Nachhaltigkeit im Nachtleben: Sind Drogen eigentlich vegan?

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Wenn man in Mitte, Kreuzberg oder Prenzlauer Berg ein Café betritt, gibt es ziemlich sicher Soja-, Hafer- oder Mandelmilch zum Kaffee. Eingekauft wird im Bio-Markt, gekocht wird vegan, am liebsten mit Gemüse aus der Region. Bevor wir abends ausgehen, ziehen wir uns die Lippen mit Naturkosmetik-Lippenstift nach und tragen Klamotten, die wir Secondhand gekauft haben – zwar hauptsächlich, weil's geil aussieht, aber ist ja auch nachhaltig, also umso besser. Als wir noch vor ein paar Stunden vor dem Weinregal standen, haben wir darauf geachtet, dass der Riesling auch vegan ist (denn ja, selbst in Wein stecken manchmal tierische Inhaltsstoffe). Jetzt ist es auf einmal neun Uhr morgens, wir taumeln aus dem Club und ziehen uns an der Warschauer Straße noch schnell einen Veggie-Döner rein, damit der Kater nicht allzu vernichtend wird.

Ja, an diesem Klischee ist was dran. Viele, vor allem junge Menschen in Berlin legen in ihrem Alltag immer mehr wert auf Nachhaltigkeit, ernähren sich vegan oder zumindest vegetarisch, verzichten auf Plastik und machen sich Gedanken, wie sie die nächste Reise möglichst klimafreundlich halten können. Es gibt Unverpackt-Läden, vegane Supermärkte und Start-Ups, die gerettete Lebensmittel verkaufen. 270.000 Menschen standen Ende September auf Berlins Straßen, um für eine sinnvolle Klimapolitik zu demonstrieren.

Wie sieht die Ökobilanz der letzten Partynacht aus?

Was aber zwischen dem veganen Wein beim Abendessen und dem Veggie-Döner am nächsten Tag passiert, ist oft gar nicht mal so umweltschonend. Denn eines passt leider nicht zum veganen, bewussten Lifestyle der Berliner*innen: ihr Drogenkonsum. Im Berliner Abwasser finden sich fast doppelt so viele Rückstände von Kokain wie noch vor vier Jahren, und auch andere Drogen wie Liquid Ecstasy oder Ketamin sind weit verbreitet. Ein Billigflug lässt sich inzwischen über Online-Portale kompensieren, um den eigenen CO2-Fußabdruck zu verringern – aber was ist eigentlich mit der Ökobilanz, die hinter der Line Koks auf der letzten WG-Party steckt?

Ist Koks eigentlich vegan? Frage für einen Freund.
User in einem Internet-Forum

Fakt ist: Für den Anbau und Handel von Kokain werden in Zentralamerika große Teile des Regenwaldes abgeholzt, außerdem landen jede Menge Abfallstoffe aus der Produktion in den umliegenden Gewässern. Für ein Gramm Koks gehen etwa vier Quadratmeter Regenwald drauf. Und auch, wenn in Koks nicht direkt tierische Inhaltsstoffe stecken: Unter der Umweltbelastung in den Anbau-Regionen leiden schließlich auch die dort lebenden Tiere. Wem unser Planet und die Umwelt wichtig sind, der müsste um Koks also eigentlich einen großen Bogen machen. Mal ganz abgesehen von den Menschen, die unter den Drogen-Kartellen leiden – Fair-Trade-Koks? Eher nicht.

Wird Koks-Verzicht vielleicht der nächste Nachhaltigkeits-Trend?

Wenn ihr euch jetzt entspannt zurücklehnt und einen Joint anzündet, weil ihr sowieso nichts mit Koks und ähnlichen Drogen am Hut habt, müssen wir euch leider sagen: Auch Cannabis kann einen enormen CO2-Fußabdruck verursachen, weil beim Anbau extrem viel Strom und Wasser verbraucht werden. Das liegt allerdings auch daran, dass die Pflanzen so oft heimlich (weil noch immer illegal) unter hohem Stromaufwand angebaut werden.

Der Vorwurf von Doppelmoral wird ja am liebsten von Menschen angebracht, die Veganer*innen bashen wollen, um sich selbst besser zu fühlen ("Vegan essen, aber in den Urlaub fliegen? Heuchler!"). Dabei gilt eigentlich immer: Besser irgendwas machen als gar nix, und ja, wer sich vegan ernährt, hat der Welt wahrscheinlich schon mal mehr Tierleid und CO2 erspart als die meisten anderen. Trotzdem kann man sich ja fragen, ob nach Veganismus und Flugscham nicht Koks-Verzicht der nächste Berliner Nachhaltigkeits-Trend werden sollte. Bisher sieht es leider nicht so richtig danach aus.

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