40 DAYS OF EATING #33 – Keule
Vormittags noch im Radio in West-Berlin, abends mit Kloppsen, Buletten und Senfeiern im Osten. So geht moderne Wiedervereinigung. So geht Berlin. Rinjehauen.
Maria, erzähl uns von deinem Tag.
Neben Friedrichshain haben wir dank 40 DAYS OF EATING auch Westberlin beinahe komplett erschlossen. Diesmal sogar tagsüber. Wir machen nämlich Promo: Radio Energy hat geladen und wir folgen dem Ruf, nicht ohne eine ordentliche Portion Schiss. Lisi drückt uns in die Radio-Lobby wie Sophia ihre Katze "Flüsch" damals in den Katzenkorb. Aber mit einigen Leckerlies (und Lob) überwinden wir unsere Scheu und albern kurze Zeit später mit der weltbesten Radiomoderatorin herum. Verbale Ausrutscher unsererseits werden von Lisi professionell aufgefangen. Danach stromern wir noch rum, unter anderem in einem Laden für Computerbedarf, wo ich einen netten jungen Mann in Cape kennenlerne und wir ein wenig an der Wassertränke quatschen. Er ist noch ein Welpe aber ganz niedlich. Abends geht es, WIE SOLLTE ES ANDERS SEIN, nach Friedrichshain. Ohne Angst. I'm still Maria from the block.
Wo habt ihr heute gegessen?
Es wird heftig deftig: Keule. Unser lieber Freund (=KEULE) Steve hat sich einen Traum erfüllt und gemeinsam mit seinem Bruder die Berliner Küche zurück nach Berlin geholt. (Wo war sie nur hin? Naja, egal.)
Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Die Karte liest sich wie meine eigene Biografie. Mit Senfeiern wurden wir großgezogen (nicht mit Jägerschnitzel. Ich muss das an dieser Stelle noch einmal berichtigen - es wurde von mütterlicher Seite darum gebeten. Jägerschnitzel war Schule, Senfeier (bei uns übrigens süß-saure-Eier) war Mama! - SO GUT! Vor der Leber haben wir uns auch damals schon gegruselt und Bulette (mit U!) mit Kartoffelsalat veranlasst heute noch eine heftige Dopaminausschüttung in meinem Gehirn. Wird daraufhin prompt bestellt. Dazu gibt es Erbsenpüree. Das sieht zwar leicht grau aus, schmeckt aber grün. Vorweg gibt es eine deftige Platte mit Kasslerfleisch, sauren Gurken und Soleeiern - voll gut, bis auf die Eier. Aber die mag man oder eben nicht. Davor noch 'ne Stulle mit Schmalz, denn heute ist Schmalztag. Habe ich das Menü mal eben flux von hinten uffjerollt, wah?
Wie ist der Service dort?
Wir kennen Steve schon von diversen Party-Eskapaden und freuen uns sehr, als wir ihn sehen und schnallen, dass es sein Laden ist. Sein Bruder, der schon Küchenchef im "Zum Schusterjungen" (bekannt für Hausmannskost) in Kreuzberg war, regiert über die Küche und bringt sie in gut bürgerlicher Variante auf die Teller. Alles frisch und selbst gemacht. Kalorien zählen ist hier strengstens verboten. Aber das machen wir ja auch nicht. Kalorien kann man nicht anfassen, deswegen existieren sie für uns auch nicht. Wie Luft. Bauchspeck kann man anfassen. Da wird es dann kompliziert.
Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Bei den ganzen Thai-Imbissen und Indern in Friedichshain ist so eine Kneipe mit Urberliner Küche ein echter Exot. Ich finde super, dass es soetwas noch gibt und die Idee, das auf Berlins weltgrößter Tourimeile, der Simon-Dach-Straße, zu eröffnen, auch. Hier, liebe Berlinbesucher: Genau SO sieht die Berliner Küche aus. Oder sah sie mal aus. Damals. Mir gefällt besonders gut, dass hier fast alle ebenen Flächen mit Tafellack bearbeitet wurden. Sophia und ich machen uns sofort ans Werk und toben uns kreativ auf Klo, Tresen, Türen, Eingangsbereich und Schränken aus. Anschließend pulen wir uns gegenseitig Kreide aus den Haaren und quieken vergnügt. Komplett knülle vom Toben und Essen kann man sich hinten in der Kuschelecke (eigentlich LOUNGE!) einrollen und die Klopse, die man gerade vertilgt hat, in Ruhe verdauen.
Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?
So ein Mittelding aus Anwohnern und Touristen.
Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?
Hier ist es so gemütlich und das Essen wirklich lecker. Demnach fällt mir gerade niemand so richtig ein, der hier nicht herkommen sollte. Vielleicht sollte man hier aber nicht täglich einkehren, sonst besteht die Gefahr des übertriebenen Kalorienangriffs.
Worüber habt ihr gesprochen?
Über damals. Über Radio. Steve war nämlich auch mal in der Radiobranche tätig. Also "auch", weil wir uns ja jetzt total azuskennen, ist klar.
Was hast du Neues über Sophia gelernt?
Wenn man möchte, dass Sophia nix mehr sagt und nur noch zufrieden grunzt, so stelle man ihr Senfeier hin. Ganz nebenbei hat sie das GNTM-Trinkspiel erfunden: Immer, wenn die Heidi das Wort "Mädchen" oder "Ausdruck" sagt, muss ein Kurzer getrunken werden. Vollrausch vorprogrammiert.
Das Beste an diesem Essen...
Der Kartoffelsalat und das Bier. Und die süß-sauren äh Senfeier. Feels like home.
Möchtest du noch etwas sagen?
"Mädchen".
Sophia, erzähl uns von deinem Tag.
City West scheint so etwas wie meine neue Hood zu werden. Heute sind wir zu Gast bei Radio Energy und fast nicht aufgeregt. Da Maria und ich mittlerweile totale Vollprofis sind, was Radiobesuche angeht, meistern wir auch dieses Interview ohne Probleme. So und jetzt mal ohne zu übertreiben: Ich habe wieder wahnsinnige Angst und bin ehrlich gesagt froh, als alles vorbei ist. Aber wenigstens sage ich diesmal auch etwas. Außerdem ist Lisa mit am Start, das hilft gegen zu viel Angst. Und ich bin schwer beeindruckt, wie souverän Lisi das Interview meistert. Nach dem Termin stromern wir noch siebzehn Runden um den Ernst-Reuter-Platz und freuen uns.
Wo habt ihr heute gegessen?
Bei 'Keule' in Friedrichshain (Juhu, schon wieder!).
Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?
Ick, ditte, kieke ma, uff der Karte steht nur Bulette. Okay, also nicht ganz. Hier wird gutbürgerliche Berliner Küche geboten. Gewöhnungsbedürftig für Nichtberliner, für uns aber der absolute Hammer! Zum Brot gibt es heute zwar nur Schmalz, allerdings wird mir auf Nachfrage noch Butter gereicht. Die Vorspeise in Form des Hauptstadttellers fällt größtenteils für mich auch aus, also halte ich mich an Brot mit Butter. Aber wir wissen ja: Ich liebe liebe liebe Brot mit Butter, also ist alles gut. Kommen wir also zu meinem absoluten Highlight: SENFEIER mit Kartoffelstampf. Als Berliner-Brandenburg-Göre gibt es für mich nichts besseres als ein blaugekochtes Ei mit Senfsoße und Kartoffelbrei. Und hier passt einfach alles! Die Soße ist super lecker und der Kartoffelstampf schön cremig und trotzdem stückig (nicht zu lange gestampft, viel Butter). Als ich mit meiner Portion fertig bin, erlebe ich Sattheit in ihrer reinsten Form. Ich möchte mich jetz sofort hier zusammenrollen und schlafen. Zum Essen gibt es natürlich Berliner Bürgerbräu Rotkehlchen. Insgesamt werden hier vier (!!!) Biere vom Fass angeboten. So muss Himmel sein.
