Nein, ich möchte auf deiner Party nicht meine Schuhe ausziehen

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In ihrer Kolumne "Fragen an das seltsame Leben" stellt Autorin Ilona diesem seltsamen Leben Fragen zu den großen, aber vor allem zu den kleinen, meistens ziemlich bescheuerten Rätseln des Alltags.

"In Italien ist es sogar unhöflich, in fremden Wohnungen die Schuhe auszuziehen“, sagt meine Freundin, während wir mit kalten Füßen zusammen auf dem einzigen kleinen Teppich im Raum stehen, "man versteht es als Signal, dass der Gast die Privatsphäre des Hausherrn nicht respektiert." Sehe ich genauso. Und ich hätte auch wirklich gerne meine Schuhe anbehalten, als ich diese Party betrat. Fast hätte ich es auch geschafft: Ich kam herein, hängte den Mantel in die Armbeuge und sah lange damit so aus, als wäre ich eben erst hereingekommen. Das ging etwa eine Stunde gut, aber dann hatte ich ein leeres Getränk in der Hand und es wurde langsam auffällig. Die Gastgeberin kam zu mir und sagte "Komm, nun leg aber mal ab. Hier kannst du den Mantel hinhängen und da die Schuhe abstellen." Missmutig zog ich sie also aus und stellte sie neben den dunklen Haufen fremder Schuhe, der sich am Boden gebildet hatte wie ein Maulwurfshügel aus Gummisohlen. Den Rest des Abends verbrachte ich mit kalten Füßen und dem Gefühl, auf einem Kindergeburtstag gelandet zu sein.

Sockig entsteht keine Magie.

Es sollte verboten sein, von Gästen bei Hauspartys zu verlangen, die Schuhe auszuziehen. Wer eine Party bei sich feiert, muss auch den Dreck begrüßen, den Lärm, die Krümel, Flecken und Flaschenränder auf dem Tisch. Das gehört dazu. "No shoes"-Partys sind der Inbegriff von allem, was man nie wollte, als man 16 war und noch einen Funken lust for life in sich trug.

"No shoes"-Partys sind der Inbegriff von allem, was man nie wollte, als man 16 war und noch einen Funken lust for life in sich trug.

Niemand rastet ohne Socken aus. Niemand wird über Nacht in Socken zum Rockstar. Es gibt keinen Song in der Popgeschichte, der von "dancing socks" handelt. Sockig entsteht keine Magie. Betrunken nur in Socken zu tanzen ist ab einem gewissen Punkt der Nacht natürlich das Beste auf der Welt. Aber eben nur, weil man den ganzen Abend vorher Schuhe anhatte. Und sie dann mit den ersten Takten von „Let's Dance“ in die Ecke gefeuert hat – allein für diesen Moment lohnt es sich schon, Schuhe zu tragen.

Socken sind zu intim.

Und überhaupt: Ich will keine löchrigen Socken sehen, nicht von meinen Freunden und noch weniger von Fremden. Das ist mir zu intim. Schon gar nicht will sie riechen. Ich will nicht in Feinstrümpfen in der Küche in einer Pfütze aus Jägermeister und Ginger Ale kleben bleiben. Und schon gar nicht will ich unter keinen Umständen jemals etwas angeboten bekommen, das "Gästepantoffel" heißt. Gästepantoffeln stehen auf der nach unten offenen Lagerfeld-Skala des schlechten Geschmacks noch weit hinter der Jogginghose, schon gar nicht mehr mit bloßem Auge erkennbar. "Gästepantoffeln" sind mein persönliches Safeword für Momente, in denen ich drohe, mich zu spießbürgerlich zu verhalten. Einzige Ausnahme für meine no socks policy: Einladungen zum Abendessen auf dem Sofa. Da bringe ich dann extra meine saubersten, schönsten Hausschuhe mit, versprochen.

Wenn ich mir Gedanken über mein Outfit mache, hören diese Gedanken nicht beim Hosensaum auf und ich möchte dafür den nötigen Respekt.

Lasst uns Spaß haben, aber bloß nicht zu viel.

Wer Gäste zu sich nach Hause zu einer Party einlädt und sie gleichsam bittet, die Schuhe auszuziehen, sendet widersprüchliche Signale: “Lasst uns Spaß haben, aber bloß nicht zu viel. Bitte feiert vorsichtig!” Dabei hat Schuhe ausziehen aus praktischen Gesichtspunkten gar nicht mal so viele Vorteile. Dreckig wird’s eh, sei es von verschütteten Getränken, runtergefallenem Essen oder Tabakbröseln. Um Parkettboden tatsächlich zu ruinieren, sind Zigarettenstummel wesentlich gefährlicher als jede Art von Absatz. Und abgesehen von alledem: Angezogene, erwachsene Menschen ohne Schuhe mit Weinglas in der Hand sehen völlig bescheuert aus.

Nein, nicht mit mir. Ich möchte dir, lieber Gastgeber, liebe Gastgeberin aller künftiger Partys, auf die ich nach diesem Artikel vermutlich nicht mehr eingeladen werde, etwas sagen: Ich will meine Schuhe auf deiner Party anlassen. Ich wohne nicht bei dir. Ich will auch nicht für einen Abend lang so tun, als wäre deine casa meine casa, denn das ist gelogen und im Grunde genommen sind wir beide auch froh, dass das so ist. Wenn ich mir Gedanken über mein Outfit mache, hören diese Gedanken nicht beim Hosensaum auf und ich möchte dafür den nötigen Respekt. Und wenn ich gehen möchte, will ich gehen und zwar sofort und ohne, dass ich vorher im Flur in einem Haufen aus fremden Schuhen meine eigenen herauswühlen muss. Das ist stillos. Wenn ich einen polnischen Abgang machen möchte, will ich nicht beim gebückten Schuhebinden doch noch überrascht werden. "Auf leisen Sohlen verschwinden" heißt es, nicht "auf leisen Socken" – und ich finde, daran sollten sich alle halten, die kein Fell und Schnurrhaare haben.

Wenn ich einen polnischen Abgang machen möchte, will ich nicht beim gebückten Schuhebinden doch noch überrascht werden.
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