Berlin, wir müssen reden: über deine Baustellen

© Annik Walter

Berlin, ich kenne dich schon seit einigen Jahren und wir wohnen seit einem Jahr zusammen. Auch wenn du mich manchmal nervst, wie das so in einer Beziehung ist, so machst du doch vieles durch deine Schönheit wett. Deine Bezirke reißen so viel raus, dass hier jeder glücklich werden kann. Ja, ich teile dich sogar gern. Es gibt aber in jeder Beziehung einen kritischen Punkt – und der ist erreicht. Wir müssen reden. Denn da gibt es diese eine Sache, die ich nicht ganz verstehe, die nicht ganz in meinen Kopf geht: deine Baustellen. Die tausenden Bagger, die aufgerissenen Straßen und all die Bauarbeiter-Dekolletees.

Es wird einfach zu viel. Erst in den letzten Tagen wurden die Bauarbeiten an der Rudolf-Wissell-Brücke abgeschlossen. Die Schlagzeile: "Das Baustellen-Wunder von Berlin". Weshalb ein Wunder? Weil die Brücke nicht nur fristgerecht, sondern sogar früher fertig wurde. Und dafür gibt es sogar noch eine Prämie vom Senat obendrauf. Finanzieller Support für gute Arbeit quasi.

Schön und gut, aber auf der anderen Seite schauen wir von der Warschauer Brücke Richtung Alexanderplatz und sehen unzählige Baukräne. Sie stehen für all die Baustellen, die in Berlin weiterhin wüten und die uns den Alltag erschweren. Eine dieser Baustellen liegt an der Potsdamer Brücke. Nicht nur, dass die einzig verbliebene Spur nur noch von Bussen befahren werden durfte, die Strecke ist jetzt komplett gesperrt, weil sich kein Verkehrsteilnehmer an die "Regeln" hielt, die anscheinend für niemanden ersichtlich waren.

Für Außenstehende mag es so aussehen, als würden sie wie Wilde rasen. Die Berliner wissen: Die freuen sich, dass sie überhaupt mal fahren können.

Man darf sich dabei ruhig fragen, wessen Schuld dieses Missverständnis zu Grunde liegt. Aber es bringt ja nichts, was zählt ist, dass eine weitere Strecke in die Berliner Innenstadt blockiert ist. Da verstehe ich auch langsam jene Autofahrer, die "berlinerisch" unterwegs sind. Für Außenstehende mag es so aussehen, als würden sie wie Wilde rasen. Die Berliner wissen: Die freuen sich, dass sie überhaupt mal fahren können. Natürlich darf man dabei Verkehrssicherheit nicht außer acht lassen, aber ich beginne langsam Verständnis für alle gereizten Autofahrer zu entwickeln.

Was willst du uns also lehren mit deinen Baustellen, Berlin? Willst du uns geduldiger machen? Verständnisvoller? Ruhiger? Ich kann nur so viel sagen, unsere Beziehung bewegt sich auf blockierten Wegen. Die Warschauer S-Bahnstation und den BER will ich noch miterleben. Aber dann folgen bestimmt die nächsten Mammutprojekte, denen wir wohl den Namen "Stadt im ewigen Wandel" verdanken werden.

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