REISEVERGNÜGEN – MIT VERGNÜGEN DURCH CHINA

© Matze Hielscher

Der Himmel ist zwar wirklich so grau und die Strassen so verstopft wie man es von den Bildern kennt, doch während man sich durch das hupende Chaos kämpft, schlängeln rechts Fahrräder vorbei, sieht man Menschen tagsüber im Park tanzen oder einfach auf dem Mittelstreifen der Schnellstrasse sitzen und geradeaus gucken - trotz seiner Grösse ist Peking sehr entspannend. Ich muss gestehen, dass mich China nie wirklich als Reiseziel interessiert hat, doch nun lebt mein Freund Mario dort und da ich zum Wandern ja in den Himalya wollte, lag Peking auf dem Weg. Quasi.

Die meiste Zeit haben wir auf Marios Motorrad verbracht. Indianer Jones hat in diesem Model schon schon den Gral gejagt. Im chinesischen Remake saß ich hinten, mein Reisekumpel Dirk im Beiwagen, Mario mit Zigarette im Mundwinkel am Steuer. In den 5 Tagen in Peking haben wir viel gesehen. Die Hochhäuser von SOHO, die verwinkelten Strassen in den Hutongs, Nahe der Verbotenen Stadt, den Dashanzi Art District, die Dachterassen-Clubs auf denen die Expads von Volkswagen zu Paul Kalkbrenner tanzen, den Tiananmen und natürlich die wahnsinnigen Ausmaße der Speisekarte. Bisher musste ich bei chinesischer Küche an Frühlingsrollen, braune Soßen und Curry süß sauer denken. So ein Quatsch. An den Strassenständen werden Spieße serviert, für die man ein bisschen mutig sein muss, denn nicht immer weiss man was man gleich essen wird und wie scharf es ist. Aber dafür wird man geschmacklich königlich belohnt. In den Restaurants kann man sich in Aquarien den Fisch aussuchen, den man essen möchte. Oder aber auch den Frosch. Fasziniert von China und mit der Wettervorhersage für Nepal im Blick, haben wir die Wanderschuhe etwas tiefer in unseren Rucksack gestopft, den Flug umgebucht und beschlossen noch mehr vom Land zu sehen.

Von Kunming hatte ich vorher noch nie gehört. Dabei ist die Stadt in der Provinz Yunnan so groß wie Berlin. Der Fortschritt des Landes wird hier für uns am deutlichsten. Im Hotel begrüsst uns ein 19jähriges Mädchen, das gewissenhaft unsere Anmeldung überprüft, dabei zwinkert und flirtet und viele Stunden später noch immer unbemüht lächelnd den Boden säubert. Das Licht in den Strassen ist fantastisch und erinnert an Kalifornien. Wir laufen durch das Studentenviertel. Von devoten, kleinwüchsigen, nickenden Mädchen keine Spur. Die Damen sehen wie eine asiatische Version von Destinys Child aus. Auf hochhackigen Schuhen stehen sie quasselnd mit ihren genormten Körpern vor den Strassenständen, immer ein iPad unterm Arm. Die Jungs dagegen sehen aus wie Harry Potter als Chemielehrer. Etwas unverhältnismässig. An den Bauzäunen im Financial District kann man auf Fotos sehen wie Kunming vor 30 Jahren aussah. China scheint keine Spur von Nostalgie zu akzeptieren. Die Häuser wurden allesamt abgerissen und durch Wolkenkratzer mit Spiegelfront ersetzt. Sie tragen Namen wie "New Era", "New View", "New Land."  Alles neu! Hey!

Im Hotel erzählt uns ein Deutscher von einer Begegnung mit einem Waschmaschinenhersteller. Seine Firma läuft gut, erzählt er, nur ist er mit der Qualität seiner Produkte nicht zufrieden. Aber das macht nichts, denn im Sommer will er nach Europa kommen und sich die hochwertigsten Maschinen kaufen, sie nach China importieren und dann nachbauen. Easy. Man ahnt in welche Krisen uns dieses riesige Land noch stürzen könnte. Das Erstaunliche ist jedoch wie unangestreckt all das passiert. Keine Hektik, keine Verbissenheit, kein Zähneknirschen. Die Leichtigkeit von Gewinnern.

"Lijiang ist das Venedig von China und zählt zu den beliebtesten Reisezielen der Chinesen." Diesen kleinen Satz haben wir im Reiseführer leider überlesen. Wir mussten schnell feststellen, dass Lijiang ein Rothenburg ob der Tauber ist. Ein Nippesladen reiht sich an den nächsten. Dabei ist die Vielfalt - vorsichtig ausgedrückt - doch sehr eingeschränkt. Wir haben fünf verschiedene Ladentypen ausgemacht. Den Tuchladen, den Bilderladen, den Anhängerladen, den Holzschnitzerladen und den Teeladen. Manchmal wirkte es, als ob man auf einem Laufband geht und links und rechts immer wieder die gleichen Fassaden vorbei gerollt werden. Genervt von der Stadt, genervt von den ahnungslosen Menschen beim Tourismusbüro sind wir schnell raus aus dem Zentrum und immer links gelaufen. Ein alter Trick.

