21 Tipps für das Gallery Weekend 2017
Berlin hat rund 500 Galerien, die Dunkelziffer liegt vermutlich weit darüber. Wahrscheinlich kann der durchschnittliche Kunstinteressierte ohne langes Überlegen fünf beim Namen nennen. Das Gallery Weekend bietet nun wieder die Möglichkeit, an drei Tagen den Galeriehorizont zu erweitern und bei einer Radtour durch Berlin kulturelle Bozenstopps einzulegen. Eine Auswahl der sehenswertesten Ausstellungen zu treffen fiel uns bei 47 offiziell teilnehmenden Galerien und drei Handvoll inoffizieller Nebenevents nicht leicht, aber wir haben’s! Auf die Räder und los!
1 Sven Marquardt in der Galerie Deschler
Sven Marquardt ist der wohl legendärste Türsteher der Welt. Vor ihm zu bestehen und durch “seine” Tür gewunken zu werden, ist für viele DER Triumph. In all den Jahren hat Sven Marquardt tausende Gesichter gesehen und Persönlichkeiten kennengelernt. Dies formte eine Leidenschaft für Menschen, aber auch Portraitfotografie, der er seit den 80ern nachgeht. Seine Bilder sind schon weltweit gereist, jetzt könnt ihr sie in der Galerie Deschler sehen.
2 Jonas Burgert im Blain | Southern
Ganze 22 Meter misst das sich fast über die gesamte Länge der Galerie erstreckende Landschaftsgemälde von Jonas Burgert. Dem gegenübergestellt finden sich lebensgroße Portraits, die mit fast unheimlicher Ruhe die wilden Szenen des großen Werks zu beobachten scheinen. Die Idee von Burgert hinter seiner Malerei ist es, die menschliche Psyche zu personifizieren. Das gelingt ihm in so vielen Facetten, das fast von selbst drauf kommen kann, dass der Mann sie nur in einer studiert haben kann: seiner Heimatstadt Berlin.
3 Charlotte Posenenske bei Mehdi Couakri
Mekhi Chouakri lädt zur Ausstellung von Charlotte Poseneske direkt in das Archiv der Künstlerin. Poseneske stellte sich in den 60ern gegen die klassischen Gepflogenheiten des Kunstmarkts: Ihre Arbeiten bot sie zum Materialpreis an. Außerdem sprach sie sich gegen limitierte Editionen aus, und für eine serielle Produktion, also gegen Exklusivität und für Offenheit. Damit bleibt sie eine wichtige Stimme in Zeiten bröckelnder Demokratie.
4 Gallery-Weekend-Special in der Berlinischen Galerie
Falls ihr tatsächlich zu den 1% gehört, die sich bei der eigens für die Berlinische Galerie entwickelte Installation “IM MOLOCH DER WESENSPRÄSENZ” des Berliner Künstlers John Bock noch nicht die Daumen wund gepostet haben: Das ist eure Chance. Denn der Künstler himself führt euch bei freiem Eintritt durch seine barock-opulente Schau, die gleichzeitig Freakshow, Bühne, Versuchslabor und Kino ist.
5 Screening “The Chinese Lives of Uli Sigg” im Cinema Paris
Seit den 1990ern sammelte der Schweizer Uli Sigg chinesische Kunst. Sein Versprechen lautete, diese nur so lange aufzuheben, bis China bereit ist, sie öffentlich zu zeigen. Jetzt ist es soweit und 2019 wandern die Werke nach Hong Kong, ins neue Museum für Visuelle Kultur M+. Siggs besondere Verbindung zur asiatischen Kunst ergab und vertiefte sich mit der Karriere und vice versa: Er gründete die Wirtschaftskammer Schweiz-China, vertrat dort sein Land als Botschafter und wurde 2010 zum Generalkommissar des Schweizer Pavillons der Weltausstellung in Shanghai ernannt. Dieses Leben bietet Stoff für eine Dokumentation, die anlässlich des Gallery Weekends im Cinema Paris Deutschlandpremiere feiert.
6 Talk in der Galerie EIGEN + ART
Zum 90. Geburtstag des Künstlers Karl-Heinz Adler ist der Band "Art in the System. The System in Art" erschienen. Darin geht es um Adlers bekanntes “Beton-Formstein-Programm", das vielfach die Hauswände von DDR-Bauten zierte und somit zum Bestandteil des Systems wurde. Beim Talk mit dabei sind der 2016 zum einflussreichsten Menschen im internationalen Kunstbetrieb erkorene Hans Ulrich Obrist und Künstler Olaf Nicolai, dessen Ausstellung an diesem Wochenende bei Eigen + Art eröffnet.
