auf fast jeder Artists-to-watch-Liste. Der Hype ist berechtigt. Lawsons Arbeit ist bissig. Der Objektfetisch der Gesellschaft (siehe Handy) und die essenzielle Rolle digitaler Plattformen für das moderne Leben (ebay für Shopping, OkCupid für Dating) bieten ihr Stoff für ironische Kommentare; und auch Ironie ist ja ein Symptom unserer Zeit. Ein resigniertes „Nope“ ist der Titel ihrer neuen Ausstellung bei Gillmeier Rech. Nehmt das aber nicht zu wörtlich. Wäre schade um eine sicherlich bereichernde Erfahrung. 

Chiatu Shiota, "Uncertain Journey", 2016 © Christian Glaeser

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Chiharu Shiota in der Nikolaikirche

Wenn ihr die wie ein Spinnennetz durch den Raum gesponnenen roten Schnüre bei Blain Southern gesehen habt, hattet ihr es schon mal mit einem echten Shiota zu tun. Die filigranen Skulpturen der gebürtigen Japanerin täuschen aber über die schweren Themen ihrer Arbeit hinweg: Erinnerung, Heimat, Angst, Geburt und Tod. Auch anlässlich des 500. Reformationstages wird’s, na ja, sagen wir mal: gewichtig. Um die globale Reichweite der biblischen Botschaft und Reformation zu zeigen, flechtet sie, in sakraler Kulisse, Seiten des heiligen Buches in ihre Skulptur ein. Mal wieder ein Grund in die Kirche zu gehen …

Fiete Stolte, "Vitreous Essay on Permanence # 11-12 and 14-15", 2017 © Klosterfelde

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Fiete Stolte bei Helga Maria Klosterfelde Edition

Was ist eigentlich Zeit? Und wie können wir sie messen? Oft stehen diese philosophischen Fragen im Zentrum von Fiete Stoltes Arbeit. Angeblich lebte er sogar nach einer 8-Tage- statt der üblichen 7-Tage-Woche; diese sei, so der Konzeptkünstler, eine Mensch-gemachte Struktur und damit durch den Menschen auch wieder veränderbar. Stoltes Arbeiten lassen sich nicht auf ein Medium reduzieren: Mal sind es raumspezifische Installationen, mal, wie in "Vitreous Essay on Permanence", manipulierte Objekte und Soundarbeiten. 

Carrie Mae Weems “Untitled (Woman walking along railroad tracks)”, 2003 © Carrie Mae Weems

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Black Matters bei Barbara Thumm


Last Chance! Wirklich selten zeigen Galerien Künstler, die sie nicht selbst vertreten. Black Matters war Barbara Thumm aber ein Anliegen. Dafür lud sie den Kurator Octavio Zaya ein, der wiederum Arbeiten unter anderem von Radcliffe Bailey, Barkley L. Hendricks und María Magdalena Campos-Pons mitbrachte. Alle sind afrikanischer oder afro-amerikanischer Herkunft, gehören also einer Gruppe an, deren Perspektiven in einer weiß-regierten (Kunst-)Welt unterrepräsentiert sind und im Alltag diskriminiert werden. Rassismus bleibt ein schreiendes Problem – überall – und kann gar nicht genug Plattformen kriegen. Schlimm genug, dass diese heute noch so dringend wie je benötigt werden.

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