Der Blog "Yolocaust" kritisiert mit drastischen Bildern die Selfies am Holocaust-Mahnmal

Als die Vice vor ein paar Jahren Instagram-Bilder von arg geschichtsvergessenen Teens sammelte, da dachte man, dass es ja jetzt jeder verstanden haben muss: Auf Instagram (oder Facebook oder Tinder oder Grindr oder oder oder…) zwischen den Stelen des "Denkmals für die ermordeten Juden Europas" zu posen und das Ganze mit Hashtags wie #happy #blessed oder gar #yolocaust zu versehen, ist mindestens ziemlich dumm. Um es mal nett auszudrücken.

Aber natürlich hat es nicht jeder verstanden. Sieht doch so stylish aus! Und das tiefe Grau der Stelen lässt das strahlende Lächeln auf dem Tinder-Profilbild doch erst so richtig schön zum Leuchten bringen! Außerdem kann man auf so einem Betonquader so richtig gut seine Yoga-Skills zeigen. Oder?

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

Der Satirist und generell coole Hund Shahak Shapira geht die Sache jetzt drastisch an: Auf der Webseite Yolocaust, die am Mittwoch online gegangen ist, versammelt er solche geschmacklosen Selfies. Doch damit nicht genug – bewegt sich die Maus über das Bild, sind sie plötzlich in zeitgenössische Aufnahmen aus den KZs montiert. Da jongliert jemand mit seinen knallpinken Bällen plötzlich in einem Massengrab, in das Selfie rücken ausgemergelte Körper rein. Das dürfte auch für die verständlich sein, die sonst etwas schwerer von Begriff sind. Shapira selbst schreibt, dass unsere Erinnerungskultur durch das Kombinieren von Selfies am Holocaust-Mahnmal in Berlin mit Bildmaterial aus Vernichtungslagern hinterfragt werden solle.

Das Universum hat tatkräftig dabei geholfen, die gesamte Aktion noch ein wenig gruseliger zu machen – wurden doch am Mittwoch die Äußerungen von Björn Höcke zum Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bekannt. Was er über Shapiras Projekt denkt, das ihm auf Facebook immerhin gewidmet wurde, ist noch nicht bekannt.

Wer sich auf dem Bild erkennt und sich nun in Grund und Boden schämt, braucht aber nur eine Email an [email protected] zu schreiben, um das Bild entfernen zu lassen.

Update 31.01.2017Shahak Shapira hat nach einer Woche die Bilder auf "Yolocaust" offline genommen. Er schreibt: "Die Seite wurde von über 2,5 Millionen Menschen besucht. Das Verrückte ist, dass das Projekt inzwischen auch alle zwölf Personen erreicht hat, die auf den Selfies abgebildet waren. Fast alle haben die Botschaft verstanden, sich entschuldigt und entschieden, ihre Selfies von ihren Facebook- oder Instagram-Profilen zu löschen." Selbst der Mann, der Shapira zu Yolocaust inspiriert hat, meldete sich mit einer einsichtigen Nachricht. Bleibt nur zu hoffen, dass es anderen Menschen genauso geht.

Selbstverständlich haben wir uns auch entschieden, die Screenshots der Seite wieder offline zu nehmen, die vorher hier den Artikel bebildert haben.

© via Shahak Shapira
Buch, Mit Vergnügen, Berlin für alle Lebenslagen
Zurück zur Startseite