In der Nähe eines Flussarms haben wir Orchesterklänge gehört. Die Musik hat uns augenblicklich von Rothenburg nach China geholt. Wir haben uns in das kleine Restaurant geschlichen, dort saßen 12 Musiker im Seniorenalter im Kreis und spielten hingebungsvoll auf ihren traditionellen Instrumenten. Der Dirigent legte sich in die Melodien, wog sich hin und her und schien jedem Ton von jedem Instrument Beachtung zu schenken. Die Sängerin sang amselschön in ein kleines Mikrofon, der Verstärker zerrte ihre Stimme leicht an und ließ uns noch ein paar Jahre mehr in der Zeit zurück reisen. Als dieses wunderschöne Lied zu Ende war, stand ich wie erstarrt im Raum. Der Dirigent sah mich und riss seine Augen auf, fuchtelte mit dem Stock, zeigte auf mich, sagte etwas zu mir, dann zu den anderen. Die schauten auch. Nichts verstehend konnte ich nur eins machen: applaudieren. Die Anspannung im Raum verflüchtigte sich augenblicklich. Der kleine Diktator lachte, zeigte mit dem Stock noch einmal auf mich, und zählte den nächsten Song ein. In der nächsten Stunden hörten wir Duette, spielte man für uns den Nußknacker - stets in Gegenleistung für einen Applaus.

Ein Wunder, dass wir an diesem Tag unser Augenlicht nicht verloren haben. Die Naxi servierten selbst gebrannten Schnaps, der uns die Farbe der chinesischen Fahne ins Gesicht trieb. Am Ende dieses Nachmittags wurden wir aufgefordet auch ein Lied zu singen. Angetrunken war das natürlich kein Problem. Dirk stellte sich in die Mitte des Raumes und sang ein Lied, das er selber vor Jahren geschrieben hat. Grosser Applaus. Grosser Moment. Nächster Morgen Flucht in die Berge.

Verlassen und hinterwäldlerisch liegt das Dorf Qiaotou zwischen Lijiang und Shangri La und ist der Ausgangspunk unserer Wanderung im Tiger Leaping Gorge. Zum ersten Mal seit Tagen können wir durchatmen. Strahlender blauer Himmel, frische Luft, kein Gehupe. Esel am Wegesrand, die Bauern ackernd auf den Feldern. Keine Maschine, keine Hochhäuser. Die Moderne liegt hinter dem Bergmassiv. Mensch und Natur sind heute zwei sehr gute Freunde. Wir befreien unsere Wanderschuhe und laufen los. Die Höhenmeter und die Hitze ärgern zwar die Lunge, aber das macht gar nichts. Ich schicke ein Foto nach Hause, mein Kumpel Todd fragt "Alpen?". In den Chalets, in den wir nachts schlafen, sieht es wirklich so aus wie in deutschen Vereinshütten. Wir lernen andere Reisende kennen. Endlich Englisch reden, Erfahrungen austauschen, Geschichten hören. Am ersten Abend versammeln sich an unserem Tisch Franzosen, Kanadier, Amerikaner, Israelis und Koreaner. Die beiden Backpackerfragen "Woher kommst du?" und "Wohin gehst du?" hatten wir auf der ganzen Reise noch nicht gehört, jetzt bekommen wir Übung darin. Ungewöhnlich ist, dass wir an jedem Stopp ausschließlich von Kindern bedient werden. Erwachsene bekommen wir in den Gasthäusern nie zu Gesicht.

Im Rauschen des Yangtze Flusses verbringen wir herrlich erholsame Tage und wollen gar nicht zurück, denn in Lijiang müssen wir unser Visum verlängern. Unsere Vorahnung, dass die Bürokratie ein paar Späße für uns bereit hält, wird sich bestätigen. Die Gebühren und Wege haben sich trotzdem gelohnt, denn am Ende haben uns die Chinesischen Beamten die Hand gegeben. Eine sinnbildlichere Geste könnte es für den ersten Teil der Reise nicht geben.

Was in Nepal passiert ist schreibe ich nächste Woche auf. Hier noch ein paar Bilder und unten gibt es noch ein paar allgemeine Tipps. Wenn ihr Fragen habt, dann meldet euch gern bei mir.

ALLGEMEIN:
Flug ca. 700 € mit Etihad Airways
Übernachtung Mittelklasse ca. 15 € / Doppelzimmer
Essen zwischen 1€ (Strasse) und 5 € (Restaurant)
Taxifahrer können selten englisch und leider keine Karte lesen. Vorher die Adresse auf chinesisch besorgen erleichtert sehr viel.
Inlandflüge kann man günstig bei Elong buchen.

PEKING:
Unbedingt Essen: Little Yunnan.
Tanzen auf dem Hochhaus: Migas

KUNMING:
Gute Übernachtung: Upland Hostel

LIJIANG:
Gute Übernachtung, wahnsinnig nettes und hilfreiches Personal: Dongba Hostel

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