"Man muss nur essen, trinken und genießen": Im Interview mit Dylan Watson-Brawn vom ernst

Diese Woche hat das ernst offiziell eröffnet, ein Restaurant, über das schon lange viel geredet wird. Mitten im Wedding, genauer gesagt in einer alten Spielothek, können seit dem 9. August 12 Gäste dem jungen und talentierten Chefkoch Dylan Watson-Brawn und seinem Team beim Kochen zuschauen, sich von Sommelier Christoph Geyler Weine einschenken lassen und den Alltag für ein paar Stunden vergessen.

Ich habe Dylan in der Altbauwohnung getroffen, in der die letzten Jahre sein Supper Club ernst stattgefunden hat. Wir haben über Berlin, seinen Kochstil und sein Restaurant gesprochen. Was der 23-jährige Kanadier von "brutal regional" denkt, was die Gäste in seinem Restaurant erwarten dürfen und vieles mehr, erfahrt ihr hier.

© Maidje Meergans

Wie würdest Du Berlin beschreiben? Die Stadt als solche und kulinarisch?
Berlin ist rau und vielfältig. Verschiedene Menschen und verschiedene Dinge können hier miteinander leben und existieren. Die Menschen sind hier offener und bereit, neue Dinge auszuprobieren.

Berlin ist rau und vielfältig.

Wo gehst du in Berlin gerne essen?
Wir haben einen guten Deal mit Asia Deli um die Ecke. Seit gestern dürfen wir unseren eigenen Wein mitbringen. Dort werden wir jetzt wohl öfter hingehen. Ich mag Lode & Stijn, die beiden sind gute Freunde von uns. Ich mag auch das Nobelhart & Schmutzig sehr, ebenfalls gute Freunde von uns. In der Nähe gibt's auch ein gutes Thai-Restaurant. Aber um ehrlich zu sein kochen und essen wir die meiste Zeit hier.

Beschreibe deinen Tag, wenn abends ein Dinner stattfindet.
Ein Großteil des Teams würde morgens zum Markt gehen. Wir gehen nicht auf den Markt um zu "shoppen", sondern um die Produkte unserer Landwirte abzuholen. An einem Samstag wären wir dann gegen 8 Uhr zurück in der Küche. Für uns ist das Handling der Produkte sehr wichtig. Wir legen es beiseite, bewahren es auf oder verarbeiten es weiter, wenn nötig. Vor allem Gemüse fassen wir nicht vor 17 oder 18 Uhr an. Es könnte so ablaufen: Auf dem Markt kaufen wir 10 kg Aprikosen. Für den Abend benötigen wir aber nur 500 Gramm davon. Die verbleibenden 9,5 kg verarbeiten wir zu Essig, füllen das Obst in Gläser, bereiten es für den Winter vor. Wir versuchen, so viel wie möglich so kurz wie möglich vor dem Dinner zu machen. Um 16 Uhr isst das Team, danach fangen wir mit dem Kochen an und dann kommen auch schon die Gäste.

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Auf dem Markt in Berlin-Charlottenburg. © Maidje Meergans

Die Gäste bekommen einen Großteil des Kochens live mit?
Ja, genau. Unser Kochen hängt von sehr guten Produkten und einem perfekten Timing ab. Wenn Erbsen auf der Karte stehen, nehmen wir sie 10 Minuten vor dem Servieren aus ihrer Schale. Wir schneiden Gemüse, Fleisch und anderes direkt vor dem Rausgeben der Teller.

Bei ernst geht es also um hochwertige Produkte und Timing?
Und um die Einfachheit und Klarheit der Produkte. Wir verarbeiten die Produkte kaum. Wir machen nur wenig Soßen oder Pürees. Es geht darum, die besten Charaktereigenschaften der Produkte zu erhalten. Man nimmt unsere Gerichte als "einfach" wahr, dabei sind sie es gar nicht. Es stecken viel Zeit und Arbeit in ihnen. Die gegrillte Gurke mit Apfel-Essig-Gelee sind nur zwei Zutaten, aber das Gelee haben wir vor einem Jahr mit Äpfeln vom gleichen Hof gemacht und abgefüllt. Am Tag des Dinners wird das Glas mit dem Gelee geöffnet, die Gurke wird gegrillt, geschnitten und dann wird beides angerichtet und serviert.