7 Fabian Knecht bei Alexander Levy
Galerist Alexander Levy empfängt euch am Eröffnungsabend zur Show von Fabian Knecht mit seinen spektakulären, an den Vandalismus grenzenden, Raumexperimenten.
8 Pamela Rosenkranz bei Sprüth Magers
Wer nicht unter einem Stein gelebt hat, ist in den letzten Jahren nicht an Pamela Rosenkranz vorbeigekommen. Sie ist jung, erfolgreich und bespielte 2015 mit nur 35 Jahren den Schweizer Pavillon der Biennale di Venezia. Dabei gilt sie als Kontrollfreak, in deren Karriere nichts zufällig geschieht, um sie herum ein Netzwerk mächtiger Kunstliebhaber. Bei Sprüth Magers sollte man sich deshalb mit wachen Augen selbst ein Bild dieses Superstars machen, natürlich nicht ohne die Werke von Lucy Dodd und Otto Piene gänzlich außer Acht zu lassen.
9 Andreas Slominski in der Galerie Neu
Als habe ihn ein Obdachloser vergessen, steht der mit allem möglichen Hab und Gut gefüllte Einkaufswagen im Galerieraum. Was es in den White Cube schafft – auch mal eine Dixie-Toiletten in den Deichtorhallen Hamburg – ist selten ein Versehen, sondern eigentlich immer eine beabsichtigte Geste; in diesem Fall von Objektkünstler Andreas Slominiski. Mit viel Humor, Sarkasmus, Freude an der Kunst und dem Spiel bringt er das Lachen in die überwiegend ernste Kunstwelt.
10 Toby Ziegler in der Galerie Max Hetzler
Toby Zieglers neue Werkserie untersucht die Neigung des Menschen im Angesicht von Chaos nach Mustern und Bedeutung. Bester Ausgangspunkt dafür: na klar, die Google-Bildersuche. Mit dieser suchte er nach Georges de La Tour, einem französischen Maler des 17. Jahrhunderts, insbesondere nach seinem Gemälde Die Wahrsagerin von 1630. Das Ergebnis dieser Suche? Alles von Pizzawerbung bis hin zu Kriegsfotografie.
11 Candice Breitz bei KOW
Candice Breitz’ Videos sind Medien- und Gesellschaftskritiken. In Love Story, ihrer neuesten 7-Kanal-Installation, hinterfragt Breitz, wie Aufmerksamkeit in unserer heutigen, medialen Welt eigentlich gelenkt und Nachrichten selektiert werden. Dafür lässt sie persönliche Schicksalsgeschichten von Darstellern wie Alec Baldwin und Julianne Moore vortragen.
12 Lu Yang bei Société
Zeitgenössische Kunst aus Asien bietet dem Kunstmarkt aktuell die spannendsten Positionen. Eine Einzelausstellung der in Shanghai geborenen Multimedia-Künstlerin Lu Yang, die sich mit Neurowissenschaften, Sterblichkeit und Religion auseinandersetzt, passt da perfekt ins Bild. Denn in ihrer Bildsymbolik bedienen sich ihre Videos und Installationen gleichermaßen der Popkultur, Science Fiction und Technologie.
13 Brent Wadden bei Peres Projects
Brent Wadden – der webende Maler. Es ist immer spannend, altes Handwerk und Material in neuem Kontext und zeitgenössischer Ästhetik zu sehen. Wadden schafft aus gewebtem Garn wunderschöne “Gemälde” mit geometrischen Formen, mit denen man sich direkt, als Decke, aufs Sofa legen möchte.
14 Tatsuo Miyajima in der Buchmann Galerie
Ein echtes Schwergewicht der Kunst ist gerade in der Buchmann Galerie zu Gast: der in Tokyo geborene Tatsuo Miyajima. Die sein Werk bestimmenden Grundsätze Keep Changing, Connect with everything und Continue forever beschäftigen sich mit der Zeit und ihrem Vergehen. Farbige Zahlenanzeigen aus LED sind für die neuen Wandarbeiten vom Künstler als Gadgets in quadratische Spiegelpanele montiert. Von einem Algorithmus gesteuert leuchten die Zahlen in hypnotischer Rhythmik auf und ergeben den “Flower Dance”.