Wie ist der Service dort?
Besitzer Steve kenne ich bereits seit Jahren aus dem Berliner Nachtleben, ich wusste allerdings bis heute nicht, dass er ein Restaurant hat. Gemeinsam mit seinem Bruder Mark betreibt er das oder die 'Keule'. Ich freue mich sehr, Steve zu sehen und wir steigen sofort in eine wilde Unterhaltung ein. Wie so oft, wenn wir irgendwo angemeldet aufschlagen, sind alle wirklich sehr zauberhaft zu uns. Interessant ist es für uns mittlerweile zu sehen, wie die Gäste an den anderen Tischen behandelt werden. Die freundliche Servicekraft ist schnell und immer zu einem Späßchen aufgelegt. Hier fühlt man sich wohl, die Gäste an den anderen Tischen bleiben auch alle sehr lange sitzen und trinken noch ein Bier. Oder zwei. Oder drei.
Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?
Das Restaurant ist gemütlich, das Licht angenehm. Die Möbel wurden aus alten Gerüstbohlen selbst gebaut. Ich will so einen Tisch haben! Steve so: "Habt ihr schon die Lounge gesehen?" Ick so: "Hä? Nee!" Ich renne ins Hinterzimmer und tatsächlich befindet sich hier eine Lounge mit Sofas. Wirkt fast ein bisschen wie ein Jugendclub von damals, nur eben in schöner. Als ich das anmerke, ernte ich beleidigte Blicke, ist mir aber egal. Ein weiteres Highlight: Der Tresen sowie die Toilettenräume sind mit Tafelfarbe überzogen. Wir hinterlassen diverse Liebesbotschaften. Und falls gleich wieder jemand meckert: Im Berliner Raum ist es durchaus üblich "Bulette" zu schreiben. Könnta googlen.
Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?
Touristen und vereinzelt auch Leute aus dem Kiez. Bald soll eine Kiezkarte eingeführt werden, um noch mehr Anwohner anzulocken. Bei jedem Essen gibt es einen Stempel, das 10. Essen ist for free (oder so ähnlich, ich hab nicht richtig zugehört, ich hatte Kartoffelbrei in den Ohren).
Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?
Mit Menschen, die auf viel ChiChi stehen. MonChiChi. Hihi. Naja, egal.
Worüber habt ihr gesprochen?
Da wir uns kennen und Steve gemeinsam mit uns isst: über sehr vieles. Maria und ich hängen viel an den Kopfhörern, da gleich unser Interview auf Energy ausgestrahlt wird. Aber irgendwie kommt da die ganze Zeit nur brutal prollige Partymucke. Komisch! Steve meint, dass er auch mal beim Radio war. Wir erzählen alle einen Schwank von früher und erinnern uns an die Kindheit in Berlin und Brandenburg. Nebenbei machen wir noch viel Quatsch und lachen. Ganz normaler Abend also.
Was hast du Neues über Maria gelernt?
Maria hat eine sehr sexy Radiostimme.
Das Beste an diesem Essen...
Der Kartoffelbrei mit der Soße. Und das Bier.
Möchtest du noch etwas sagen?
Is wat? Mir hat die Reise in das alte Berlin sehr gut gefallen, da es mich wie auch schon die Volksbühne an meine Kindheit erinnert hat. In Berlin gibt es so viele unterschiedliche Restaurants und man kann sich quer über den gesamten Erdball futtern. Wieso also nicht mal Berliner Gerichte in Berlin genießen?
Gestern waren Maria und Sophia im Feliu. Alle Folgen 40 DAYS OF EATING gibt es hier.
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Location: Keule Berlin, Simon-Dach-Straße 22, 10245 Berlin
Fotos: Christoph Wehrer
Text: Maria und Sophia Giesecke
Artwork: Frau Grau
Produktion: Mit Vergnügen
(Ja, "40 Days of Eating" ist eine Adaption von "40 Days of Dating".)