Uns geht es darum, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.

Wie stehst du zu "brutal regional"?
Es ist toll. So haben wir begonnen zu kochen, lange bevor es zum Trend wurde. Wir wussten damals nichts von Terra oder anderen Großhändlern, aber wir konnten auch nichts von ihnen bestellen, weil wir "nur" ein Supper Club in einer Wohnung waren. Wir waren nicht offiziell, also konnten wir nur mit lokalen Landwirten und lokalen Höfen zusammenarbeiten, um an Obst, Gemüse und Fleisch ranzukommen. Es war eine logische, organische Herangehensweise. Alles wächst und entwickelt sich. Das gilt für unsere Weinauswahl, aber auch für unsere Produzenten, Lieferanten und unser Wissen.

Wir verwenden Produkte eines Mangalitza-Hofes in Österreich, weil sie einfach phänomenal gut sind. Wir suchen nach Weltklasse-Qualität und wenn wir diese in einem Produkt nicht finden, nutzen wir es auch nicht. Wenn die besten Zitronen aus Sizilien kommen, dann beziehen wir die Zitronen eben aus Sizilien.

Das ernst-Team begutachtet die Mangalitza Schweine in Österreich. © Maidje Meergans
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Ihr arbeitet sowohl mit lokalen Höfen als auch mit Bauern aus Italien oder Schweden.
Aber auch das ist nicht wirklich weit weg. Ich habe für einige Monate in Japan gearbeitet. Die Entfernung von Italien zu Schweden ist genau so weit wie die von Nordjapan bis runter in den Süden. Wir verwenden Zitronen aus Sizilien und nutzen andere Produkte aus dem Norden Europas. Uns geht es vor allem darum, Beziehungen mit Produzenten aufzubauen, welchen wir vertrauen können, und diese auch langfristig zu pflegen.

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Man muss nur essen, trinken und genießen.

Berlin auf einem Teller: Wie würdest du die Stadt als Gericht interpretieren?
Berlin wäre nicht nur ein Gericht, es wären viele ganz verschiedene. Berlin ist einfach zu kompliziert und vielseitig, das finde ich aber gut. Ich glaube, viele Menschen schätzen Berlin nicht, schätzen nicht was sie hier haben. Ich komme aus Vancouver, einer sehr multikulturellen Stadt und das ist etwas Wunderbares. Für mich geht es in Berlin um Nischen. Eine Stadt, in der Menschen mit verschiedenen Identitäten, Herkünften, Ideen und Zielen miteinander leben. Es geht um Möglichkeiten und Vielfalt.

Was erwartet einen Gast im ernst?
Unsere Gäste sollen sich bei uns willkommen und wohl fühlen, als seien sie Freunde von uns. Es gibt nur Platz für 12 Gäste, dadurch können wir jedem einzelnen sehr viel Aufmerksamkeit und Zeit schenken. Man soll sich nach einem ernst-Besuch gut fühlen – nicht zu voll, nicht zu betrunken. Es soll ein Erlebnis sein, bei dem man drei bis vier Stunden Auszeit von seinem regulären Leben hat. An einem Abend bei ernst muss sich der Gast, wenn er die Weinbegleitung wählt, eigentlich um nichts Gedanken machen. Er muss nur essen, trinken und genießen.

Wenn ihr auch mal zu Gast bei ernst sein wollt und euch von Dylan und seinem Team bekochen lassen wollt, könnt ihr euch hier Tickets kaufen. Ein Menü kostet 135 Euro, die Weinbegleitung dazu 85 Euro.

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