15 Michel Majerus bei Neugerriemschneider
Dies ist ein technoides Artvergnügen. Über Michel Majerus heißt es, "(e)r feierte den Techno mit dem konservativen Medium der Malerei". Sampling wurde eine Art Markenzeichen, unsere Alltagskultur sein Material, die Pop Art seine Vorlage. Omnipräsente Symbole unserer Kommerzkultur (sprich: Logos, Slogans) brachte er in ein recht konservatives Medium, das der Malerei, und den nicht minder kommerziellen Kunstbetrieb.
16 "Grotte Capitale" in der Exile Gallery
Das Gallery Weekend bietet sich für Entdeckungen an. Und die Exile Galerie ist keine der “üblichen Verdächtigen” sondern noch ein eher leises, aber funkelndes Sternchen auf der Kunstkarte. "Grotte Capitale" lautet der Titel einer neuen Gruppenausstellung dort, mit jungen und alten KünstlerInnen, darunter Poetin und Künstlerin Hanne Lippard, Nathalie Du Pasquier, in den 80ern Mitglied der Designbewegung Memphis, und Verena Pfisterer, in den 60ern Künstlerin der jungen Avantgarde.
17 Enter Art Foundation
Ab mit euch zu MULTIPOLSTER! Denn dort, im denkmalgeschützten ehemaligen Möbelhaus, seht ihr rund 120 Werke von 30 neuen ausgewählten Künstlern aus 18 Ländern, darunter Schüler und Studenten von Akademien und Hochschulen aus Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig, Mainz, Karlsruhe, Weimar, Krakow, Wien, Zürich, Barcelona, New Vork, Sao Paolo usw. Die Verkaufserlöse gehen übrigens zu 100% an die Künstler: Falls ihr unter die Sammler gehen wollt, dann hier.
18 Performances und Künstlergespräche im Galerienhaus
Das Galerienhaus bietet Ausstellungen bei Konrad Fischer Galerie, Galerie Nordenhake, Grundemark Nilsson, Zak | Branicka u.a. in räumlich konzentrierter Form. Anlässlich des Gallery Weekends gibt es am Samstag, als Zugabe quasi, eine öffentliche Führung mit Erno Vroonen und Artist Talks sowie eine Performance.
19 Anselm Reyle in der König Galerie
Die König Galerie setzt mit Anselm Reyle auf eine sichere Bank. Nachdem Reyles Kreativpause für ein Raunen und Staunen in der Kunstwelt sorgte, wurde vielfach über sein Comeback getuschelt. Wir kennen das Phänomen ja aus der Musik. So oder so lohnt sich ein Aufschlagen in der Galerie, um nicht einen Besuch im Epizentrum des Gallery Weekends zu verpassen.
20 Guidi presents "Art for Art’s Sake" im Kühlhaus Berlin
Während des Kunstmarathons etwas Dolce Vita genießen mit Pizza, Wein und Kunst – wie klingt das? Die italienische Luxusmarke für handgefertigte Schuhe Guidi hat zu einem Open Call Künstler der Medien Malerei, Skulptur, Fotografie, Video, Performance, virtuelle Kunst und Musik zu für die Ausstellung "Art for Art’s Sake2 eingeladen. Aus 130 Bewerbungen hat eine Jury 5 Künstler ausgewählt, die im Kühlhaus ausstellen dürfen. Einlass nur nach Voranmeldung unter artforartssake@guidi.it.
21 Feminist Land Art Retreat in der Acud Gallery
Ein Besuch in der Acud Gallery lässt sich perfekt an einen ausgiebigen Spaziergang rund um den Weinberg in Berlins Mitte einbauen. Ok, für diesen Satz aus der Touristenführerhölle schämen wir uns ein bisschen. Warum? Ganz einfach, weil wir noch nicht viel über die Ausstellung in der Acud Gallery wissen. Wohl aber wissen wir jetzt schon, dass wir euch guten Gewissens in diese Ausstellung schicken können, allein schon weil im Anschluss direkt nebenan bis zum Morgengrauen das Gallery Weekend gefeiert wird.
Gallery Weekend | Freitag, 28. April 2017, 18–21 Uhr, Samstag & Sonntag, 29. und 30. April 2017, 11–19 Uhr