Luxus und Gentrifizierung – Das Hotel Orania am Oranienplatz sorgt für hitzige Debatten

© Wiebke Jann

Überall in den Tageszeitungen liest man Schlagzeilen, dass der Multimilionär Dietrich von Boetticher ein Luxushotel mitten im Kreuzberg36-Kiez eröffnet hat, mit Zimmern für 700 Euro die Nacht, was zugegeben die meisten Kreuzberger nicht einmal im Monat für ihr Zimmer bezahlen. Schnell wurden Gentrifizierungsrufe laut, Plakate mit dem Slogan "Euer Luxus ist unsere Armut" wurden vor dem Hotel aufgehangen und ein paar Tage vor der Eröffnung noch für den Verbleib eines Spätis um die Ecke demonstriert. Kreuzberg soll Kreuzberg bleiben, da sind Luxushotels unerwünscht. Aber wie viel Luxus steckt tatsächlich im Hotel Orania drin? Und was ist wirklich Kreuzberg? Ich habe mich mit Nora, der Pressereferentin des Hotel, und dem Hotelier Dietmar Müller-Elmau getroffen, um ein paar Antworten zu bekommen.

Ich bin überrascht, wie offen Herr Müller-Elmau ist. Hier sitzt mir kein millionenschwerer Hotelier gegenüber, der dieses Haus lediglich als Investment betrachtet. Natürlich kann er nicht widersprechen, dass es Suiten gibt, die ab 600 Euro die Nacht kosten und er weiß auch, dass ein Großteil der Kreuzberger so viel nicht einmal im Monat bezahlt. Doch von den insgesamt 40 Zimmern kosten 25 samt Frühstück ab 100 Euro die Nacht, was preislich nicht viel teurer ist als das unweit am Moritzplatz gelegene Motel One. Luxus? Darüber kann man streiten.

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Außerdem weiß der Hotelier ganz genau um die Problematik seines – wenn auch nicht unbedingt wahnsinnig teueren – prunkvollen Hauses im Kiez. Bereits vor der Eröffnung veranstaltete das Hotel deswegen ein Sommerfest für alle Nachbarn, um ihnen das Haus zu zeigen. Das ist aber nicht der einzige Versuch, das Hotel mit dem Kiez ins Reine zu bringen. Wie mir Nora bei einer Führung durchs Haus erzählt, stammt die Seife in den Hotelzimmern aus dem Prenzlauer Berg, der Kaffee von der Five Elephant Coffee Roastery in der Reichenberger Straße in Kreuzberg und die Blumen, die sich im gesamten Haus befinden, sind vom Blumenladen gegenüber.

Im Leseraum angekommen, erzählt mir Nora auch, dass hier künftig regelmäßig Lesungen in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung von gegenüber stattfinden werden, genauso wie Konzerte in der Bar im Erdgeschoss. Bei beiden Eventreihen achte man sehr auf Lokalität, denn es sollen nur Berliner Musiker auftreten, die sich zwischen Klassik, Jazz aber auch Elektronischem bewegen. Müller-Elmau hofft dabei natürlich auch, die Kreuzberger in sein Hotel zu locken, denn nicht nur die Konzerte sind für alle frei zugänglich, sondern auch die Bar und das Restaurant – wobei ein Blick auf die Karte und die Preise dann doch schnell in Erinnerung ruft, dass man sich hier eben nicht in einem Motel One, sondern einem nicht ganz günstigen Boutiquehotel befindet.

Ich spreche Müller-Elmau auf den Späti an, vor dem vergangenes Wochenende demonstriert wurde, weil der Immobilienbesitzer die Miete verdoppeln wollte – und bin überrascht, dass er die Besitzerin des Spätis nicht nur persönlich kennt, sondern auch dass der Eigentümer des Orania, Dietrich von Boetticher, sie sogar juristisch vertritt und die Dame häufig zum Kaffee ins Orania kommt. Sie möge das Hotel und freue sich über die Unterstützung. Und sie ist nicht die einzige, die künftig vom Hotel unterstützt werden soll, denn ein Teil der Einnahmen soll dafür genutzt werden, das Quartiermanagment Zentrum Kreuzberg zu unterstützen und gemeinsame Projekte zu realisieren.

Natürlich sind all das bisher nur Vorhaben, die nichts an dem Unmut der Leute ändern. Und ich will auch gar nicht bestreiten, dass so eine Immobilie ein neues, finanzkräftigeres Klientel in den Kiez bringt. Aber das bisherige Engagement lässt doch hoffen, das den Betreibern, ebenso wie allen anderen Bewohnern des Kiezes, an einer kulturellen Vielfalt gelegen ist. Veränderung lässt sich nun einmal nicht aufhalten, auch nicht mit Rufen nach Bauverboten für Hotels – wie sie nicht nur von Demonstranten, sondern beispielsweise auch vom Baustadtrat Florian Schmidt laut werden – und Leerstand schöner, historischer Bausubstanz. Alles verändert sich, Berlin ist ständig im Wandel. Machen wir uns die Sache nicht etwas zu leicht, wenn wir denken, man könne die Aufwertung der Wohnviertel dadurch verhindern, dass man einfach alles, was die Lebensqualität erhöht, verbietet? Sollte nicht besser nach Lösungen gesucht werden, wie ein Miteinander möglich ist? Das Hotel hat viel vor für den Kiez und ich bin gespannt, was sie daraus machen.

Veränderung lässt sich nicht aufhalten, auch nicht mit Rufen nach Bauverboten für Hotels und Leerstand schöner, historischer Bausubstanz.

Ihr wollt mehr über das Hotel erfahren? Hier ist das möglich.

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