Das Gemüse des Monats: Grünkohl

© Anna Shepulova | Shutterstock

In dieser Serie stellen wir jeden Monat ein ganz besonders Gemüse der Saison vor – von seiner Kulturgeschichte über Zubereitungsarten bis hin zu den besten Adressen dafür in Berlin. Im Januar sind wir dem etwas schüchternen Grünkohl näher gekommen.

Man hat es nicht leicht im Januar. In keinem, und auch nicht in diesem. Wir sind hin- und hergerissen zwischen der Sehnsucht nach alten Zeiten und wohlgemutem Voranschreiten in neue Gefilde. Ein Monat, vielblättrig und unscheinbar wie ein ganz bestimmter Kohl. Sein Name: Brassica oleracea – Grünkohl. Auch er hat es nicht einfach in diesen Tagen. Traditionellerweise isst man ihn mit „Pinkel“ – einer geräucherten Grützwurst, die ihn auch ohne Kindsköpfigkeit nicht gerade eleganter erschienen lässt. Und heute, ja, da liegen im Regal neben dem veganen Aufstrich bisweilen Kale-Chips. Ein kontroverser Typ, ganz offenbar.

Mit beiden Zubereitungsformen macht sich der Grünkohl mindestens genauso viele Freunde wie Feinde. Entweder man begegnet ihm innerhalb der deftigen Landesküche, oder er taucht auf als ein als Gemüse verkleideter Kartoffelchip. Im Grunde finden nahezu alle Begegnungen mit dem Grünkohl entweder zwischen den Diätseiten eines jeden Frühjahrsmagazins statt oder in den Weihnachtsfeiertagen neben dem Hackbraten bei Oma – unterschiedlicher könnten die Ansätze nicht sein. Weil aber Dinge, an denen sich die Geister scheiden, so schön schleierhaft sind, bringen wir Licht ins Dunkel der Grünkohlogie.

Woher kommt Grünkohl und warum sollte er auf unserem Speiseplan stehen?

Derweil ein Vorläufer des Grünkohls in Griechenland bereits um 400 v. Ch. aufgetaucht ist, liegen die längsten Wurzeln der Kohls in Deutschland im Jahr 1545, seitdem in Oldenburg das „Gröönkohl-Äten“, also öffentliches Grünkohlessen, zelebriert wird. Diese Tradition mit politischem Hintergrund findet bis heute in Berlin statt. Die Griechen waren der Überzeugung, dass Grünkohl nach zu viel Alkohol dessen körperliche Folgen zu lindern imstande ist. Man muss im Frühjahr also gar nicht fasten: Grünkohl ist die Lösung.

Und wer das Jahr mit ein bisschen weniger Zynismus und Alkohol, dafür aber mehr Zukunftselan und Ausdauer angehen will, versuche es mit selbst gepressten bunten Säften. Grünkohl ist aufgrund seines hohen Kaliumgehalts sehr gesund – aber unglaublich herb. Kein Mensch muss beginnen, Grünkohl zu trinken um seine Gesundheit zu retten. Auf eine Hälfte frisch gepresster Orange, einem Viertel aus Apfel und jeweils einem Achtel aus Karotte und Grünkohl lässt sich ein sagenhafter, erfrischender Saft zubereiten.

Noch schnell mit einem Ammenmärchen aufgeräumt

Grünkohl kann man auch ernten, bevor er den ersten Frost abbekommen hat. Das Gerücht, dass dem nicht so sei, kommt aus einer Zeit, in dem aus Grünkohl noch nicht seine besonders herben Aromen herausgezüchtet worden waren. Denn tatsächlich stimmt, dass niedrige Temperaturen und Sonnenlicht ihm Süße verleihen. Das hat mit einer heruntergefahrenen Arbeitsweise des Stoffwechsel bei Fortlauf der Fotosynthese zu tun, weshalb weiterhin Zucker gebildet wird. Die meisten der heute gezüchteten Grünkohlsorten besitzen allerdings schon Ende September den vollen Geschmack und wer dann noch ein paar Grade gen Null abwartet, kann ernten – und sich etliche Forendiskussionen und Debatten mit Tante Traudel sparen.

...und ab auf den Teller mit dem Grünkohl in Berlin

Beinah immer handelt der Grünkohl-Streit von kulinarischen Kompromisslosigkeiten – entweder er ist zu fett oder zu fancy. Hier lohnt es sich, sachlich vorzugehen. Auf Latein und in Lukullisch heißt Grünkohl nämlich dasselbe: lecker. Und das haben wir bitter nötig im Januar 2017. Wo finden wir ihn also, der Grünkohl in Berlin?

Für die rustikale Fraktion der Grünkohlnarier ist die Jungfernmühle eine Adresse, die einmal angesteuert werden muss, wer auch Kassler und Eisbein zu seinen Leiberichten zählt. In der tatsächlich zu besichtigenden Mühle ist das Essen deftig und der Feiertagsschmaus auch in greifbarer Nähe wenn Juli ist und die heimatlichen Gefilde fern.

Für die leichtere Liga ist das Amaranth der Ort der Wahl. Wer scharf auf Grünkohl in Format eines besagten Chip im Gemüsekostüm ist, landet hier zwischen Ober- und Niederschöneweide genau richtig. Als Vorspeise gibt es einen Johannisbeer- und getrocknete Tomaten-Dip, Rote-Beete-Apfel-Meerrettich-Dip mit rohen Grünkohl-Chips. Das kann man getrost machen und darf sich auf einen schönen Ort mit erlesenen jahreszeitlichen Variationen freuen.

Grünkohl für zu Hause: Caldo Verde

Es stimmt, Caldo Verde ist ein portugiesisches Nationalgericht, das mit Couve Galega zubereitet wird, einer Variante des Markstammkohls, nicht mit Grünkohl. So immens sind die Unterschiede allerdings nicht. Bei uns wird der Markstammkohl vor allem als Tierfutter verwendet, seine Zubereitung allerdings ist dieselbe wie in Italien, Griechenland, Portugal oder der Türkei: Einkochen und Einwickeln. Und wer je gehört haben soll, die Deutschen hätten einen überdimensionalen Kohlverbrauch, dem lasse gesagt sein: Die Portugiesen haben den dreifachen.

Zur Caldo Verde, also: Basis ist eine Kartoffelsuppe, für die Zwiebeln und Knoblauch angedünstet und mit Wasser aufgegossen werden. Darin werden Kartoffelstücke so lange mit Lorbeerblättern gekocht, bis sie sich zersetzen. Beliebig viel Chouriço wird zunächst mitgekocht, dann zerschnitten und wieder in die Brühe vermengt. Jetzt kommen die in feine Streifen geschnittenen Kohlblätter in die Suppe und werden so lange mitgekocht, bis sie im Begriff sind, ihren Biss zu verlieren. Mit Salz, Pfeffer und Olivenöl abschmecken und fertig.

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