Ein schlechtes Date wird zur Lehre über männlichen Leistungsdruck

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Vergangene Woche hatte ich ein Date. Um es vorweg zu nehmen: Es ging ziemlich in die Hose. Es war nicht das erste schlechte Date, aber so anders als alle vorherigen, dass ich es nichtmal richtig beenden wollte oder konnte, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weiter geht.

Es fing alles an einem Wochenende in Schottland an. Ich zog mit meinen Schwestern von Bar zu Bar. Wir wollten auch tanzen, also fanden wir einen der letzten Läden, der geöffnet hatte. Nach einigen Lieder lernte ich einen Schotten kennen. Groß, 24 Jahre alt, gut gebaut, Tattoos an beiden Armen – vom Aussehen also genau mein Typ. Es dauerte nicht lange, bis wir uns küssten und zufällig stellten wir fest, dass er die nächste Woche in Berlin zu Besuch sei. Wir verabredeten uns für ein richtiges Date.

In der darauf folgenden Woche schrieben wir bei Facebook und ich lud ihn schließlich zu mir ein. Ich stellte mich auf einen entspannten und verknutschten Abend ein. Die Begrüßung war eher verhalten. Wir wussten nicht recht, ob wir uns küssen oder umarmen sollten. Wir entschieden uns nach einigen verlegenen Blicken für eine Umarmung und einen sanften Kuss auf die Wange. Aber nach den anfänglichen Schüchternheiten und Smalltalk küssten wir uns richtig. Ich sage mal so: Meine Erinnerung war vom Barhopping doch etwas getrübt worden.

Das ging gewaltig in die Hose

Doch dann passierte es: Er zog mein Gesicht von seinem weg und fing an sich zu entschuldigen. Weshalb denn? Er wäre gerade gekommen, sagte er schüchtern. Ich war etwas verwirrt. Wir hatten beide noch unsere Klamotten an, zudem trug ich eine wenig aufreizende Jogginghose und einen locker sitzenden Pulli. Seine Hände hatten meine Haut bisher noch nicht berührt und meine vergrub ich lediglich in seinen Haaren. Ich war etwas verwirrt, fand es aber nicht sonderlich schlimm. Kann ja mal passieren, sagte ich mir und ihm. Es war ihm unfassbar unangenehm, was ich durchaus verstehen konnte, aber ich beteuerte ihm, dass es okay sei und wirklich nicht der Rede wert.

Bis zu dem Zeitpunkt, 20 Minuten später, an dem sich die Situation wiederholte. Ich traute meinen Ohren kaum. Ich setzte mich neben ihm auf und hörte mir minutenlang seine Entschuldigung an. Ich bekam Mittleid. Im gleich Moment machte ich mir jedoch klar, dass Mittleid noch niemandem geholfen hat. Ich fragte ihn, ob wir nicht einfach ein bisschen quatschen sollten, bei Bier und Pasta. Erst stimmte er zu, doch als ich auf dem Weg in die Küche war, folgte er mir schnellen Schrittes und sagte, er müsse jetzt gehen. Seine Hände zitterten und er sah geknickt aus. Ich verstand, dass es ihm peinlich war.

Männlicher Leistungsdruck ist ein Tabuthema

Ich versuchte, zu verstehen, dass er nicht souverän reagiert hatte, doch das gelang mir nicht. Erst im Nachhinein, als ich im Bett lag, wurde mir klar, dass ich es nicht verstand. Vielleicht stehe ich als Frau nicht so unter dem Druck, eine gewisse „Leistung“ zu erbringen? Mit Grübeleien im Kopf schlief ich ein und bewahrte mir dennoch ein relativ positives Bild des jungen Mannes.

Auch am nächsten Morgen ließ mich der Gedanke nicht los. Ich sprach auch mit anderen Freunden über den gestrigen Abend und musste feststellen, dass sie vor allem Mitleid empfanden. Sätze wie "Als Mann ist das das Schlimmste" und "Das wäre mein Albtraum" bekam ich als Antwort auf meine Fragen. Anscheinend ist der Druck, der auf den männlichen Schultern lastet, nicht nur enorm groß, man spricht auch nicht darüber. Es werden Witze darüber gemacht oder blöde Sprüche gerissen. Ein ernster Dialog oder eine Diskussion über dieses Thema entsteht selten. Es scheint ein Tabuthema zu sein.

Aber warum? Wahrscheinlich weil es das Bild der gesellschaftlich kreierten Männlichkeit verletzt und so keinen Platz für Fehler oder Abweichungen der Norm zulässt. Am Ende bin ich erstaunt, verwundert und überwältigt zugleich. Vielleicht sehe ich den Schotten nicht wieder, aber der Abend mit ihm gab mir den Anstoß, auf solche Situationen nicht mit Mitleid, sondern Souveränität und Offenheit zu reagieren.

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