Warum der Streetfood-Hype ein Ende finden sollte
Wenn man aktuell durch die Veranstaltungen in Berlin scrollt, stechen einem immer wieder dieselben Begriffe ins Auge: "Market", "Festival" und "Streetfood", gerne auch wild miteinander kombiniert. Manchmal hüllt sich das kulinarische Event in einen englischen Deckmantel – Seafood, Icecream, Korean –, manchmal versteckt sich der Foodtruck auch nur in der Beschreibung. Hauptsache das Streetfood ist dabei. Als ob ein einziges Wort für Hipness und Qualität stehen würde. Dabei ist aktuell eher das Gegenteil der Fall. Streetfood in Berlin ist die Puste ausgegangen. Was einst irgendwie sympathisch gestartet ist, hat sich mittlerweile so fest in den Mainstream gebissen, dass es fast weh tut – und verliert damit seinen Zauber.
Eine Dreiviertelstunde und 6 Euro später für eine Mini-Portion Spätzle
Eigentlich ist das Konzept von Streetfood-Märkten ein wunderschönes. Schließlich geht es ums Essen, ums Teilen, ums zusammen Zeit verbringen. Wo sonst hat man so viele unterschiedliche Gerüche, Gerichte und Geschichten an einem Ort vereint? Wer sich noch ein paar gute Freunde unter den Arm klemmt, hat damit theoretisch alle Zutaten für einen guten Nachmittag oder Sonntag zusammen. In der "Neuen Heimat" lag diese Stimmung am Anfang in der Luft.
Auch das Food wirkt auf den ersten Blick interessant. Für diejenigen, die mit ihren kulinarischen Kreationen auffahren, bieten Streetfoodmärkte eine gute Möglichkeit, sich auszuprobieren, sich mit anderen auszutauschen und Erfahrung zu sammeln. Gerade für Hobbyköche, die den Schritt zum eigenen Restaurant noch nicht gehen oder sogar nie gehen wollen, ist das eine tolle Sache. So leckere Restaurants wie das Chai Wallahs oder Chicha sind aus Food Stands entwachsen.
Doch ein Problem hatten Streetfood-Märkte, auch solche Größen wie der Streetfood Thursday, schon immer: Das angebotene Essen ist oftmals schlichtweg zu teuer. So groß der Hunger, so groß der Preis. Leider gibt es für richtiges Geld nur kleine Portiönchen – und auch die erst nachdem sich die eigene Freundesgruppe dreimal zerteilt und wieder zusammengefunden hat, um schließlich eine Dreiviertelstunde bei einem Spätzle-Stand anzustehen, 6 Euro da zu lassen und festzustellen: "Die Spätzle schmecken wie Spätzle. Und satt sind wir jetzt nicht." Obendrauf verlangen viele Märkte mittlerweile Eintritt für eine Veranstaltung, auf der man sowieso schon genügend Geld lässt. Ergebnis: allgemeine Frustration.
Die Besuche von Streetfood-Märkten entwickeln sich langsam aber sicher zur Missionarsstellung der Berliner Beschäftigungen
Während sich also die Besuche von Streetfood-Märkten langsam aber sicher in die Missionarsstellung der Berliner Beschäftigungen entwickeln, entdecken Eventveranstalter Streetfood erst so richtig für sich. Album-Release-Party? Magazinlaunch? Sommeranfang? Mit Foodtruck wirkt das doch alles gleich viel geiler, scheinen sie sich zu denken. Und auf ein wirklich durchdachtes Konzept kommt es auch bei Foodmärkten nicht mehr zwangsläufig an. Unterschiedliche Motti, verschiedene Locations, dieselben Stände.
Dass auch ein bisschen mehr zu einem guten Event gehört als vermeintlich sexy Essen, geht immer mehr unter. Warum setzt kaum noch jemand auf schöne Dekoration, wirklich gute Musik, angenehme Atmosphäre, Sitzplätze (!), Bratwurst und günstiges Bier? Am meisten unter der Streetfood-Mania zu leiden, hat aber wohl vor allem einer: der Burger. Plötzlich wollten ihn alle und fraßen sich fast genauso schnell wieder an ihm satt.
Zu einem guten Event gehört ein bisschen mehr dazu als vermeintlich sexy Essen
"In London ist Streetfood schon längst wieder durch", meinte Matze schon letzten Sommer zu mir – und ich wollte das nicht so richtig glauben. Die Idee, zusammen zu essen, neue Gerichte zu feiern, den Tag mit Freunden zu verbringen, fremde Menschen zu beobachten, mittags schon Cocktails zu trinken und zum Abendbrot eine Waffel zu snacken, das mochte ich. Aber so richtig gut gefallen hat es mir auf Streetfood-Märkten eigentlich auch nur, wenn das wilde Herumgerenne, die orientierungslose Essenssuche vorbei war. Wenn wir ein kleines Eckchen gefunden, eine Flasche Wein gekauft und unter uns geteilt haben. So, wie man es im Restaurant machen würde. Rückblickend merke ich, mit der eigentlichen Idee von Streetfood hatte das wohl auch schon da nichts mehr zu tun.
Vielleicht war Streetfood in Berlin nie wirklich geil, vielleicht erdrückt der Hype gerade den Kern. So oder so täte uns eine kurze Pause von klebrigen Fingern, langen Anstehschlangen und einfallslosen Veranstaltungen wahrscheinlich allen mal ganz gut. Selbst in Berlin sollte sich ein Trend irgendwann mal schlafen legen.